Christoph Menke, Dr. phil.

Project

Zweite Natur und Befreiung: Gesetz und Freiheit nach Hegel

Das Forschungsvorhaben gilt dem Verhältnis von Gesetz und Freiheit. Wir stehen unter Gesetzen - Gesetzen des Sprechens, Denkens und Handelns -, und wir bestimmen uns in unserem Sprechen, Denken und Handeln selbst. Das sind die beiden Bestimmungen des Subjekts: Ein Subjekt ist durch normative Unterscheidungen konstituiert, und das Subjekt ist die Instanz der Anwendung, Deutung und Hervorbringung normativer Unterscheidungen.
Die moderne Philosophie (seit Rousseau und Kant) hat versucht, diese beiden Seiten im Begriff der Autonomie zusammenzudenken. Das Forschungsvorhaben setzt mit der These ein, dass diese Lösung gescheitert ist. Es stellt daher die Frage, wie der Anspruch des Autonomiebegriffs, Gesetz und Freiheit zusammenzudenken, auf andere Weise eingelöst werden kann. Diese Frage soll auf dem Weg einer kritischen Rekonstruktion von Hegels Philosophie des Geistes beantwortet werden.
Hegels grundlegende Einsicht lautet, dass Gesetz und Freiheit als sozial konstituiert zu verstehen sind. Diese Einsicht ist grundlegend - aber nicht, weil sie schon die Lösung ist, sondern weil sie erlaubt, das gestellte Problem in hinreichender Komplexität zu formulieren. Hegels Geistphilosophie erscheint genau deshalb als der richtige Gegenstand, um die Frage nach dem Verhältnis von Gesetz und Freiheit zu stellen, weil sie mit der These ihrer sozialen Konstitution das Problem nicht gelöst zu haben behauptet, sondern es zum Paradox zuspitzt. Dieses Paradox lautet, dass - einerseits - Gesetz und Freiheit nur als soziale Begriffe zusammengedacht werden können, dass ihnen dann aber - andererseits - ein irreduzibles Moment zweiter Natur anhaftet, das im Gegensatz zu ihrer Normativität und Spontaneität steht. Die Befreiung ist der Prozess, in dem sich dieses Paradox entfaltet.

Lektüreempfehlung

Menke, Christoph. Kraft: Ein Grundbegriff ästhetischer Anthropologie. Frankfurt/Main: Suhrkamp, 2008.
-. "Autonomie und Befreiung." Deutsche Zeitschrift für Philosophie 58, 5 (2010): 675-694.

Colloquium, 19.04.2016

Essay on Liberation

Liberation is the emergence of freedom - the process by which freedom is spawned. What is the relationship between the liberation process and the nature of that freedom which it generates? If we define freedom negatively - freedom as the possibility to do what one wants - then the act of liberation is of an external character. Liberation is merely the elimination of external obstacles. Freedom exists in and of itself (that is to say, inherently) when it is unimpeded externally or by others. On the other hand, if we understand freedom positively - freedom as the ability of someone to define himself (along with others) - then it stands to reason that we should conceive liberation as permanent and thus freedom not as a finished state but as a process - the process of self-generation.

This gives rise to two questions:

1. How and by whom is freedom generated? On the one hand it would seem clear that I cannot be given, lent or gifted with freedom; on the other hand it would also seem apparent that in order to generate my freedom I must already be free. Liberation is an act that only I can perform - although, if I am not already free, then I cannot yet act at all.

2. How is the condition, as a condition of servitude, to be understood in opposition to which freedom must be generated? The notion of liberation cannot compass servitude as a mere external hindrance or domination. The servitude from which we wish to liberate ourselves is rather self-induced - that is to say, as enslaving as voluntary.

Two paradoxes - the paradox of the liberating act and the paradox of voluntary servitude. My lecture is an attempt to explore these two paradoxes. And this will be done with the help of a narrative - a story of liberation.

Publications from the Fellows' Library

Menke, Christoph (Berlin, 2015)

Kritik der Rechte

Menke, Christoph (Berlin, 2014)

Die Kraft der Kunst Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft ; 2044

Menke, Christoph (Berlin, 2014)

Baumgarten-Studien : zur Genealogie der Ästhetik

Menke, Christoph (Berlin [u.a.], 2012)

Recht und Gewalt Kleine Edition ; 4

Menke, Christoph (Buenos Aires, 2011)

Estética y negatividad

Menke, Christoph (Berlin, 2010)

Autonomie und Befreiung

Menke, Christoph (Frankfurt am Main, 2008)

Kraft : ein Grundbegriff ästhetischer Anthropologie

Menke, Christoph (2007)

Geist und Leben : zu einer genealogischen Kritik der Phänomenologie

Menke, Christoph (Hamburg, 2007)

Philosophie der Menschenrechte zur Einführung Zur Einführung ; 339

Menke, Christoph (2006)

Spirit and life : towards a genealogical critique of phenomenology