Alice von Bieberstein, Ph.D.
Social Anthropology
University of Cambridge
Born in 1981 in Darmstadt, Germany
Studied Social Anthropology at the University of Cambridge
Fellowship
EURIAS-Fellow
Project
Golden Ages: an Ethnography of Matter, Violence and Value
My project engages with questions of matter, violence and value through an ethnographic case of urban regeneration in provincial Turkey that involved a state programme of dispossession through debt and ended in the residents' hunt for gold and treasures believed to have been buried by Armenians during the 1915 genocide. My analysis addresses 1) the economic and material dimensions of histories of political violence; 2) the contingent ways that displacement and dispossession call up (possible, deferred, foreclosed) futures and (fetishized, absolute, denied) pasts through mechanisms of economic valuation and accumulation (debt, speculation, commodification of the past); and 3) the double register of biopolitical governance and its temporally discordant shadow, i.e. the phantasmatic life of treasures weaving together dynamics of desire and violence. I locate this project within broader contemporary concerns, both societal and academic, with economic and biopolitical governance in an era of austerity and debt, while I wish to draw attention to the temporal depths these policies are immersed in. Yet my concern with the historicities underlying the present moment is not aimed at reasserting a temporal logic of genealogical constitution. Rather, I wish to investigate how the historicities of matter and value at work in my ethnographic material have destabilising temporal effects. My theoretical goal is hence to explore the new materialist literature for its potential to open our thinking about matter to the future, yet also to probe its limits by arguing that the historicities of matter matter.Recommended Reading
Bieberstein, Alice von. "Treasure/Fetish/Gift: Hunting for 'Armenian Gold' in Post-Genocide Turkish Kurdistan." Subjectivity 10, 1 (2017), forthcoming. online: http://rdcu.be/qrNV
-. "Surviving Hrant Dink: Carnal Mourning Under the Specter of Senselessness." Social Analysis 61, 1 (2017): 55-68.
-. "Not a German Past to be Reckoned with: Negotiating Migrant Subjectivities Between Vergangenheitsbewältigung and the Nationalization of History." Journal of the Royal Anthropological Institute (JRAI) 22, 4 (2016): 902-919.
Colloquium, 20.03.2018
Golden Ages: An Ethnography of Matter, Violence and Value
Mein Vortrag ist in zwei Teile gegliedert. Vor dem Hintergrund meiner Forschung der letzten paar Jahre beginne ich mit einer Geschichte über Musch, einer kleinen Provinzhauptstadt weit im Osten der Türkei. In dieser Geschichte konzentriere ich mich auf die Altstadt von Musch, in der bis 2013 Dutzende von jahrhundertealten Häusern standen. In Zusammenarbeit mit der staatlichen Behörde für sozialen Wohnungsbau erklärte die Stadtverwaltung das Viertel zum Stadterneuerungsgebiet und sah den Bau von etwa zwölf siebengeschossigen Wohnblocks vor. Die Bewohner wurden nicht nur enteignet und gewaltsam aus ihren Wohnungen vertrieben, sondern man zwang sie auch, Verträge zu unterschreiben, die ihnen zusätzlich Schulden von mehreren Tausend türkischer Lira aufluden - die berechnete Differenz zwischen dem Wert ihrer historischen Wohnungen und dem der noch nicht gebauten neuen Apartments. Knapp 100 Jahre zuvor hatte das Viertel schon einmal Vertreibungen und Enteignungen erlebt, als seine armenischen Bewohner ermordet und ihre Grundstücke und Häuser im Zuge des Genozids von 1915 enteignet wurden. Jetzt, nachdem die Bewohner 2013 ausgezogen waren und ihre Wohnungen leergeräumt hatten, begannen viele, den Baugrund durchzugraben - auf der Suche nach dem, was man für gewöhnlich als "armenisches Gold" bezeichnet. In der lokalen Vorstellungswelt verheißen die ehemaligen armenischen Viertel und Friedhöfe, die Wände von Kirchen, Klöstern und Häusern verborgene Schätze, die eine Rettung aus dem aktuellen Elend versprechen.
In meinem Gesamtprojekt versuche ich, diese ethnografische und historische Szenerie zu verstehen, insbesondere dadurch, dass ich die Beziehung zwischen der biopolitischen Gegenwart und ihrer Schuldenpolitik, zwischen dem nekropolitischen Fundament des Staates und seiner Volkswirtschaft und dem zeitlich verschobenen Schatten von "Schätzen" durchdenke - sie alle sind durch eine Dynamik von Gewalt und Begehren eng miteinander verwoben. In der zweiten Hälfte meines Vortrags betrachte ich dieses Phänomen der Schatzsuche genauer und präsentiere einen bestimmten Ansatz, wie man die Beziehungen zwischen Tod, Wert und Zeit begrifflich fassen kann. Ich analysiere die Schatzsuche als ein im Wesentlichen spekulatives und zukunftsorientiertes Unterfangen, in dem Werkzeuge, Beziehungen und Wissen miteinander verknüpft werden, um dem Unbekannten einen Horizont der Kontrollierbarkeit zu geben. Und dennoch - auch wenn die Juwelen, Münzen und Statuen als etwas imaginiert werden, das aus dem Boden und aus einer Zukunft auftaucht, die nicht von sozialen Beziehungen (und den dazugehörigen Schulden) bestimmt wird: Der Tod macht seine Aufwartung nicht nur in der Figur des Mangels oder als drohender Fluch, sondern auch als unumgänglicher Bestandteil des historischen Bodens und als Gegenstand der Spekulation.
Publications from the Fellows' Library
Bieberstein, Alice (Cham, 2017)
Memorial miracle : inspiring Vergangenheitsbewältigung between Berlin and Istanbul
Bieberstein, Alice (New York, NY [u.a.], 2017)
Surviving Hrant Dink : carnal mourning under the specter of senselessness
Bieberstein, Alice (2017)
Bieberstein, Alice (2017)
Treasure/Fetish/Gift : hunting for ‘Armenian gold’ in post-genocide Turkish Kurdistan