Ulrich Raulff, Dr.
Professor, Historiker
Institut für Auslandsbeziehungen (ifa), Stuttgart/Berlin
von März bis Mai 2021
Geboren 1950 in Meinerzhagen, Deutschland
Studium der Philosophie und Geschichte an der Philipps-Universität Marburg
Project
Eine Geschichte des Geschmacks und der Kennerschaft
Mit dem Geschmack betritt um die Wende zum 18. Jahrhundert ein neues Subjekt die europäische Bühne. Dem Tugendkanon der höfischen Gesellschaft entsprungen, etabliert es sich, schwach definiert als innerer oder Metasinn, zunächst im Bereich der schönen Künste als Schema, das die empirischen Daten der Sinne verarbeitet und mit den spezifischen Wissensbeständen der Connoisseurship verknüpft. Während die philosophische Vorschule der Ästhetik dem Begriff des Geschmacks nur ein kurzes Leben von knapp einem Jahrhundert beschert, erweist er sich in der Welt der Artefakte als erfolgreiches, universal anwendbares Konzept: ein synthetischer Operator von großer gesellschaftlich wirksamer Kraft und spätestens seit Mitte des 18. Jahrhunderts ein unverzichtbarer Navigator durch den sich sprunghaft entwickelnden Weltmarkt der Kunst- und Konsumgüter.Ins Zentrum einer Elementarkunde des Geschmacks hat das 19. Jahrhundert das Ornament gestellt. Tatsächlich lassen sich von der Migration der Patterns und Arabesken her sowohl die globale Geschichte des Geschmacks beschreiben als auch einige seiner historischen Bruchlinien und Evolutionen verdeutlichen. In der Ontologie seiner bevorzugten Felder (Dekoration, Luxusobjekte, proxemische Lebensbereiche wie Wohnung, Garten, Ernährung) zeigt sich die steuernde Kraft des Geschmacks wie seine Steuerbarkeit und Verführbarkeit. Im historischen Figurenzug erscheinen seine Akteure und Medien (Erzieher, Museen, Sammlungen, Schulen, Zeitschriften, Kataloge, Werbung) und die Macht der Klassifikationen und Normierungen, der Marken- und Ikonenbildung. In der unaufhebbaren Spannung von Imitation und Individualisierung erweist der Geschmack seine "organisatorische Kraft" (H. Arendt) bis in die Gegenwart des Internet und der sozialen Netze.
Lektüreempfehlung
Raulff, Ulrich. Das letzte Jahrhundert der Pferde: Geschichte einer Trennung. München: C.H.Beck, 2015.
-. Kreis ohne Meister: Stefan Georges Nachleben. München: C.H.Beck, 2009.
-. Ein Historiker im 20. Jahrhundert: Marc Bloch. Frankfurt/Main: S. Fischer, 1995.
Publications from the Fellows' Library
Raulff, Ulrich (London] UK, 2017)
Farewell to the horse : the final century of our relationship Das letzte Jahrhundert der Pferde
Raulff, Ulrich (2016)
Gedächtnis und Gegen-Gedächtnis : das Archiv zwischen Rache und Gerechtigkeit
Raulff, Ulrich (Stuttgart, 2016)
Handbuch Archiv : Geschichte, Aufgaben, Perspektiven
Raulff, Ulrich (München, 2015)
Das letzte Jahrhundert der Pferde : Geschichte einer Trennung
Raulff, Ulrich (2013)
Henning Ritter - anstelle eines Nachrufs
Raulff, Ulrich (2012)
Raulff, Ulrich (Marbach am Neckar, 2012)
Kassiber. Verbotenes Schreiben : [erscheint zur Ausstellung "Kassiber. Verbotenes Schreiben", Literaturmuseum der Moderne, Marbach am Neckar, 27. September 2012 bis 27. Januar 2013] Marbacher Katalog ; 65
Raulff, Ulrich (2011)
Schicksal : ein Wort ist in sich selber ein Archiv
Raulff, Ulrich (Marbach am Neckar, 2011)
Schicksal : sieben mal sieben unhintergehbare Dinge ; [... zur Ausstellung "Schicksal. Sieben Mal Sieben Unhintergehbare Dinge", Literaturmuseum der Moderne, Marbach am Neckar, 5. Mai bis 28. August 2011] Marbacher Magazin ; 135