Luis Puelles, Ph.D.
Professor der Neuroanatomie
Universität Murcia
Geboren 1948 in Santa Cruz de Tenerife, Teneriffa, Kanarische Inseln, Spanien
Studium der Medizin an den Universitäten von Granada und Sevilla
Schwerpunkt
Brain Evolution
Arbeitsvorhaben
Buchprojekt: Einführung in die Neuromorphologie für Molekularbiologen
The aim of this book is to provide a topological neuromorphological analysis method for molecular biologists and other scientists needing to examine embryonic and adult brains in one or several vertebrate species. This work aims to make explicit the framework of unchanging topological relationships of the principal brain boundaries and related neuronal structures throughout morphogenesis and phylogenesis. A conspectus of the paradigms evolved in the field of neuromorphology during the last 150 years will be offered, to aid both understanding of present and older literature and recognition of a number of fundamental issues which continue to be discussed today. As an introductory text, the work should allow molecular biologists to familiarize themselves with the complex form and structure of vertebrate brains, developing intuitive views on morphogenetic developmental processes germane to genetic functional studies.Remarks for Other Fellows
Apart from my "official" interest in brain development and evolution, I am also interested in the various approaches to the mind-body problem, learning and educational systems, arts in general and music in particular. I would be very interested in playing classical chamber music at an advanced level, being a good sight-reader at the piano; violin playing a bit rusty; also interested in musical analysis and learning to sing; have fairly good knowledge of Lied, cello and trio music as accompanist. Fluent in English and French, and acceptable German. Italian and Portuguese understood. I used to like to play ping-pong.
Recommended Reading
Puelles, Luis. "Brain segmentation and forebrain development in amniotes." Brain Research Bulletin 55 (2001): 695-710.
Puelles, Luis. "Thoughts on the development, structure and evolution of the mammalian and avian telencephalic pallium. Philosophical Transactions of the Royal Society Ser. B Biol. Sci. (London) 356 (2001): 1583-1598.
Rubenstein, J. L. R., K. Shimamura, S. Martínez, and L. Puelles. "Regionalization of the prosencephalic neural plate." Annual Reviews of Neuroscience 21: (1998) 445-477.
Kolloquium, 19.11.2002
Wie unsere Gehirne aufgebaut sind: Der intrinsische Bauplan während der Entwicklung
Die große Vielfalt von Hirnformen lebender Wirbeltiere (Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel, Säugetiere) erstaunt uns immer wieder. Losgelöst von ansonsten sehr offensichtlichen Unterschieden, widmen sich alle der selben Primärfunktion: Lebenserhaltung, oft unter sehr harten Umweltbedingungen. Wir Menschen scheinen viele der feinabgestimmten Nervenfunktionen zu teilen, die auch andere Wirbeltiere ausführen (z. b. Bewegung, Nahrungsaufnahme, Fortpflanzung, Kämpfen, Schmerzen). Wir alle wissen um diese Verwandtschaft; und je näher die Tiere uns in der Evolutionsgeschichte verwandt sind, desto stärker scheinen wir mit ihnen zu sympathisieren. Ich stelle nun die These auf, dass unsere Gehirne intuitiv eine Ähnlichkeit erkennen, die man einer wissenschaftlichen Analyse unterziehen kann, indem man die Evolutionstheorie Darwins anwendet.
Darwins Theorie besagt, dass die Vielfalt der lebenden Wirbeltiere von gemeinsamen Vorfahren abstammt, die sich in verschiedene Richtungen und mittels wechselnder Schrittvariationen und natürlicher Auswahl entwickelten. Darwin zufolge, gibt es keine einfache scala naturae von Lebewesen mit dem Menschen an der Spitze, sondern eher eine dicht verzweigte busch-ähnliche Fortentwicklung, die nach dem Prinzip der Selektion organisiert ist. An der Spitze zu sein, bedeutet nichts anderes als zu existieren, und jede Art tut ihr bestes, sich selbst zu erhalten. Viele andere Arten verschwanden oder wurden ausgelöscht. Darwin zufolge, können Aspekte der Gehirnorganisation und -funktion auf Basis der Annahme gemeinsamer Erbschaft erklärt werden. Dies ungeachtet der Frage, wie sehr auch immer die Evolution neuartige quantitative und qualitative Aspekte hinzugefügt haben mag, die zufällig entwickelte Phänomene (Mutationen) und besondere selektive Einschränkungen wiederspiegeln. Außerdem muß man eine stark konservative Wirkung der internen Entwicklungseinschränkungen, ergänzt durch externe Faktoren, die die Umwelt geschaffen hat, berücksichtigen. Bevor man die Fortpflanzungsfähigkeit und also die Ausbreitung der eigenen Gene (mithilfe des Gehirns und des Körpers) testen kann, muss man zunächst lebend geboren sein und den ersten Atemzug getan haben. Viele bringen es nicht einmal so weit, was das Ende des betreffenden Lebenszweiges bedeutet.
Die vergleichende neuromorphologische Analyse der vergangenen zweihundert Jahre konnte eindeutig zeigen, dass - abgesehen von einigen Besonderheiten - es in der Tat einen Wirbeltier-Prototypen gibt, sowohl was seine Hirnanatomie als auch seine innere Struktur angeht. Da die deutsche Wissenschaft auf diesem Gebiet lange führend war, sprechen wir bei diesem Konzept auch im Englischen vom sogenannten Gehirn-Bauplan. Der Bauplan, ein wissenschaftliches Denkmodell, bezieht sich auf eine bestimmte Anzahl und Vielfalt von neuralen Teilen, der auf eine stereotype Art auf der längsgerichteten Achse, der sogenannten neuralen Röhre, arrangiert ist. Allen Hirnen ist eine streng geordnete Struktur unterschiedlicher Größenordnungen gemein: Hirnteile, neuronale Populationen, neuronale Anhängsel wie Fasern und Dendriten und deren informationenleitenden Kontakte (Synapsen), signalisierende Moleküle, Empfänger und viele andere Moleküle, Typen von ionischen Flüssen über die Zellmembranen usw. bis zu allgemeinen chemischen und physikalischen Mikrophänomenen.
Die unterschiedlichen Hirnteile, auch Grundbestandteile genannt,und weitere Unterteilungen in ihnen blätterten sich in einer komplexen Sequenz während der Entwicklung als Ergebnis interaktiver "Puffer"-Entwicklungsmechanismen auf, die von genetischen Instruktionen veranlasst waren. (Puffer-Prozesse liefern Widerstand gegen Veränderungen).
Die Grundfunktion ist, aus Uneinheitlichkeiten der Eizelle Neues zu produzieren. Das geschieht nach dem folgenden Prinzip: Jedes mal, wenn zwei benachbarte Zellularfelder im Embryo sich unterscheiden, beginnen sie miteinander zu kommunizieren und eine Grenze zu bestimmen. Die Nähe einer Zelle zur jeweiligen Grenze definiert dann auch den Grad, zu dem sie einer benachbarten Zelle ähnelt. Je näher eine Zelle an der Grenze angesiedelt ist, desto größer ihre Gemeinsamkeiten mit der benachbarten Zelle ( Beispielsweile haben die Katalanen ja auch Gemeinsamkeiten mit den Franzosen; die Andalusier mit den Portugiesen; die Lusitanier mit den Römern ). Dies führt dann zur weiteren Differenzierung von untergeordneten Feldern, neuen Grenzen und schlussendlich zu individuellen zellularen Identitäten. Dieser Regionalisierungsprozess findet eigentlich in allen Körperorganen statt, nur dass der Differenzierungsprozess im Gehirn in besonderem Maße stattfindet. Dieses Muster steht, wie gesagt, im Bauplan, der in Wirbeltieren in seiner Grundstruktur prinzipiell immer ähnlich ist. Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass so lange noch nicht alle Hirnstrukturen vollständig erforscht sind, diese These nicht vollständig verifiziert werden kann.
Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass der Hinbauplan der Wirbeltiere als fundamentaler Bestandteil des Körperplans unverändert geblieben, also durch die Evolution nicht verändert worden ist. Man kann also sagen, dass in der Grundstruktur unser Hirn nicht anders als das irgend eines anderen Wirbeltieres organisiert ist. Dies steht natürlich im Zusammenhang mit der Tatsache, dass im Gegensatz zu anderen Körperorganen, die funktionale Struktur des Gehirnes auf der Hirnbeschaffenheit beruht: ausführliche, geordnete Verbindungen zwischen den hochgradig heterogenen und differenziert positionierten Zellen (brain texture). Grundsätzliche Veränderungen des Bauplans würden Geburtsfehler oder Ähnliches nach sich ziehen.
Ambition meines Forschungsprojektes im Wissenschaftskolleg ist es, die technische Definition des Bauplans des Wirbelsäulentieres zu untersuchen, um so ein mentales Gerüst für Forscher darzustellen, die zur Zeit mit der Schwierigkeit kämpfen, die Unterschiedlichkeit und Komplexität von Hirnstrukturen- die im Gegensatz zur Einheitlichkeit des genetischen Mechanismus stehen- zu analysieren. Die Grenzen der Entwicklung von Hirnstrukturen zu erkunden, ist mein Ziel. Wissen um die perfekte Struktur des Bauplans ist von zentraler Bedeutung für die Analyse von Hirnen und verwandte Studien.