Hans-Heinrich Trute, Dr. iur.
Professor der Rechtswissenschaft
Universität Hamburg
Geboren 1952 in Bad Oldesloe
Studium der Rechtswissenschaft, Soziologie und Philosophie in Kiel und Heidelberg
Schwerpunkt
Wissenschaft und Öffentlichkeit
Arbeitsvorhaben
Die Vermittlung von Wissenschaft und Gesellschaft in rechtlich strukturierten Verfahren
An den Schnittstellen von Wissenschaft und anderen gesellschaftlichen Teilsystemen werden durch Recht institutionelle Arrangements geschaffen, in denen wissenschaftliche Geltungsansprüche, gesellschaftliche Interessen und normative Ansprüche miteinander vermittelt werden. Recht benutzt und formt dabei zugleich Bilder der Wissenschaft, die über Verfahren - sei es Verwaltungsverfahren, sei es Gerichtsverfahren ( auch das Bild der Öffentlichkeit von Wissenschaft prägen. Anhand von ausgewählten Referenzfeldern, wie etwa dem Risikorecht, soll das Projekt der Frage nachgehen, welches Bild von Wissenschaft durch rechtliche Regeln und rechtsdogmatische Figuren geformt wird, wie gesellschaftliche Interessen und Geltungsansprüche der Wissenschaft normativ behandelt und übersetzt werden, welche Argumente verwendet werden, um die Grenze von Normativität und wissenschaftlichen Geltungsansprüchen zu bestimmen und welche epistemologischen Unterschiede oder Ähnlichkeiten es zwischen wissenschaftlichen und rechtlichen Verfahren der Konstitution von Geltungsansprüchen gibt. Lassen sich diese Erkenntnisse nutzen, um bessere institutionelle Voraussetzungen der Vermittlung von Wissenschaft und Öffentlichkeit durch Recht zu schaffen?Lektüreempfehlung
Trute, Hans-Heinrich. Die Forschung zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Institutionalisierung. Tübingen: Mohr, 1994.
-. "Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung." DVBl 17 (1996): 950-964.
-. "Die Funktionen der Organisation und ihre Abbildung im Recht." In Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, herausgegeben von Wolfgang Hoffmann-Riem und Eberhard Schmidt-Aßmann, 249-295. Baden-Baden: Nomos, 1997. Schriften zur Reform des Verwaltungsrechts 4.
Kolloquium, 06.04.2004
Demokratisierung der Wissenschaft? Expertise und Partizipation in administrativen Entscheidungsverfahren
Public Understanding of Science -Initiativen waren bisher eher von einer unidirektionalen Perspektive wissenschaftlicher Aufklärung einer ignoranten Öffentlichkeit geprägt. Das vorgeblich verloren gegangene Vertrauen in die Wissenschaft hat sich freilich durch diese Initiativen nicht zurückgewinnen lassen. Mit dem Schlagwort von der Demokratisierung der Wissenschaft kündigt sich ein Perspektivenwechsel an. Die Öffentlichkeit wird als kritische Instanz aufgewertet und es wird nach Wegen einer demokratischen Kontrolle der Wissenschaft gesucht. Verantwortlichkeit, Transparenz, Dialog, Partizipation sind nur einige der Begriffe, die die Debatte bestimmen. Sie finden ihren Niederschlag etwa in Versuchen der EU-Kommission, das Verhältnis von Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit neu zu bestimmen. Eines der Felder, in denen dies institutionell umgesetzt werden soll, ist das der Nutzung wissenschaftlicher Expertise für politische und rechtliche Verfahren.
Am Beispiel der Risikoentscheidungen in den hoch umstrittenen Verfahren der Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen möchte ich diesen Initiativen nachgehen. Verfahren, die zu Risikoentscheidungen führen, zeichnen sich durch eine enge Verzahnung von Politik, Recht, Wissenschaft und Öffentlichkeit aus und sind daher ein geeignetes Referenzfeld des Themas Wissenschaft und Öffentlichkeit.
Ich werde zunächst die Schnittstelle von Recht und Wissenschaft nachzeichnen. Dabei werden die Gefahren der Deligitimierung von Recht und der Politisierung von Wissenschaft deutlich, die zumindest den älteren Konzeptionen von Risikorecht zugrunde lagen. Die Reaktion des Rechts erfolgt in Form einer Renormativierung, Prozeduralisierung und der Ausweitung von Partizipation. Renormativierung antwortet auf die Instrumentalisierung der Wissenschaft, Prozedualisierung vor allem auf die Ungewißheit, Partizipation unter anderem auf Legitimationsprobleme.
In einem zweiten Schritt will ich zeigen, dass die Versuche, in diesen Entscheidungsverfahren deliberative Arenen, etwa in Form von Erörterungsterminen, zu konzipieren, bisher wenig erfolgreich waren. Eine mögliche Antwort könnte in der Differenzierung und Rekombination der Verfahren liegen. Dies beinhalt eine stärkere Trennung wissenschaftlicher Wissensgenerierung vom normativen Risikomanagement, die durch eine Stufung von Verfahren ergänzt wird. Durch die Schaffung einer strategischen Ebene zwischen Gesetz und Einzelentscheidung kann eine Stabilisierung der rechtlichen Regulierung erreicht werden. Sie ermöglicht auch die Entwicklung stärker deliberativ ausgerichteter Partizipationsmöglichkeiten ohne (oder in geringerem Maße) den Restriktionen der Einzelverfahren ausgesetzt zu sein.
Am Beispiel der neuen Freisetzungsrichtlinie der EU (2001/18/EG) und der Verordnung zur Schaffung der European Food Safety Authority (2002/178/EG) lassen sich Ansätze zur Differenzierung und Rekombination aufzeigen, auch wenn diese - jedenfalls auf der Ebene der EU - unzureichend bleiben. Die jetzige Konzeption löst eher das Versprechen eines due access zu wissenschaftlicher Expertise ein, schließt aber eine Fortentwicklung in Richtung einer stärkeren Inklusion der Öffentlichkeit grundsätzlich nicht aus. Nichts hindert daran, dieses Modell auch in anderen Feldern zu nutzen, etwa dem der Forschungsförderung, und damit Inklusion in einem notorisch der Öffentlichkeit entzogenen, aber für das Anliegen der Demokratisierung durchaus zentralen Bereich zu befördern.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Trute, Hans-Heinrich (2007)
Staatsrechtslehre als Sozialwissenschaft?
Trute, Hans-Heinrich (2006)
§ 6: Die demokratische Legitimation der Verwaltung
Trute, Hans-Heinrich (2006)
Die demokratische Legitimation der Verwaltung
Trute, Hans-Heinrich (2005)
Democratizing science: expertise and participation in administrative decision-making
Trute, Hans-Heinrich (2003)
Das Telekommunikationsrecht : eine Herausforderung für die Verwaltungsgerichte
Trute, Hans-Heinrich (2002)
Trute, Hans-Heinrich (2002)
Gemeinwohlsicherung im Gewährleistungsstaat
Trute, Hans-Heinrich (2002)
Verwaltungsgerichtsbarkeit im Freistaat Sachsen : Erfahrungen und Erwartungen ; Podiumsdiskussion
Trute, Hans-Heinrich (2002)
Regulierung - am Beispiel des Telekommunikationsrechts
Trute, Hans-Heinrich (2001)
Die Forschung an humanen Stammzellen als Ordnungsproblem des Wissenschaftsrechts