Francis L. W. Ratnieks, Ph.D.
Professor der Biologie
Universität Sheffield
Born in 1953 in Wokingham, England
Studied Ecology at the University of Ulster, Coleraine
and Entomology at Cornell University, NY
Schwerpunkt
Konfliktlösung in biologischen Systemen
Arbeitsvorhaben
Konfliktlösung in biologischen Systemen
Scientific progress often comes through the identification of common principles of broad significance. One common principle is that the evolution of more complex biological units (e.g., genomes of many genes, multicellular organisms, societies, global human society) causes potential conflicts among sub-units (e.g., genes, individuals, countries). Complex biological units often have mechanisms that reduce conflicts among sub-units so that the higher-level unit can function more effectively. Conflicts arise because the interests of the sub-units are not identical and because resources are limited. General mechanisms for reducing conflicts include kinship to other group members and coercion ( being prevented from acting in a way that is bad for the group.The focus group members (Francis Ratnieks, Tom Wenseleers, Kevin Foster) are biologists who have studied conflicts and conflict resolution in insect societies (bees, wasps, ants), and also conflicts in multicellular slime molds and between symbiont organisms. They plan to write a book entitled "Conflict Resolution in Biological Systems", which will synthesise across all biological conflicts by determining common principles in conflict resolution. The book will focus on the following main levels of conflict: between individuals within animal societies; between symbiotic organisms of different species; and within organisms caused by self-promoting genes and intracellular symbionts. In addition, the book will discuss the degree to which these principles may be relevant to human society.
Recommended Reading
Ratnieks, F. L. W. "Reproductive Harmony via Mutual Policing by Workers in Eusocial Hymenoptera." American Naturalist 32: (1988): 217-236.
Ratnieks, F. L. W. and P. K. Visscher. "Worker Policing in the Honey Bee." Nature 342 (1989): 796-797.
Beekman, M. and F. L. W. Ratnieks. "Power and Reproduction in Insect Societies." Philosophical Transactions of the Royal Society B 258: (2003): 1741-1753.
These and other publications by Francis Ratnieks on conflicts in societies can be downloaded from www.shef.ac.uk/uni/projects/taplab/flwrpub.html.
Kolloquium, 21.12.2004
Conflict Resolution in Insect Societies
Honigbienenkolonien und eigentlich alle sozialen Insekten werden oft als Modell der Kooperation betrachtet. Die Arbeiterinnen, die man am leichtesten beobachten kann, sind diejenigen, die gerade bei der Futtersuche sind; sie sammeln fleißig Nektar und Pollen, die sie zurück ins Nest bringen, um so die Kolonie mit Nahrung zu versorgen. Sie kooperieren direkt miteinander, indem eine Arbeiterin, die bei der Futtersuche ein gutes Fleckchen mit Blüten gefunden hat, den anderen, gerade nicht beschäftigten Futtersucherinnen mithilfe des Schwänzeltanzes mitteilt, wo sich die Blüten befinden. Innerhalb des Nestes gibt es viele andere kooperative Aktivitäten, die deutlich feststellbar sind. Es gibt Arbeiterinnen, die Waben bauen und diese sauber halten, andere, die die Brut füttern und Nektar von den Futtersucherinnen erhalten. Tatsächlich ist das soziale Leben einer Insektenkolonie ein gigantisches kooperatives Unternehmen, das gänzlich dem Überleben, dem Wachstum und der Reproduktion der Kolonie gewidmet ist.
Eine dramatische Form der Kooperation in einer Honigbienenkolonie ist das Stechen. Der Stachel einer Arbeiterin ist mit Widerhaken versehen und wird aus ihrem Körper gerissen, wenn sie ihn zum Einsatz bringt; sie stirbt dabei. Indem sich der Stachel von ihrem Körper löst, wird seine Wirksamkeit erhöht. Der abgerissene Stachel gibt weiterhin Gift ab und setzt ein Alarmpheromon frei, das weitere Arbeiterinnen zum Eindringling führt. Bemerkenswert ist dabei, dass die Arbeiterin dazu bestimmt ist, ihr Leben zum Wohle der Kolonie zu lassen, wenn sie sticht. Dieser extreme Altruismus hat sich entwickelt, weil dadurch die Verteidigung der Kolonie verbessert wird, die die Familie der sich opfernden Arbeiterin ist. Indem sie der Kolonie hilft, gibt die sich opfernde Arbeiterin mehr Kopien ihrer Gene weiter (über die Drohnen und Schwärme, die von ihrer Kolonie gemacht werden).
Die Kooperation in einer Insektenkolonie wird von der natürlichen Auslese bevorzugt, weil die Kolonie eine Familie ist. Aber wie in jeder Familie kann es auch Konflikte geben. Konflikte in Familien entstehen, weil die Familienmitglieder nicht genetisch identisch sind (im Unterschied zu den Zellen in Ihrem Körper; sie sind identisch); dies führt dazu, dass Familienmitglieder unterschiedliche Interessen haben. Obwohl Insektenkolonien nach außen das Bild vollkommener Harmonie abgeben, sind sie der Schauplatz zahlreicher Konflikte. Ein wichtiger Konflikt liegt in der Produktion von Männchen.
Von Arbeiterbienen, Wespen und Ameisen hört man oft, sie seien unfruchtbar, aber sie sind es nicht. Jede von ihnen kann lebensfähige Eier legen, wenn ihre Eierstöcke aktiviert werden. Da sich die Arbeiterinnen bei den meisten Spezies nicht paaren können, können sie nur unbefruchtete Eier legen. Aufgrund des ungewöhnlichen Geschlechtsbestimmungsmechanismus bei Bienen, Wespen und Ameisen sind diese Eier männlich. Daher könnten die Drohnen, die in einer Kolonie von Honigbienen aufgezogen worden sind, potentiell die Söhne der Königin oder der Arbeiterinnen sein, denn sowohl die Königin als auch die Arbeiterinnen können männliche Eier legen.
Was ist besser für eine Arbeiterin - die Söhne der Arbeiterinnen oder die Söhne der Königin aufzuziehen? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir den genetischen Verwandtschaftsgrad einer Arbeiterin mit den Männchen betrachten, die in ihrer Kolonie aufgezogen werden könnten. Der genetische Verwandtschaftsgrad ist ein Maß des Verhältnisses von gemeinsamen Genen. Unter den Zellen in Ihrem Körper beträgt der Verwandtschaftsgrad 1. Der Verwandtschaftsgrad einer Arbeiterin der Bienen, Wespen oder Ameisen zu den Söhnen ihrer Mutterkönigin - ihren Brüdern - beträgt 0,25. Aber der genetische Verwandtschaftsgrad zu ihren eigenen Söhnen beträgt 0,5. Für eine Arbeiterin ist ihr Sohn zweimal soviel wert wie ihr Bruder, weil ihr Sohn doppelt so gut geeignet ist, ihre Gene weiterzugeben. Man könnte daher also zu dem Schluss kommen, dass die Arbeiterinnen Männchen produzieren sollten, weil Söhne mehr wert sind als Brüder.
Aber das Bild verändert sich dramatisch, wenn wir den Verwandtschaftsgrad von Arbeiterinnen zu ihren Neffen betrachten: den Söhnen von anderen Arbeiterinnen. Die Königinnen von Honigbienen paaren sich mit etwa zehn Männchen, sodass die Arbeiterinnen in einer Kolonie größtenteils Halbschwestern mit einem durchschnittlichen Verwandtschaftsgrad von 0,30 sind. (Wenn sich die Königin mit nur einem Männchen paaren würde, wären die Arbeiterinnen alle Schwestern und zu einem Grad von 0,75 mit einander verwandt; wenn jede Arbeiterin dagegen einen anderen Vater hätte, wären sie alle Halbschwestern und zu einem Grad 0,25 miteinander verwandt.) Der Verwandtschaftsgrad einer Arbeiterin mit den Söhnen anderer Arbeiterinnen betrüge 0,30 geteilt durch 2, also 0,15. Obwohl jede Arbeiterin einen höheren Verwandtschaftsgrad zu ihnen Söhnen hat (0,50) als zu den Söhnen der Königin (0,25), ist sie also den Söhnen der Königin enger verwandt als den Söhnen anderer Arbeiterinnen (0,15). Daraus folgt: für die Arbeiterinnen ist es von Vorteil, wenn sie einander daran hindern, sich fortzupflanzen.
Die Theorie sagt also vorher, dass die Arbeiterinnen einander daran hindern sollten, sich fortzupflanzen. Wissenschaftliche Theorien müssen sich aber am realen Geschehen in der Natur messen lassen. 1989 haben mein Kollege Kirk Visscher und ich herausgefunden, dass Arbeiterinnen der Honigbienen die Eier anderer Arbeiterinnen abtöten. Ich habe diese gegenseitige Fortpflanzungsverhütung "worker policing" genannt, in Analogie zu polizeilicher Kontrolle in menschlichen Gesellschaften. "Worker policing" ist seitdem bei vielen Spezies sozialer Insekten gefunden worden, etwa bei Bienen, Wespen und Ameisen. Es ist ziemlich sicher, dass es weitverbreitet ist. (Tom Wenseleers und Kevin Foster haben "worker policing" bei sechs Spezies europäischer Wespen entdeckt und sind im Verlauf ihrer Arbeiten oft gestochen worden.)
Die Kontrolle der von Arbeiterinnen gelegten Eier dreht sich im wesentlichen um den potentiellen Konflikt der Produktion von Männchen. Wenn wir verschiedene Wespenspezies vergleichen, bei denen die Effektivität der Kontrolle variiert, dann sehen wir, dass jene Spezies mit der effektivsten Kontrolle den geringsten Anteil an Arbeiterinnen haben, die versuchen, Eier zu legen. Das liegt daran, dass es sinnlos ist, Eier zu legen, wenn diese abgetötet werden. Das extremste Beispiel ist die Honigbiene, bei der weniger als eine pro tausend Arbeiterinnen auch nur versucht, Eier zu legen.
Das "policing" löst auch andere reproduktive Konflikte in Insektengesellschaften, einschließlich des Konflikts der Kastenzugehörigkeit. Die weiblichen Larven können sich entweder zur Königin oder zur Arbeiterin entwickeln, je nach dem, wie viel Futter sie bekommen. Da die Königinnen normalerweise größer als die Arbeiterinnen sind, können die erwachsenen Arbeiterinnen dafür sorgen, dass sich eine Larve zur nicht Königin entwickelt, indem sie ihr weniger Futter geben. Auf diese Weise wird die Aufzucht von überzähligen Königinnen verhindert. Bei den Melipona-Bienen im tropischen Amerika haben die Königinnen die gleiche Größe wie die Arbeiterinnen, so dass ein "policing" über die Futterkontrolle nicht möglich ist. Diese Bienen produzieren große Mengen an Königinnen, die nicht gebraucht werden.
Die Gesamtwirkung des "policing" in Insektengesellschaften liegt darin, dass es den Konflikt zwischen Einzelinteressen und Gruppeninteressen zugunsten der Gruppe löst. Für Insektengesellschaften bedeutet das, dass das "policing" die grundlegende Ungleichheit zwischen den arbeitenden Individuen (Arbeiterinnen) und den sich reproduzierenden Individuen (Königinnen) konsolidiert. Dennoch kommen die Arbeiterinnen bei diesem Arrangement gar nicht so schlecht weg, denn sie arbeiten für die Aufzucht naher Verwandter. In menschlichen Gesellschaften wurde Polizeikontrolle dafür eingesetzt, um Ungleichheit und unbeliebte Regime aufrechtzuerhalten, wie sich an der negativen Konnotation des Ausdrucks "Polizeistaat" zeigt. Doch ein menschlicher Polizeistaat, der seine Kontrolle dazu nutzt, größere Gleichheit und Gerechtigkeit zu schaffen, ist keine ganz reizlose Aussicht.
Abendkolloquium , 16.03.2005
The Amazing Lives of Social Insects: Bees, Wasps and Ants
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Ratnieks, Francis L. W. (Berlin, 2011)
Darwins special difficulty the evolution of neuter insects and current theory
Ratnieks, Francis L. W. (Chicago, Ill., 2006)
Ratnieks, Francis L. W. (London [u.a.], 2006)
Enforced altruism in insect societies London [u.a.]
Ratnieks, Francis L. W. (Amsterdam [u.a.], 2006)
Kin selection is the key to altruism
Ratnieks, Francis L. W. (2006)
Conflict resolution in insect societies
Ratnieks, Francis L. W. (2005)
Working-class royalty : bees beat the caste system
Ratnieks, Francis L. W. (2005)
A test of worker policing theory in an advanced eusocial wasp, Vespula Rufa
Ratnieks, Francis L. W. (2005)
Ratnieks, Francis L. W. (Amsterdam [u.a.], 2005)
Ratnieks, Francis L. W. (Düsseldorf, 2005)
Harmonie im Bienenstock? : wie Bienenvölker Gehorsam erzwingen ; Alexander Kluge im Gespräch mit Francis L. W. Ratnieks Prime Time - Spätausgabe