Helen Watanabe-O'Kelly, Dr. phil.
Professorin der Germanistik
Universität Oxford
Geboren 1948 in Cork, Irland
Studium der Germanistik und Hispanistik am University College, Cork (National University of Ireland) und an der Universität Basel
Arbeitsvorhaben
Venus und Mars: Frauen als Kriegerinnen im deutschen Sprachraum in der frühen Neuzeit
Das Tragen von Waffen und die aktive Teilnahme am Krieg sind Tätigkeiten, die bis vor kurzem als exklusiv männlich verstanden wurden. Die friedfertige Frau wurde als Gegenpol zum kämpferischen Mann verstanden, symbolisch dargestellt als Venus und Mars. Die festen Konturen der Geschlechterrollen waren um so zwingender, weil sie körperlich begründet, theologisch gerechtfertigt und juristisch festgelegt waren. Trotz dieser Vorschriften stellt man im frühneuzeitlichen Europa fest, dass eine große Gruppe von Frauen als Soldaten oder Matrosen an verschiedenen Kriegen teilnahmen. Aber die meisten Frauen, die sich als Krieger verkleideten, nahmen an einer gefährlichen Maskerade teil, die häufig vor Gericht endete.Diese Fälle werfen eine Reihe von Fragen auf: nach der Beziehung zwischen Krieg und Gesellschaft, nach dem damaligen Verständnis von Geschlechterrollen, von Sexualität und von Lesbiertum, nach den Gründen für dieses oft lebensgefährliche Verhalten seitens der Frauen, und nach der Beziehung zwischen dem tatsächlichen Verhalten und den ikonographischen und rhetorischen Schemata, nach denen die konkreten Fälle beurteilt und in den Dokumenten dargestellt wurden.
In dieser Untersuchung geht es um zweierlei: um die Suche in Archiven, Bibliotheken und Kunstsammlungen nach Schrift- und Bildquellen, in denen bis jetzt unbekannte Kriegerinnen sichtbar werden, und um das theoretische Verständnis von der Beziehung zwischen Frau und Krieg, d. h. um Mentalitätsgeschichte.
Lektüreempfehlung
Watanabe-O'Kelly, Helen. Triumphal Shews. Tournaments at German-Speaking Courts in their European Context 1560-1730. Berlin: Gebrüder Mann, 1992.
-. The Cambridge History of German Literature, edited by Helen Watanabe-O'Kelly. Cambridge, UK: Cambridge University Press, 1997.
-. Court Culture in Dresden: from Renaissance to Baroque. Basingstoke u. a.: Palgrave, 2002.
Kolloquium, 08.02.2005
'At once both beautiful and terrible'. Representations of the Woman Warrior in German Literature and Art after 1500
Das Projekt, das in diesem Vortrag dargestellt wird, untersucht eine Reihe von kulturellen Vorstellungen, die in den vielen, im Laufe der letzten fünfhundert Jahre im deutschen Sprachraum entstandenen Texten und Bildern sichtbar werden, die sich mit der Kriegerin befassen. Sie bringen dadurch zwei Vorstellungen zusammen, die durch diese ganze Zeit hindurch bis zur Gegenwart als gegensätzlich gesehen worden sind: die Vorstellung von der Frau und die Vorstellung von der Kriegerin. Das Titelzitat aus Schillers "Jungfrau von Orleans" (1801) illustriert diesen Gegensatz.
Obwohl die Gesellschaft, das Verständnis vom Geschlecht und die Theorie des Krieges sich über diese lange Zeitspanne gewandelt haben, kommen Dichter, Künstler und Komponisten in jeder Epoche immer wieder auf das Thema zurück, und die Werke, die sie schaffen, werden heutzutage immer noch in Deutschland aufgeführt, gelesen und rezipiert.
Dieser Vortrag schlägt einige vorläufige Erklärungen für die Faszination vor, deren sich das Thema der Kriegerin im deutschen Sprachraum (im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern) immer noch erfreut und bietet außerdem einen Überblick über das reiche Material, das bis jetzt gesammelt werden konnte.