Epitomisierung
18.–19. Januar 2018
In der Antike faßte man Texte, die als bedeutend, aber lang erschienen, in Epitomen zusammen. Diese Praxis wurde sowohl im Mittelalter als auch in der Neuzeit fortgesetzt. Wie seine Geschichte zeigt, wohnt dem Epitomisieren eine überlieferungsgeschichtliche und hermeneutische Ambivalenz inne. So zielt die Epitome darauf ab, einen Text und seinen Inhalt bekannt zu machen, hat jedoch vor der Erfindung des Buchdrucks in nicht wenigen Fällen dazu geführt, daß nur noch die Zusammenfassung gelesen und der eigentliche Text nicht mehr überliefert wurde. Die Epitome ist außerdem als möglichst getreue Wiedergabe dem referierten Text verpflichtet, enthält aber unweigerlich ein Moment des Interpretierens. Je stärker die Epitome ihrer Aufgabe des Zusammenfassens nachkommt, um so größer wird dieser interpretative Spielraum und möglicherweise auch der Abstand zum ursprünglichen Text. Die Epitome kann aber auch einen polemischen Zweck haben, etwa in der innertheologischen Kontroversliteratur, und sich gezielt vom ursprünglichen Text entfernen, muss aber trotzdem die Suggestion der Textnähe bewahren.
Die hier skizzierte Tagung soll sich nicht nur mit Epitomen im engen Sinn, sondern mit dem Epitomisieren als einer Rezeptionspraxis des Zusammenfassens beschäftigen. Ziel ist es, das Epitomisieren als einen distinkten Umgang mit Werken zu erfassen und dabei seine mannigfaltigen Formen und Funktionen von der Antike bis in die Gegenwart zu bestimmen. Die Zusammenfassungen, die wir untersuchen wollen, können werkextern, aber auch werkintern sein. Zusätzlich zu einer weitgespannten Reihe von Texten – Prosa und Dichtung, Literatur und Fachschriftstellerei – werden wir auch andere einschlägige Medien in den Blick nehmen, nicht zuletzt den Film. Um das Feld kurz abzustecken: Das Phänomen der Epitomisierung umfaßt die 40 Verse, in denen Homer Odysseus auf Ithaka seine Abenteuer resümieren läßt, und die Listen, die man in I am Radar und anderen postmodernen Romanen findet; byzantinische Synopsen der griechischen Romane und Johann Mosts Auszug aus Karl Marx‘ Kapital; die Klappentexte von Romanen und die Trailer von Fernsehserien.
Convener
Kontakt
Teilnehmer
Eva
von Contzen
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Irene
Dingel
Leibniz-Institut für Europäische Geschichte
Hanna
Engelmeier
Schreibszene Frankfurt
Vinzenz
Hediger
Goethe-Universität Frankfurt am Main
Henry
Keazor
Universität Heidelberg
Karin
Kukkonen
University of Oslo
Carlos
Spoerhase
Universität Bielefeld
Michael
Squire
Fellow
2012/2013
King's College London
Benjamin
Steiner
Universität Konstanz
Simon
Strauß
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Christoph H. F.
Meyer
Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte
Paolo Felice
Sacchi
Ghent University