Ausgabe 15 / Januar 2020
Editorial
von Katharina Wiedemann
Von der Kaffeemaschine im Restaurant des Wissenschaftskollegs sagt man, sie sei planvoll so ungünstig platziert worden – am unpraktischen Ende der Theke ganz nah an einer Säule, sodass alle Espressoholenden eine enge Passage durchqueren müssen. Auch langsam ist der Automat. Bis die Bohnen für das gewünschte Kaffeegetränk gemahlen, der Kaffee in die Tasse getropft und optional der Milchschaum geräusch- und dampfreich zugefügt ist, vergehen lange und kostbare Sekunden... Minuten gar… man weiß es nicht. Aber genau darum geht es in einem Haus wie diesem, wo (fast) alle Mittel legitim sind, um Menschen ins Gespräch zu bringen. Da sind künstlich herbeigeführte Staus vermutlich doch Teil eines geheimen Designplans.
Dieselbe Maschine ist aber nicht nur Anlass zum Gespräch, sondern auch das Ziel einsamer Gänge. Steckt das Forschen, Schreiben, Komponieren fest, so erscheint es Mancher und Manchem hilfreich, den Schreibtisch für einen Moment zu verlassen, einen Tee oder Kaffee zu holen, den Rückweg weitläufig durch den Garten zu nehmen oder generell ein wenig – und nur scheinbar ziellos - durchs Haus zu streifen.
Die Bilder in dieser fünfzehnten Ausgabe von Köpfe und Ideen zeigen solche Situationen, die man im Übrigen in jedem Fellowjahrgang beobachten kann. Die Arbeitsvorhaben hingegen, die in diesem Heft beschrieben werden, sind unverwechselbar. Sie finden hier Porträts einer chinesischen Literaturwissenschaftlerin und einer amerikanischen Reproduktionsforscherin sowie Interviews mit einer deutschen Privatrechtlerin, einem irakischen Verfassungsexperten und einem deutsch-schweizerischen Computersoziologen.
Das Wechselspiel von Austausch und Rückzug, von Kommunikation miteinander und selbstgewählter Isolation, bestimmt den inoffiziellen Rhythmus des Wissenschaftskollegs, der wie ein im Hintergrund ruhig drehender Motor arbeitet. In der zweiten Hälfte dieses Fellowjahres 2019/2020 wurde dieser Rhythmus jäh gestoppt. Das wissenschaftliche wie auch das gesellschaftliche Leben musste in die virtuelle Welt bzw. die vier Wände der individuellen Fellowwohnungen verwiesen werden. Im Haus breitete sich neue, fast unheimliche Stille aus, und die unterschiedlichen Sorgen angesichts einer unwägbaren Situation wurden in ihr wahrnehmbar. Aber das Kollegsleben geht weiter, nicht nur die individuelle Forschung in den Arbeitszimmern, sondern auch das gemeinsame Nachdenken. Die vielen Stimmen summen nun durch die Kabel diverser Konferenzsysteme und das notwendige social distancing zeigt sich zum Glück allenfalls als physical distancing.
Allein die Kaffeemaschine sieht vereinsamt aus.