Ingolf U. Dalferth, Dr. Dr. h. c.
Professor für Systematische Theologie
Universität Zürich
Born in 1948 in Stuttgart
Studied Theology, Philosophy and Linguistics at the Universities of
Tübingen, Edinburgh, Vienna, and Cambridge, UK
Arbeitsvorhaben
Unvermeidliches Übel und die christliche Hoffnung auf Gott
1. Evil is a problem for everyone, regardless of philosophical and theological orientation. We all have a natural inclination to avoid evil aimed at ourselves, and a moral obligation to fend it off from others. But we cannot overcome all present evil or undo any past injustice and suffering. Evil is inescapable for us, both as victims and as agents of evil.2. Evil that we cannot avoid we must suffer. But some evil we cannot avoid without inflicting suffering on others, and some suffering occurs without anyone being accountable for it.
3. This creates moral problems for all of us. But believers are faced with the further difficulty of making sense of their belief in God's goodness in the light of horrendous evil and unjustified suffering. The Platonic rule that everything good has to be explained as being caused by God whereas all evil must have a cause that is different from God appears to be incompatible with important strands in the Biblical tradition. God not only allows evil to happen but (sometimes) causes it. He fights evil but also suffers from it. But then what warrants Christian hope in God's final victory over evil, not only for the living but also for the dead?
4. These and similar problems call for a critical reconstruction and discussion of the content, reasons, and scope of the Christian hope in God's goodness. Believers do not normally start from the idea of a perfectly good God and then engage with the intricacies of theodicy. Rather they start from the undeniable reality of evil and turn to God for help and salvation. Hope in God's goodness is the result, not the starting-point of their attempts to come to grips with evil. Theological and philosophical reflection that does not pay attention to this fact will create theoretical aporias and fail to address the real issues in human life and religious practice.
Recommended Reading
Dalferth, Ingolf U. Der auferweckte Gekreuzigte: zur Grammatik der Christologie. Tübingen: Mohr Siebeck, 1994.
-. Gedeutete Gegenwart: zur Wahrnehmung Gottes in den Erfahrungen der Zeit. Tübingen: Mohr Siebeck, 1997.
-. Die Wirklichkeit des Möglichen: hermeneutische Religionsphilosophie. Tübingen: Mohr Siebeck, 2003.
Dalferth, Ingolf U. and Philipp Stoellger, eds. Vernunft, Kontingenz und Gott: Konstellationen eines offenen Problems. Tübingen: Mohr Siebeck, 2000. (Religion in Philosophy and Theology 1.)
Kolloquium, 09.05.2006
Probleme des Bösen Theodizee, Theologie und Hermeneutik
Im weiten Sinne ist das Böse alles das, ohne das die Welt ein besserer Ort wäre. Unter den Menschen herrscht Uneinigkeit darüber, was unter diese Kategorie fällt: Diejenigen, die Böses erleiden, haben eine andere Meinung dazu, wie eine bessere Welt aussehen müsste, als diejenigen, die vom Leiden ersterer profitieren. Es gibt viele problematische und umstrittene Fälle. Aber es gibt auch unstrittige Fälle. Menschen leiden an Krankheiten, unter dem Tod und unter Katastrophen, aber auch unter den Schrecknissen und Gräueltaten, die sie einander sowohl im Alltag als auch unter außergewöhnlichen Umständen antun. Jeden Tag geschehen entsetzliche Dinge, und der menschliche Erfindungsreichtum von Methoden, einander Leid zuzufügen, scheint unbegrenzt. Da sind die großangelegten Gräueltaten wie der Holocaust, die Gulags, Völkermorde und Massenmorde. Da sind furchtbare Menschen wie Terroristen, Serienmörder, Tyrannen, Kannibalen und Vergewaltiger. Aber da ist auch das kleine Böse, mit dem wir alle vertraut sind: die vielen Dinge, die Menschen tun, um anderen Schaden zu zufügen oder sie zu demütigen, aber auch um sich selbst oder anderen Kreaturen zu schaden; die Boshaftigkeit, Gehässigkeit und Häme, der wir oft im Alltagsleben begegnen, wenn wir es nicht erwarten. Deswegen dürfen wir die Kategorie des Bösen nicht auf extreme Fälle begrenzen. Wenn wir uns nur auf die außergewöhnlichen oder sogar einzigartigen großangelegten Gräueltaten konzentrieren, laufen wir Gefahr zu übersehen, "dass die meisten bösen Taten von Menschen begangen werden, die Ihnen und mir auf verstörende Weise gleichen" (A. Morton). Wir müssen uns vor dem Glauben hüten, dass die Täter (auch die, die großangelegte Gräueltaten begehen) von Motiven bewegt werden, die sich von einer normalen menschlichen Motivlage vollkommen unterscheiden. Begrenzte Phantasie mag ein weitverbreiteter Irrtum sein, aber das ist und bleibt ein Irrtum.
Nachdem ich eine Studie über das Leiden und das Böse abgeschlossen habe, beginne ich mich jetzt mit der Frage zu befassen, wie (monotheistische) Religionen mit dem Problem des Bösen fertig werden. Meine Herangehensweise ist hermeneutisch, und am Anfang meines Vortrag will ich kurz skizzieren, was ich damit meine (I Hermeneutik des Bösen). Dann möchte ich einige Aspekte kommentieren, die in den gegenwärtigen Diskussionen des (logischen) Problems des Bösen in der angloamerikanischen Religionsphilosophie aufgegriffen werden (II Gegenwärtige Diskussionen) und diese den theologischen Ansätzen in der christlichen Tradition gegenüberstellen (III Theologische Probleme).
Probleme des Bösen
Theodizee, Theologie und Hermeneutik
I Hermeneutik des Bösen
1. Großangelegte Gräueltaten und das Böse im Alltag
2. Erklärung und Orientierung
3. Das Böse verstehen
4. Die Analyse des Bösen
5. Die Kunst der Hermeneutik
6. Religiöses Verständnis
7. Der Bezug zu Gott
II Gegenwärtige Diskussionen
1. Humes Problem und das epikureische Vermächtnis
2. Theologische und skeptische Probleme des Bösen
3. Die Standartargumentation
4. Die erweiterte Argumentation
5. Apologetische Widerlegungen
6. Kritikpunkte
III Theologische Probleme
1. Die epikureische Argumentation
2. Probleme für den Monotheismus
3. Mögliche Lösungen
4. Hoffnung auf Gott
5. Den Gottesbegriff vereindeutigen
6. Das Böse in verschiedenen Sinnbezügen
7. Christliche Auffassungen des Bösen
8. Die Argumentation von der Endlichkeit her: Das Böse als Abwesenheit Gottes
9. Die Argumentation von der Freiheit her: Das Böse als böses Handeln
10. Verschiedene Auffassungen von der Güte Gottes
11. Schlussfolgerungen
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Dalferth, Ingolf U. (2018)
Religion, morality and being human : the controversial status of human dignity
Dalferth, Ingolf U. (Freiburg, 2011)
Dalferth, Ingolf U. (2010)
Self-sacrifice : from the act of violence to the passion of love
Dalferth, Ingolf U. (Tübingen, 2008)
Malum : theologische Hermeneutik des Bösen
Dalferth, Ingolf U. (2006)
Mehr als Zwei : von der Logik der Relation zur Hermeneutik des Dritten
Dalferth, Ingolf U. (Tübingen, 2006)
Das Böse : Essay über die kulturelle Denkform des Unbegreiflichen
Dalferth, Ingolf U. (Leipzig, 2006)
Leiden und Böses : vom schwierigen Umgang mit Widersinnigem
Dalferth, Ingolf U. (Leuven [u.a.], 2006)
Becoming present : an inquiry into the Christian sense of the presence of God Studies in philosophical theology ; 30
Dalferth, Ingolf U. (Tübingen, 2005)
Krisen der Subjektivität : Problemfelder eines strittigen Paradigmas Religion in philosophy and theology ; 18
Dalferth, Ingolf U. (Leipzig, 2004)
Evangelische Theologie als Interpretationspraxis : eine systematische Orientierung Forum theologische Literaturzeitung ; 11/12