Thomas M. Hunter jr., Ph.D.
Senior Faculty Advisor, Bali-Indonesia Study Abroad Program
School for International Training, Brattleboro, Vermont
Geboren 1947 in Pottsville (PA), USA; verstorben 2022 in Denpasar, Bali.
Studied Indian Civilizations at the University of California, Berkeley and Linguistics at the University of Michigan, Ann Arbor
Arbeitsvorhaben
Textmomente: eine interdisziplinäre Annäherung an die Geschichte des Sprachgebrauchs auf dem malaiisch-indonesischen Archipel
With a history of written literacy that extends as far back as the 5th century, and several performance and oral-literary genres that preserve ancient language practices through a continuing commitment to "verbal art", the Malay-Indonesian archipelago represents a rich storehouse of textual materials. These multiple traditions have not passed unnoticed in the world of scholarship; yet there has been a tendency in recent years to devalue the philological enterprise that is the indispensable foundation of an understanding of textual materials in literary languages and the complex sedimentations of generations of oral-literary practicethat are characteristic of performance genres like the "shadow theater".
My project aims to lay the foundation for a reinvigorated study of the textual history of the archipelago by making use of recent advances in sociolinguistics and linguistic anthropology. I plan to investigate how textual artifacts are indexed to social fields that constitute the historical contexts of textual production. I assume at the same time that social fields are produced in part through textual activity itself, and thus that a study of textual history can lead to new insights in the social and historical sciences.
A sociolinguistic study of the archipelago cannot be separated from a continuing history of linguistic encounters with globalism, whether the globalism of the ancient Sanskrit ecumene, the Islamic trading states, colonialism or the transnational regime of modernity and development. It can thus elucidate a wider field of cultural encounters whose understanding may play a useful role in understanding how ancient modalities shape emerging discourses of "modernity" and "tradition" in insular Southeast Asia.
Recommended Reading
Hunter Jr., Thomas M. Blossoms Of Longing: Ancient Verses of Love and Regret. Translations from the Old Javanese. Jakarta: The Lontar Foundation, 1998.
-. "Wrttasacaya Reconsidered." In Bijdragen Tot De Taal-, Land-, En Volkenkunde, Journal of the Humanities and Social Sciences of Southeast Asia and Oceania 157, 1 (2001): 65-96.
-. "Indo as Other: Identity, Anxiety and Ambiguity in Salah Asuhan." In Clearing a Space: Postcolonial Readings of Modern Indonesian Literature, edited by Anthony Day and Keith Foulcher, 109-143. Leiden: KITLV Press, 2001.
Kolloquium, 09.01.2007
"Sehen als" - indische und indonesische Sichtweisen auf die Bildwissenschaft
adhyavasåye vyåpårapradhånye utprekßå
Wenn das "Sehen als" im [dichterischen] Prozess vorherrscht,
ist das utprekßå. (Alaµkåra-sarvasva von Ruyakka)
Ich fasse meine derzeitige Arbeit mit dem Begriff "Texualität' zusammen; damit will ich auf ein breiteres Untersuchungsfeld hinweisen, das literaturgeschichtliche Studien umfasst, aber gleichzeitig versucht, die Erkenntnisse der Sprachanthropologie und Soziolinguistik in die Untersuchung jener komplexen Sedimente zu integrieren, die wir als Textartefakte kennen. Indem ich diesen Begriff verwende, hoffe ich, die Dichotomie von Schriftlichkeit und Mündlichkeit zu umgehen, oder was noch schlimmer wäre, die Verknüpfung von insbesondere alphabetischer Schriftlichkeit mit der Entstehung von "Zivilisation", - eine Tendenz, die ein etwas wunderliches Erbe der ansonsten herausragenden Werke von Ong (1976) und Goody (1977) ist. Gleichzeitig hoffe ich, den Vorzug einer ‚noetischen' Form der Analyse beibehalten zu können, die von Autoren wie Ong und Goody entwickelt wurde; und ich hoffe, damit die Stärken einer Analyse nutzen zu können, die auf der Einsicht beruht, dass mündlich und schriftlich überlieferte Texte oft sehr verschieden strukturiert sind und daher nur dann literaturwissenschaftlich untersucht werden können, wenn wir unser grundlegendes Instrumentarium der Textanalyse neu gestalten. In meiner Arbeit verwende ich den Begriff "Textökonomien", um die Beziehungen und Unterschiede zwischen den mündlichen und schriftlichen Modi menschlicher Kommunikation aufzuspüren, und ich konzentriere mich in meiner Untersuchung auf die lange Interaktion zwischen diesen beiden Diskursmodi im Verlauf eines mehr als tausendjährigen Austauschs im malaiisch-idonesischen Archipel. Dies gestattet mir, spezielle Textsedimente in ihrem Verhältnis zu Aufführungspraktiken und dem Feld "Literatur als Aufführung" zu betrachten, die ein Spezifikum vieler Gesellschaften des Archipels sind.
In meinem Vortrag widme ich mich der Frage, in welcher Weise die literarischen und visuellen Bilder der javanisch-balinesischen Tradition eine tausend Jahre lange Entwicklung widerspiegeln. Deren Wurzeln liegen in jener Zeit, als Indien und Indonesien in einem größeren transkulturellen Netzwerk miteinander verknüpft waren, das viele Wissenschaftler heute als "Sanskrit-Cosmopolis" oder "Sanskrit-Ökumene" bezeichnen. Als Ausgangspunkt nehme ich einige moderne Bilder, die einen menschlichen Akteur - den Sultan von Yogyakarta, Fixpunkt javanischer Konstruktionen eines traditionellen Gemeinwesens - und einen Gegenstand der materiellen Kultur gleichermaßen einander entgegensetzen und verknüpfen. Bei diesem Gegenstand handelt es sich um einen bestimmten Typus einer balinesischen Opfergabe, die als zeitweiliger "Sitz" der Gottheiten fungiert, wenn diese eingeladen werden, in ihre Tempel ‚hinabzusteigen' - den Ort ihrer Interaktion mit der menschlichen Gesellschaft.
Meines Erachtens gibt es eine Reihe von Annahmen, die von vielen geteilt werden und die etwas über das Verhältnis der sichtbaren und der metaphysischen Seinswelt aussagen; durch jene Annahmen werden diese scheinbar disparaten Formen kulturellen Ausdrucks miteinander verknüpft. Um Ihnen dies verständlich zu machen, wende ich mich der prägenden Phase der klassischen javanisch-balinesischen Kultur zu und berücksichtige dabei die indischen Sprach- und Ästhetiktheorien, die auf die "Textualität" dieser Zeit einen maßgeblichen Einfluss ausgeübt haben. Insbesondere die Entwicklung der indigenen javanischen Poetik spielt hier eine Rolle, eine Entwicklung, die viel von ihrer anfänglichen Inspiration aus der höfischen Epik (kåvya) Südasiens nahm.
Wenn wir versuchen, den Einfluss der indischen Theoretiker auf jene Prozesse einzuschätzen, die in der javanischen Tradition zum größten Teil durch Narrativierung und durch die poetische Praxis umgesetzt wurden, sind zwei Richtungen recht vielversprechend: zunächst die Frage nach dem verbal icon (Wortbild) und schließlich die Tradition der literarischen Analyse (alaükåra-¢åstra), die aus M?måµså enstand, einer hermeneutischen Schule, die ursprünglich entwickelt wurde, um der performativen Kraft der Vorschriften im vedischen Ritual Rechnung zu tragen. Während sich wichtige Beispiele des verbal icon in Werken finden, von denen man weiß, dass sie die javanische Poetik direkt beeinflusst haben, ist der Transfer von südasiatischen Modellen der poetischen Figur untrennbar mit der Entwicklung von dominanten Tendenzen in den Darlegungen der javanisch-balinesischen Theologie und Philosophie verbunden.
Eine der bedeutsamsten Folgen dieser frühen Entwicklungen war die Enstehung einer spezifischen Form, die Pollock (1996) eine "Poetik des Gemeinwesens" genannt hat. In der Periode der ostjavanischen Dynastien (ca. 928 - 1478 n. Chr.) verband dieser kulturelle Komplex die politischen Akteure mit der göttlichen Ordnung durch vielfältige "Verkörperungen" (embodiments), die politische Ernennungsrituale (prati߆ha) ebenso umfasste wie das rituelle Platznehmen der Braut (bride-seating), das vor königlichen Hochzeiten (pamiduduk) abgehalten wurde, und jene Rituale, die die Apotheose königlicher Akteure in ihren Bildern post mortem sicherstellen sollte (ebenfalls prati߆ha). Auf dem Feld der Literatur (das zur dieser Zeit für die imperiale Macht von zentraler Bedeutung war) wurde das dichterische Werk selbst - wie auch die Schreibutensilien - als Interaktionszusammenhang zwischen der metaphysischen und der menschlichen Seinswelt verstanden. Daher konnte man von einem Gedicht sagen, es sei "wie ein Tempel gestaltet" (c-in-aø?y-akƒn). Aufgrund seiner Form und seines Inhalts war das Gedicht dazu geeignet, der göttlichen ästhetischen Präsenz vorübergehend als Aufenthaltsort, als Sitz zu dienen.
Nach dem Fall des Majapahit-Reichs (ca. 1516 n.Chr.) und des damit verbundenen historischen Drucks veränderten sich die Gesellschaften von Java und Bali grundlegend. Zu einem gemeinsamen Verständnis sprachlicher und visueller Bilder als Begegnungsstätte göttlicher und menschlicher Kräfte, als einer Verknüpfung des göttlich Vertikalen mit dem Horizontalen menschlicher Handlungen und Institutionen trug dies nicht bei. Diese Konzeptionen ziehen sich "wie ein roter Faden" (seperti benang merah) durch die javanische und balinsische Tradition und schufen einen konzeptionellen Knotenpunkt zwischen zwei Gesellschaften, deren mehrheitliche Religionen, sozialen Ideale und kulturellen Praktiken sich ansonsten beträchtlich unterscheiden.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Hunter jr., Thomas M. (Leiden, Boston, 2016)
The medium is the message : chirographic figures in two traditions
Hunter jr., Thomas M. (2011)
Selected abstracts for papers on south and southeast Asian studies : 1988 - 2011
Hunter jr., Thomas M. (2007)
The body of the king : reappraising Singhasari period syncretism
Hunter jr., Thomas M. (2002)
Indo as other : identity, anxiety and ambiguity in 'Salah asoehan'
Hunter jr., Thomas M. (2001)
Hunter jr., Thomas M. (2000)
The Aridharma reliefs of Caṇḍi Jago
Hunter jr., Thomas M. (Bali, Indonesia, 1998)
Springs of fire, springs of tears : [collected poems]
Hunter jr., Thomas M. (Jakarta, 1998)
Blossoms of longing : ancient verses of love and lament ; translations from the Old Javanese