Sunil Khilnani, Ph.D.
Starr Foundation Professor für Südasiatische Studien
Johns Hopkins University, Baltimore
The Paul H. Nitze School for Advanced International Studies
Born in 1960 in New Delhi, India
Studied English Literature and Social Political Sciences at Trinity Hall, Cambridge and at King's College, Cambridge
Arbeitsvorhaben
Jawaharlal Nehru: ein Leben
I am writing a full-scale biography of Nehru, based on some new materials and with new questions in mind. This is part of my more general interest in the history of political intellectuals and democracy outside the West.Recommended Reading
Khilnani, Sunil. Arguing Revolution: the Intellectual Left in Post War France. New Haven: Yale University Press, 1993. (German translation: Revolutionsdonner: die französische Linke nach 1945. Hamburg: Rotbuch-Verlag, 1995.)
-. The Idea of India. New York, N.Y.: Farrar, Straus, and Giroux, 3rd ed. 2005.
Kaviraj, Sudipta and Sunil Khilnani. Civil Society: History and Possibilities. Cambridge, Mass., Cambridge University Press, 2001.
Kolloquium, 07.11.2006
Nehrus Urteil
Ich gehe davon aus, dass das Spezifikum der Geschichte der westlichen politischen Ideen im 20. Jahrhundert von den Abenteuern dieser Ideen außerhalb ihrer Ursprungsländer definiert wird, von ihren Begegnungen mit anderen Ideen, Traditionen und Praktiken - Begegnungen, die auf beiden Seiten zu Veränderungen geführt haben. Der Kontakt zwischen den politischen Ideen des Westens und der nichteuropäischen Welt, der die gegenseitigen Abgrenzungsbewegungen und Definitionen anstieß, hat natürlich eine lange Geschichte. Aber im 20. und 21. Jahrhundert hat die Intensität und Rechweite dieser Beschäftigung ein historisch beispielloses Ausmaß erreicht. Die Idee des Staates, der Nation, der Revolution, der Demokratie, der Rechte, der Gleichberechtigung, der Rassenreinheit, des Wirtschaftswachstums und viele andere haben nicht nur das Habitat des Westens definiert, sondern sie haben - ausnahmslos mit lokalen Akzenten - die ganze Welt neu organisiert.
Daher hat es nur wenig Sinn, die Geschichte des politischen Denkens im 20. Jahrhundert nur vom Standpunkt einzelner nationalpolitischer oder intellektueller Traditionen aus zu schreiben: für jeden Forscher, der sich mit moderner Politik befasst, besteht die Grundaufgabe vielmehr in der Notwendigkeit zu verstehen, was man - mangels eines besseren Ausdrucks - als Globalisierung politischer Ideen und Theorien bezeichnen kann. Die Geschichten von den unvorhergesehenen, oft erschreckend perversen und manchmal lächerlich unbrauchbaren Folgen dieser Ideen für außereuropäische Völker ist jetzt ein wesentliches Thema jedes Nachdenkens über die Geschichte des politischen Denkens des Westens. Über die Zukunft der westlichen politischen Theorie wird außerhalb des Westens entschieden. Und in der Entscheidung über diese Zukunft wird die Erfahrung des modernen Indien - einem zentralen Schauplatz dieser historischen Begegnung - eine entscheidende Rolle spielen.
Diese Interessen bilden den Rahmen für meine Arbeit über Jawaharlal Nehru (1889 - 1964), einer Figur, die an der Kreuzung mehrerer signifikanter Achsen steht: Er ist ein Kontaktpunkt zwischen Osten und Westen, zwischen liberalen und sozialistischen Traditionen und zwischen dem intellektuellen und dem aktiven politischen Leben. Meine derzeitige Arbeit ist der Versuch, seine Ideen und Handlungen im Kontext darzustellen, und aus verschiedenen Gründen habe ich mich für eine biographische Form entschieden. Das Material, das ich in diesem Vortrag präsentieren werde, speist sich aus meinen biographischen Forschungen, aber der Schwerpunkt ist etwas verschoben: der Vortrag ist ein Essay, das ich gerade abgeschlossen und für eine Anthologie zum Thema des politischen Urteils geschrieben habe.
In diesem Essay und in meinem Vortrag versuche ich, das politische Urteil in einem bestimmten Blickwinkel zu betrachten, indem ich den Dilemmata, Entscheidungen und Streitfragen Rechnung trage, mit denen sich Nehru konfrontiert sah. Diese Sichtweise des politischen Urteils, die es als etwas betrachtet, das in einem bestimmten Handlungs- und Entscheidungskontext verortet und ganz und gar historisch ist, unterschiedet sich von den eher streng philosophischen Auffassungen des Urteils. In Nehrus Fall beziehe ich mich auf die komplizierte Episode der Teilung Indiens im Jahr 1947: eine Episode, die teilweise durch ein Aufeinanderprallen der Einschätzungen hinsichtlich der Zukunft Indiens konstituiert wurde, durch eine fluide Ansammlung von Urteilen und Fehleinschätzungen. Ich hoffe einige Überlegungen andeuten zu können, die wichtig sind für das Verständnis von Nehrus eigenen Bewertungsprozessen und seinen politischen Entscheidungen. Nehru ist in der Erörterung des politischen Urteilens von besonderem Interesse, weil er sowohl ein entscheidender Akteur als auch ein kritischer Beobachter seiner eigenen Handlungen und der Welt war, in der er handelte. Ich schöpfe aus seinen privaten und öffentlichen Schriften, um seinen Sichtweisen auf die Spur zu kommen und um darzulegen, dass die Teilung und deren Nachwirkungen - in vielen Hinsichten ein Fall von politischen Fehlurteilen - Nehru zu einem bestimmten Verständnis des Wesens der politischen Macht verhalfen, ihrer destruktiven Potentiale und einem Verständnis jener Weisheit, seine eigenen Werte und Präferenzen nicht mit aller Macht durchsetzen zu wollen, auch jene, die man am meisten schätzt.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Khilnani, Sunil ([London], 2016)
Incarnations : India in 50 lives India in 50 lives
Khilnani, Sunil (2013)
The idea of India as social democracy
Khilnani, Sunil (New Delhi, 2013)
An Indian social democracy ; Bd 2 ; II An Indian social democracy
Khilnani, Sunil (New Delhi, 2013)
An Indian social democracy ; Bd. 1 ; I An Indian social democracy
Khilnani, Sunil (New Delhi, 2013)
An Indian social democracy : integrating markets, democracy and social justice
Khilnani, Sunil (2009)
Khilnani, Sunil (2008)
Arguing democracy : intellectuals and politics in modern India
Khilnani, Sunil (2006)
Die Mannigfaltigkeit der Geschichte