Béatrice Longuenesse, Ph.D.
Professorin der Philosophie
New York University
Born in 1950 in Dieulefit (Drôme), France
Studied Philosophy at the Université Paris-Sorbonne (Paris IV), at the
École Normale Supérieure, Paris and at Princeton University
Arbeitsvorhaben
"Ich, mir, mein": Ichbewusstsein und persönliche Identität bei Kant und in der postkantianischen Philosophie und Psychologie
The project has three main components:1. Consider Kant's distinction between consciousness of oneself "as a subject" and consciousness of oneself "as an object"; and Wittgenstein's distinction between "use of 'I' as subject and use of 'I' as object." Can the two distinctions illuminate each other despite the fundamental differences between their philosophical methods and presuppositions?
2. Some contemporary philosophers take self-consciousness "as a subject" to be "immune to error through misidentification relative to the first person." Is there actually any case of self-consciousness that is immune to such misidentification? If so, does it include consciousness of one's own body? More generally: what is the relation between self-consciousness and consciousness
of one's own body? Here philosophy has a lot to learn from contemporary psychology,
anthropology, and ethology.
3. Kant's analysis of "I" in the proposition "I think" highlights the way in which referring my thoughts to one and the same "I" expresses a commitment to unifying them in logically consistent ways. In contrast, contemporary analyses have highlighted the ways in which the word "I" refers to a particular entity. In light of this contrast, Kant's "I" seems to have more to do with Freud's ego (capturing a structuring of mental contents) than with contemporary semantic analyses of self-reference. I intend to explore this contrast, and suggest an overall map of current analyses of "I".
Recommended Reading
Longuenesse, Béatrice. Kant and the Capacity to Judge. Princeton: Princeton University Press, 1998.
-. Kant on the Human Standpoint. Cambridge, Mass.: Cambridge University Press, 2005.
-. "Les Concepts a priori Kantiens et leur destin." Revue de Métaphysique et de Morale 4 (2004).
Kolloquium, 08.05.2007
"Ich", Selbst, Identität
In meinem Vortrag will ich versuchen, einige Fragen zu klären; in dem Buch, an dem ich während meines Aufenthalts am Wissenschaftskolleg arbeite, befasse ich mich mit diesen Fragen. Indes gibt der Vortrag nicht die Struktur des Buches wieder. In diesem bewege ich mich auf krummen Wegen von der zeitgenössischen Philosophie zurück zu Kant und arbeite mich wieder nach vorne zu jenen Werkzeugen vor, die einen Fortschritt bei der Lösung dieser Fragen in der Zukunft versprechen. Hier jedoch möchte ich Fragen präsentieren und bediene mich zu ihrer Formulierung sehr eklektischer Quellen.
Ich interessiere mich für die verschiedenen Möglichkeiten, unseren Gebrauch des Wortes "ich" zu analysieren und zu erklären: Was tun wir, wenn wir das Wort gebrauchen, und welche Gedanken werden damit ausgedrückt? Nachdem diese Fragen im Zentrum einer wichtigen philosophischen Tradition gestanden hatten (der sogenannten "kontinentalen" Philosophie, die in Frankreich und Deutschland vom 18. bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Feld beherrschte), waren sie so gut wie verschwunden, da sie als irrelevant verurteilt wurden. So wurde z. B. behauptet, dass das "ich" nur ein grammatisches Instrument sei, nämlich das Pronomen der ersten Person Singular. Daran sei nichts, was besonders interessant wäre. Wenn überhaupt, bringe es allenfalls Illusionen über die Einheit und Einzigartigkeit einer mysteriösen Entität genannt "Selbst" oder "Subjekt" hervor. Und dennoch sind Fragen nach dem "ich", seinem Gebrauch in Sprache und Denken jetzt mit aller Macht aus den verschiedensten Ecken der Philosophie zurückgekehrt. Meine erste Frage lautet: Warum diese Rückkehr? Haben wir etwas dazu gelernt?
Nachdem ich Ihnen verschiedene Antworten auf diese Frage vorgestellt habe, möchte ich einige einfache Fälle des "ich" betrachten, die von jüngeren semantischen Analysen angeregt wurden (Analysen der Bedeutung und des Gebrauchs des Wortes "ich"). Einer dieser Fälle untersucht der zeitgenössische Philosoph John Perry anhand des folgenden Beispiels: (1) "Ich mache ein Riesendurcheinander". Indem Perry den Unterschied analysiert zwischen einem Satz dieser Art und dem Satz (2) "John Perry macht ein Riesendurcheinander", zeigt er, welch verheerenden Schaden die Anwesenheit eines deiktischen Ausdrucks wie "ich" bei der Erklärung von propositionalen Aussagen und Meinungen in der Tradition der analytischen Philosophie anrichtet, zu der er gehört. Um (1) ("Ich mache ein Riesendurcheinander") angemessen zu erklären, muss man die Haltung des/der Sprechenden oder Denkenden mitbedenken, der die Wahrheit des Satzes behauptet, und das Verhältnis dieser Haltung zur Handlung. Mit anderen Worten: Wenn man eine Aussage in der ersten Person Singular macht, macht man diese Aussage immer vom Standpunkt des Akteurs/der Akteurin, selbst wenn diese/r manchmal nur insofern ein/e Handelnde/r ist, als dass sich seine Aktivität auf das Denken des Satzes beschränkt. Ich zeige auch, welches Licht dies in der Rückschau auf den berühmten kartesischen Satz "Ich denke, also bin ich" wirft, und welche Rolle das "ich" in dieser Argumentation spielt.
Der Unterschied zwischen einem rein deskriptiven Standpunkt (oder dem Standpunkt der dritten Person - "John Perry macht ein Riesendurcheinander") und dem Standpunkt des Akteurs (oder dem Standpunkt der ersten Person Singular - "Ich mache ein Riesendurcheinander") kann noch weiter anhand einer anderen Unterscheidung ausgeleuchtet werden, die man innerhalb des Gebrauchs von "ich" machen kann: des sogenannten "Gebrauchs von "ich" als Subjekt" und des "Gebrauchs von "ich" als Objekt", die Ludwig Wittgenstein in Das blaue Buch einführt. Diese zweite Unterscheidung ist mit einer Unterscheidung zwischen verschiedenen Arten des Selbstbewussteins oder der Selbstwahrnehmung verbunden: In diesem Punkt konvergieren sprachliche/semantische Analysen mit psychologischen Beschreibungen und epistemologischen Erklärungen des Wissens. Die Frage ist nun: Welcher Art sind die Beziehungen zu uns selbst und zu anderen als bewusste Wesen, die mit den verschiedenen Gebrauchsweisen des Worts "ich" einher gehen? Einige Philosophinnen und Philosophen beharren auf der Tatsache, dass das Bewusstsein unserer selbst immer das Bewusstsein unseres eigenen Körpers ist und dass sich "ich" daher auf den Körper bezieht. Andere sehen das Hauptmerkmal des Selbstbewusstseins (und des entsprechenden Gebrauchs von "ich") als eine Art Ordnungsprinzip unserer mentalen Inhalte und weniger als das Bewusstsein einer bestimmten Entität. Ich denke, dass es beides sein kann (also: manchmal das eine, manchmal das andere); eine interessante Frage ist, in welchem Verhältnis der eine Aspekt zum anderen steht. Ich erörtere diese Frage, indem ich mich auf Beispiele beziehe aus Maurice Merleau-Pontys Phénomenologie de la perception, Oliver Sachs' The man who mistook his wife for a hat, Antonio Damasios Descartes' Error, Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft, Sigmund Freuds "Ich und Es" und Jacques Lacans "Le Stade du miroir".
Schließlich befasse ich mich mit dem Verhältnis zwischen dem Selbstbewusstsein, unserem Gebrauch des Gedankens und des Wortes "ich" und der Vorstellungen, die wir selbst von unserer Identität als Personen haben. Ich betrachte einige paradoxe Aspekte der klassischen Erklärungen des letzteren und zeige, wie die Erklärung des "ich" und des Selbst als schlicht Gegebenem dazu beitragen kann, diese Paradoxa aufzulösen.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Longuenesse, Béatrice (Oxford, 2017)
I, me, mine : back to Kant, and back again
Longuenesse, Béatrice (2008)
Kant's "I Think" versus Descartes' " I Am a Thing That Tinks"
Longuenesse, Béatrice (2008)
Neurone vergeistigen : Geist und Gehirn im Gespräch
Longuenesse, Béatrice (Princeton, NJ [u.a.], 2008)
Longuenesse, Béatrice (London, 2007)
Kant on the identity of persons
Longuenesse, Béatrice (Cambridge, 2007)
Hegel's critique of metaphysics Hégel et la critique de la métaphysique
Longuenesse, Béatrice (Düsseldorf, 2007)
Was heißt "guter Wille"? : über eine zentrale Frage von Immanuel Kant ; Alexander Kluge im Gespräch mit Béatrice Longuenesse 10 vor 11
Longuenesse, Béatrice (Cambridge [u.a.], 2005)
Kant on the human standpoint Modern European philosophy
Longuenesse, Béatrice (Princeton, NJ, 2000)
Kant and the capacity to judge : sensibility and discursivity in the transcendental analytic of the Critique of pure reason Kant et le pouvoir de juger <engl.>
Longuenesse, Béatrice (Paris, 1993)
Kant et le pouvoir de juger : sensibilité et discursivité dans l'Analytique transcendentale de la Critique de la raison pure Épiméthée