Muhammad S. Umar, Ph.D.
Professor der Islamwissenschaft
Arizona State University, Tempe
Born in 1960 in Jos, Nigeria
Studied History and Literature of Religion at Northwestern University, Evanston, Ill.
Schwerpunkt
Religiöse Transformationsprozesse der Gegenwart (Religiöse Mobilität)
Arbeitsvorhaben
Öffentliche islamische Diskurse in Nigeria: Herausforderungen und Chancen
This project has a clear normative goal of expanding the vocabulary of Islamic liberalism in contemporary Nigeria. In the discourses of what has been variously termed: "liberal Islam/Islamic liberalism", "progressive Islam", "reformed Islam", and "Islamic modernism", critical observers have noticed the problem I address in this study. Muslim liberals have easily shown that Islam is consistent with acceptance of democracy, human rights, rights of women and minorities, freedom of thought, etc. However, when Muslim intellectual opponents quote Qur'anic verses to challenge Muslim liberal arguments on these issues, Muslim liberals seem unable to mount authentically Islamic rebuttals. Hence the question arises: Can Islamic intellectual traditions provide discursive resources for constructing effective Islamic rebuttals against Islamic fundamentalist arguments on the topical issues facing Muslims?I address this question by examining recent reforms in the application of Islamic law in Nigeria. These reforms have predictably sparked contentious debates between Muslim proponents and non-Muslim opponents. But the more interesting debate has been between Muslim critics of the application of "full sharia" and their Muslim opponents, which has been raging on in diverse arenas: Nigerian newspapers, Nigerian websites, international media, academic conferences in and outside of Nigeria, political rallies, courtrooms, mosques, and classrooms of Nigerian universities and colleges. I hope to provide intellectual capital to strengthen Muslim voices for tolerance in Nigeria.
Recommended Reading
Umar, Muhammad S. "Islamic Discourses on European Visitors to Sokoto Caliphate in the Nineteenth Century." Studia Islamica 95 (2002): 135-59.
-. "Islamic Arguments for Western Education: Mu'azu Hadejia's Hausa Poem, Ilmin Zamani." Islam et Societies au du sud du Sahara 16 (2002): 85-106.
-. Islam and Colonialism: Intellectual Responses of Muslims of Northern Nigeria to British Colonial Rule. Leiden: Brill, 2005.
Kolloquium, 05.06.2007
Die Erweiterung des Vokabulars des islamischen Liberalismus
Die marokkanische Soziologin Fatima Mernissi eröffnet die Einleitung ihres berühmten Buches "The Veil and the Male Elite" (1991) mit dem kurzen Bericht eines Vorfalls in ihrem Lebensmittelgeschäft an der Ecke; in dieser Geschichte ist das Problem verkapselt, an dem ich in meinem Projekt am Wissenschaftskolleg arbeite. Sie erzählt davon, wie schockiert ihr Lebensmittelhändler auf die einfache Frage reagierte: "Kann eine Frau Muslime anführen?" Einer der Kunden rief, Gott möge uns vor den "Katastrophen unserer Zeiten" schützen. Weiter berichtet sie, dass eine dritte Person in diesem Moment im Laden war, ein Lehrer, der "erst langsam und zärtlich seine feuchten Minzeblätter streichelte und mir dann eine Hadith [Überlieferung über den Propheten] entgegen schleuderte, deren tödliche Wirkung er kannte: ‚Diejenigen, die ihre Angelegenheiten in die Hände einer Frau legen, werden es niemals zu Wohlstand bringen'. Plötzlich war alles ganz still. Ich konnte nichts mehr sagen." Mernissi beschriebt ihre Reaktion so: "Ohne ein weiteres Wort verließ ich diskret den Laden. Was hätte ich als Gegengewicht gegen einen politischen Aphorismus in die Waagschale werfen könne, der so unnachgiebig wie beliebt ist? [Hervorhebung M. U.] Man hatte mich zum Schweigen gebracht, ich hatte eine Niederlage erlitten und war sehr wütend - und plötzlich verspürte ich das dringende Bedürfnis, mir Wissen über diese Hadith zu verschaffen, die Texte herauszusuchen, in denen sie erwähnt wird, denn ich wollte ihre außergewöhnliche Macht über die einfachen Bürger eines modernen Staates verstehen."
Es gibt Beispiele aus Nigeria, die der misslichen Lage von Fatima Mernissi bemerkenswert ähneln. Ayesha Imam analysiert die verschiedenen Reaktionen auf die jüngste Entwicklung bei der Anwendung der Scharia in Nigeria und bemerkt dazu: "Der dominante Diskurs war, dass schon die leiseste Kritik an der Durchsetzung der Scharia bedeutete, dass man per definitionem gegen die Scharia, gegen den Norden [eine überwiegend muslimische Region in Nigeria] und gegen den Islam war." [2004] Die Kritik jedweden Aspekts ruft den Vorwurf der Abtrünnigkeit und das Schreckgespenst der Todesstrafe auf den Plan; Ayesha Imam merkt dazu an: "Im Kontext von Selbstschutzmilizen und der Unfähigkeit der staatlichen Behörden, die Sicherheit und die Herrschaft des Gesetzes aufrechtzuerhalten, werden diese Vorwürfe zu sehr realen Bedrohungen, und sie erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines physischen, wenn nicht sogar tödlichen Angriffs." Die Bedrohung durch Gewalt von Milizen hat einige muslimische Kritiker des Scharia-Projekts dazu gezwungen, ihre zuvor geäußerten skeptischen Ansichten zu widerrufen, und sehr viel mehr suchen ihr Heil jetzt in der Selbstzensur. Das Mernissi-Dilemma, wie ich es nenne, ist keineswegs auf Marokko und Nigeria beschränkt; es ist in den Debatten, die weltweit unter den Muslimen geführt werden, sogar ziemlich verbreitet. Diese Debatten finden in Moscheen und islamischen Bildungsstätten statt, in Universitäten, Forschungszentren, Medien, Gerichtssälen, akademischen Zeitschriften und Büchern. Immer wieder tauchen in den Debatten gegensätzliche muslimische Standpunkte auf, die mit unterschiedlichen Etiketten versehen werden: "Säkularisten", "Modernisten", "Reformer", "Moderate", "Aktivisten", "Liberalen" "Neoliberale", "Salafisten", "Fundamentalisten", "Militante", "Djihadisten", "Konservative", "Traditionalisten", "Neotraditionalisten" etc. Mit diesen Etiketten um sich zu werfen, ist ein wichtiger Bestandteil des diskursiven Repertoires in muslimischen Debatten geworden; daher bedürfen diese Etikettierungen einer ernsthaften kritischen Reflexion.
Charles Kurzman [2002] hat angemerkt, dass sich die islamischen Modernisten seit Mitte des 19. Jahrhunderts in ihren Diskursen vor allem mit der Verteidigung des Rechts beschäftigen, sich zu aktuellen Themen aus der Perspektive des islamischen Modernismus zu äußern; die Legitimität dessen war und ist sehr umstritten. Es steht noch aus, ob die tief eingeprägten Muster des traditionellen islamischen Denkens, die manchmal Gegenstand der Debatten, aber oft auch nur als Subtext greifbar sind, von diskursiven Strategien verdrängt werden, in denen die Unzulänglichkeit der traditionellen Kategorien des islamischen Denkens betont und darauf gedrängt wird, den Islam im Kontext einer modernen Welt neu zu denken. Eine alternative Strategie ist, ausgewählte Elemente der islamischen Klassiker neu zu entdecken und bekannt zu machen; diese Strategie hat starke Argumente ins Feld geführt, die zeigen, dass der Koran eine Basis bietet für eine islamische Theologie der Befreiung, für islamische Wurzeln des Liberalismus, der Demokratie, eines sozialen Pluralismus, für Frieden, Menschenrechte und islamische Garanten für die Gleichberechtigung der Geschlechter.
Die diskursiven Strategien in den aktuellen muslimischen Debatten, mit denen man in den islamischen Klassikern Garanten für die Unterstützung liberaler Strategien freilegt, verdienen es, weiterentwickelt zu werden: sie sollten ausgedehnt und verstärkt werden; dazu sollte man sich authentischer islamischer Widerlegungen von potentiell gewalttätigen Reaktionen wie tödlicher Fatwas und Takfir [Exkommunikation] bedienen. Dies ist der Schwerpunkt meines Projekts, und in meinem Vortrag möchte ich die Herausforderungen und Möglichkeiten untersuchen, diese Strategie im Kontext der gegenwärtigen Anwendung des islamischen Rechts in Nigeria zu verfolgen.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Umar, Muhammad S. (2008)
Expanding the vocabulary of Islamic liberalism
Umar, Muhammad S. (2007)
Gender issues in application of Islamic law in Nigeria
Umar, Muhammad S. (2006)
Reading Islamic themes in Barth's Travels and Discoveries through the lens of Edward Said
Umar, Muhammad S. (Leiden [u.a.], 2006)
Islam and colonialism : intellectual responses of Muslims of Northern Nigeria to British colonial rule Islam in Africa ; 5