Harald Wolf, Dr. rer. nat.
Professor der Neurobiologie
Universität Ulm
Born in 1955 in Berlin
Studied Biology and Chemistry at the Technische Hochschule Darmstadt
Schwerpunkt
Funktionelle und strukturelle Randbedingungen bei der Evolution sensomotorischer Netzwerke
Arbeitsvorhaben
Das Kontrollnetzwerk des Heuschreckenflugs - segmentale Organisation und sensomotorische Interaktion
Project of the Focus Group: A modelling approach shall address questions of structure-function relationship in neuronal networks, of constraints that limit functional flexibility, and of the evolution of motor control networks. Evolutionary considerations may include energetics and scaling problems.Despite the frequent use of neuronal network modelling in (neuro-)informatics - e. g. as an adaptive tool to solve complex control tasks - and in (neuro-) biology - mostly in pursuit of cellular signalling mechanisms - the present set of questions has received little attention. We shall address the properties of (sensorimotor) networks on the levels of network structure and its general implications for network function, functional flexibility and the association of structural and functional changes during evolution. This may reveal how novel network features are linked to morphological and functional changes of the body they control, and it may yield general insights that bear upon areas ranging from artificial network design for technical control tasks to the understanding of nervous system evolution.
Well-known physiological networks shall be compared on a conceptual level. Candidate networks are those underlying peristaltic vegetative motor patterns (e. g. the crustacean stomatogastric system or vertebrate respiration network), crawling and swimming of legless organisms (e. g. leech or lamprey locomotion), rhythmic action of locomotor appendages (e. g. insect walking or flight), and aimed limb movements.
Individual Project: The control network for locust flight is among the best-studied neuronal networks, particularly with regard to the integration of sensory feedback with central-nervous rhythm generation. Nonetheless, many intriguing features still await scrutiny. In the present context, the distributed and monolithic organisation of the flight control network is of particular interest. Usually, the control circuits of segmental appendages - legs and wings - exhibit a corresponding segmental and bilaterally symmetric organisation. For example, basic motor control of both vertebrate and insect legs is by one dedicated control network per appendage. These (hemi-)segmental networks are connected by a small number of pathways that allow coordinated movements of the appendages. The functional and evolutionary reasons for the exceptional monolithic structure of locust flight control are enigmatic. Modelling of the locust flight oscillator with evolutionary algorithms is expected to shed light not only on the functional reasons for this feature, but also on general principles of network organisation.
Recommended Reading
Wolf, H. 1995. "Plasticity in insect leg motor control: interactions between central program and sensory signal processing." Verh. Dtsch. Zool. Ges. 88.2: 153-164.
Wolf, H. and R. Wehner. 2005. "Desert ants compensate for navigation uncertainty." J. Exp. Biol. 208: 4223(4230.
Ausborn, J., W. Stein, and H. Wolf. 2007. "Frequency control of motor pattern by negative sensory feedback." J. Neurosci. 35: 9319-9328.
Kolloquium, 20.10.2009
Insekten als Modellsysteme der (Neuro-)Biologie: Bewegungskontrolle und Navigationsleistungen
Wozu dient Forschung an Insekten (Kerbtieren), wenn sich doch die überwiegende Zahl der wissenschaftlichen Disziplinen mit menschlicher Befindlichkeit und Lebensweise beschäftigt - von der Medizin bis zur Philosophie?
Aus der biologischen Perspektive ist zunächst bemerkenswert, dass Insekten nahezu 80% der beschriebenen Tierarten darstellen, oder mehr als 1,5 Millionen Spezies. Die von ihnen repräsentierte Biomasse könnte nahezu 10% der Masse aller Lebewesen der Erde betragen. So erstaunt es nicht, dass Kerbtiere einen starken Einfluss auf das menschliche Leben haben, von der Rolle als Schädlinge, Parasiten oder Krankheitsüberträger bis zu essentiellen ökologischen Dienstleistungen wie Bestäubung oder Schädlingskontrolle.
Insekten sind wichtige Modellsystem, u.a. für die Erforschung motorischer Kontrollleistungen. Grund ist nicht nur die gute Verfügbarkeit von Insekten und die ethische Unbedenklichkeit ihrer Verwendung. Günstig ist vor allem die relativ geringe Zahl an Nervenzellen - in der Größenordnung von einigen 100 bis 1000 Zellen pro Ganglion - bei grundsätzlich gleicher Komplexität der kontrollierten Verhaltensleistungen wie bei Wirbeltieren. Dies macht Insekten zu attraktiven und v.a. überschaubaren Modellsystemen, beispielsweise in der Analyse neuronaler Netzwerke.
Für mich persönlich ist vor allem wichtig, dass sich Insekten schon seit langer Zeit unabhängig von Wirbeltieren entwickeln. So haben sie Beine und Laufverhalten völlig unabhängig von den Wirbeltieren hervorgebracht. Wenn die dem Laufen zugrunde liegenden Kontrollprinzipien dennoch ähnlich sind, kann die Ursache hierfür nicht in enger Verwandtschaft und damit gemeinsamem evolutionären Ursprung liegen. Vielmehr muss ein solcher Befund grundsätzliche Kontrollerfordernisse für die Steuerung von Beinbewegung reflektieren. Das Aufdecken derartiger allgemeiner Prinzipien neuronaler Kontrolle ist ein Hauptanliegen meiner Arbeit.
Dies soll am Beispiel der Reflexumkehr beim Übergang von der Haltungskontrolle in Ruhe zur Bewegungskontrolle beim Laufen verdeutlicht werden, und insbesondere am Übergang von der Stemm- zur Schwingphase beim Laufen. Der Übergang von der Stemm- zur Schwingphase wird bei allen daraufhin untersuchten Tieren durch die Kombination zweier Parameter ausgelöst, nämlich "posteriore Beinstellung" und "Entlastung des Beins". Dies ist unter funktionellen Gesichtspunkten einsichtig und hat interessante neuronale Implikationen.
Allgemeine Kontrollprinzipien sollen auch am Beispiel der Navigation von Wüstenameisen vorgestellt werden. Es handelt sich um recht kleine Insekten (<12mg) mit entsprechend kleinen Gehirnen (ca. 1mg und einige 100.000 Nervenzellen, wovon allerdings die Mehrzahl in den optischen Loben liegt), die jedoch zu bemerkenswerten Navigationsleistungen fähig sind. Die ökologischen Randbedingungen des Wüstenhabitats bedingen spezifische Orientierungsstrategien, beispielsweise aufgrund des häufigen Fehlens von Landmarken.
Wegintegration ist in dieser Situation eine wichtige Navigationsstrategie der Wüstenameisen. Wegintegration benötigt einen Richtungsmesser, oder Kompass, sowie einen Entfernungsmesser, oder Odometer, um im Sinne einer (näherungsweisen) Vektoraddition die zurückgelegten Wegsegmente integrieren zu können. Der Kompass wird durch den Sonnenstand und das Polarisationsmuster des Himmelszelts zur Verfügung gestellt, das Odometer ist bei der Ameise als Schrittintegrator realisiert. Der Mechanismus der Schrittintegration (umgangssprachlich des "Schrittzählers") ist erst kürzlich aufgeklärt worden und soll hier etwas genauer dargestellt werden.
Olfaktorische Orientierung ist eine weitere von zahlreichen Orientierungsmöglichkeiten, die Wüstenameisen nutzen können. Die olfaktorische Orientierung erlaubt nicht nur die Lokalisation kleiner und unauffälliger (wenn auch geruchlich wahrnehmbarer) Futterpartikel. Sie kann auch von Navigationsforschern genutzt werden, um die Einschätzung von Navigationsfehlern durch die Ameisen selbst zu untersuchen. Diese Einschätzung ist erstaunlich genau, mit maximalen Fehlwinkeln bei der Orientierung im Bereich von etwa 8 Grad.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Wolf, Harald (2014)
Inhibitory motoneurons in arthropod motor control : organisation, function, evolution
Wolf, Harald (Cambridge, 2012)
Establishing food site vectors in desert ants
Wolf, Harald (Lausanne, 2012)
Re-visiting of plentiful food sources and food search strategies in desert ants
Wolf, Harald (Amsterdam [u.a.], 2012)
Wolf, Harald (Amsterdam [u.a.], 2011)
Wolf, Harald (Cambridge, 2011)
Activity of the claw retractor muscle in stick insects in wall and ceiling situations
Wolf, Harald (Cambride, 2011)
Odometry and insect navigation