Milos Vec, PD Dr.
Rechtswissenschaft
Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte, Frankfurt/Main
Geboren 1966 in Frankfurt/Main
Studium der Rechtswissenschaften an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/Main und an der University of Keele, Staffordshire
Arbeitsvorhaben
Prinzipien internationaler Ordnung: Regelbildung und Rechtsquellenlehre im klassischen Völkerrecht
Meine Studie widmet sich der Geltung von Prinzipien im Völkerrecht des 19. Jahrhunderts. Welche Prinzipien gab es und wie wurden sie begründet? Über diese Epoche ist oft gesagt worden, dass das ursprünglich naturrechtliche System des Völkerrechts einen Prozess der Positivierung und Universalisierung durchlaufen habe. Doch wenn das Völkerrecht sich universalisierte, welche Regeln galten dann in diesem Rechtsgebiet? Woher kamen sie, woraus gewannen sie ihre Verbindlichkeit? Juristisch gefragt: Was war ihre Geltungsgrundlage? Dieser Frage möchte ich mich mit meinem Projekt anhand der Untersuchung der "Prinzipien" des Völkerrechts widmen.Prinzipien sind ein besonderer Typus von Norm. Sie erscheinen in anderen sprachlichen Varianten als Grundsätze, Fundamentalsätze, Maximen usw. Dem Recht sind sie auf vielen Feldern und in vielen Funktionen vertraut, und es besteht eine reiche rechtstheoretische und dogmatische Literatur dazu. Immer geht es um die Grundregeln der normativen Ordnung des Rechts. Sie spielen, so die Vermutung, eine herausgehobene und komplementäre Rolle zu einzelnen Regeln. Bisweilen antizipieren sie diese aber auch. Mein Projekt will dies anhand von Figuren wie "Grundrechte der Staaten", "Gleichgewicht der Mächte", "Internationale Gemeinschaft" untersuchen. Der Untersuchungszeitraum zwischen Spätaufklärung und Ausbruch des Ersten Weltkriegs wird oft als Epoche des "klassischen Völkerrechts" apostrophiert. Inwieweit das Gegensatzpaar von Rechtspositivismus und Naturrecht hier analytisch brauchbar ist, soll geklärt werden.
Lektüreempfehlung
Vec, Miloš. Zeremonialwissenschaft im Fürstenstaat: Studien zur juristischen und politischen Theorie absolutistischer Herrschaftsrepräsentation. Frankfurt/Main: V. Klostermann, 1998. (Ius Commune Sonderhefte, Bd. 106.)
-. Die Spur des Täters. Methoden der Identifikation in der Kriminalistik (1879-1933). Baden-Baden: Nomos, 2002. (Schriftenreihe der Juristischen Zeitgeschichte - Abteilung 1: Allgemeine Reihe, Band 12.)
-. Recht und Normierung in der Industriellen Revolution: Neue Strukturen der Normsetzung in Völkerrecht, staatlicher Gesetzgebung und gesellschaftlicher Selbstnormierung. Frankfurt/Main: V. Klostermann, 2006. (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 200; Recht in der Industriellen Revolution 1.)
Kolloquium, 15.11.2011
Prinzipien internationaler Ordnung. Das Völkerrecht und seine Wissenschaft, 1789-1914
In meinem Vortrag möchte ich die Idee und die Probleme des Buches vorstellen, das ich hier am Wiko schreiben will. Das Buchprojekt widmet sich der Geschichte des Völkerrechts und seiner Wissenschaft zwischen Spätaufklärung und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Als Rechtshistoriker möchte ich verstehen, wie diese normative Ordnung konstruiert wurde, indem ich einen besonderen Normtypus betrachte, die Prinzipien. Dabei beschäftige ich mich primär mit dem wissenschaftlichen Diskurs der Völkerrechtler und der allgemeinen Rechtswissenschaft.
Prinzipien (Maximes fondamentales; Dogmen; Grundsätze) haben eine große Bedeutung in vielen Rechtsgebieten, im Völkerrecht aber vielleicht nochmals eine größere. Das Völkerrecht (auch "Staatenrecht" oder "Internationales Recht") beschäftigt sich mit der juristischen Konstruktion der zwischenstaatlichen Beziehungen, sein Ausgangspunkt und seine Herausforderung lauten in der Epoche des klassischen Völkerrechts: Es gibt keinen Gesetzgeber und keinen Richter über den Staaten. Daher mussten universelle Sätze anders erzeugt werden als im innerstaatlichen Recht, wo Gesetzgebung, Kodifikationen und Rechtsprechung starke Impulse für die Positivierung juristischer Regeln geben konnten. Die Wissenschaft spielte eine prominente Rolle in diesem Prozess, wobei die Völkerrechtler ihre Autonomie gegen die Politik und Diplomatie, gegen Naturrecht und Philosophie ebenso zu verteidigen suchten wie gegen andere Rechtsgebiete wie das Zivil- oder Staatsrecht. Verwissenschaftlichung war ein langsamer Prozess, der Ausschluss der Völkermoral oder Völkersitte heikel.
Um dieses Gebiet zu erforschen, verknüpfe ich Ideengeschichte, Begriffsgeschichte und Wissenschaftsgeschichte. Eine solche Untersuchung sollte das Völkerrecht zudem in den Kontexten von Internationalen Beziehungen und Politik(wissenschaft) sehen, von Industrialisierung, Imperialismus und Kolonialismus. Obwohl dies alles in einem Jahrhundert der Globalisierung stattfand, wurden die maßgeblichen Ideen von europäischen Juristen entworfen, es war ein "Droit des Gens Européen", gegründet auf Christentum und Zivilisation, und wurde durch Juristen und Übersetzer auf andere Kontinente transferiert.
Völkerrecht war ein ambivalentes Rechtfertigungsnarrativ, es konnte Machtausübung in den zwischenstaatlichen Beziehungen kritisieren oder legitimieren; viele seiner damaligen Strukturen sind uns bis in die heutigen Weltordnung erhalten geblieben; aber diese sind für meine Arbeit nicht wichtiger als andere Konstruktionen der Rechtswissenschaft oder Moralphilosophie, die das 18. oder 19. Jahrhundert nicht überlebt haben. Es ist vielmehr mein primäres Ziel, eine spezifische normative Ordnung in ihren zeitgenössischen Kontexten zu verstehen.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Vec, Milos (Baden-Baden, 2012)
Völkerrecht und Weltwirtschaft im 19. Jahrhundert Studien zur Geschichte des Völkerrechts ; 26
Vec, Milos (2012)
Rechtskritik als Verpflichtung - Juristische Zeitgeschichte in aufklärerisch-bürgerlicher Absicht
Vec, Milos (2012)
Vec, Milos (2011)
De-juridifying 'Balance of Power' : a principle in the 19th cntruy international legal doctrine
Vec, Milos (2011)
Kurze Geschichte des Technikrechts
Vec, Milos (2011)
Flaggschiffe und Stiefkinder : Rechtsgeschichte als historische Kommentierung des geltenden Rechts
Vec, Milos (2011)
Vec, Milos (Baden-Baden, 2011)
Les conflits entre peuples : de la résolution libre à la résolution imposée Studien zur Geschichte des Völkerrechts ; 24