Kelly M. Askew, Ph.D.
Professorin für Anthropologie und Afroamerikanische und Afrikanische Studien
University of Michigan, Ann Arbor
Geboren 1966 in Los Angeles;
Studied Anthropology at Yale University and Harvard University
Arbeitsvorhaben
Postsozialistische Poetik: Politik und Kunst in der Vereinigten Republik Tansania
The project explores how Tanzanians and Zanzibaris in the United Republic of Tanzania musically and poetically respond to the changes that have emerged with the unraveling of socialism. Tapping the vast repertoires of popularly produced, mass-mediated Swahili poetic arts from newspaper poetry to popular song, the project investigates how Tanzanians from many walks of life narrate and assess recent institutional and cultural shifts away from socialist policy and practice. These range from (1) memories and practices of communal labor to (2) the privatization of formerly state-owned resources; from (3) the privatization of property rights in land to (4) monuments and memorials in socialist/postsocialist landscapes and ideoscapes; from (5) new commodity flows and retraction of government services to (6) the reconfiguring of national and international political alliances.Music and/or poetry frames each topic since it is through these aesthetic forms that ordinary citizens regularly engage and challenge government rhetoric and projects. Through poetic discourse - sung or in print - Tanzanians and Zanzibaris lay persuasive claim to rights that they either formerly held or that were promised to them with the advent of liberalization, but that remain largely unfulfilled. Their hopes for themselves, their families, their futures, and their nation emerge strongly in data spanning song lyrics and newspaper poetry, formal and informal interviews, household surveys, ethnographic participant-observation, analysis of government documents, textual analysis of media productions (newspaper, television, video/film, radio, and internet), and insights gained from extensive fieldwork in Zanzibar and mainland Tanzania since the early 1990s. The study thus interweaves in equal measure analysis of policy, practice and populist poetics.
Recommended Reading
Askew, Kelly. Performing the Nation: Swahili Music and Cultural Politics in Tanzania. Chicago and London: University of Chicago Press, 2002.
- (with M. Anne Pitcher). "African Socialisms and Postsocialisms." Africa: Journal of the International African Institute 76, 1 (2006): 1-14.
- "Sung and Unsung: Musical Reflections on Postsocialist Tanzania." Africa: Journal of the International African Institute 76, 1 (2006): 15-43.
Kolloquium, 09.04.2013
Spiegel oder Hammer? Gewissen oder Katalysator? Der Ausdruck des Politischen in Tansania nach dem Sozialismus
"Kunst ist nicht ein Spiegel, den man der Wirklichkeit vorhält, sondern ein Hammer, mit dem man sie gestaltet."
(Brecht? Majakowski? Trotzki? Marx?)
Die Debatte um die Verstrickung von Kunst und Politik hat unter westlichen Intellektuellen eine lange Tradition. Zwei Orte, die wir in unseren Diskussionen im Kolloquium häufig frequentiert haben, sind besonders berühmt für den philosophischen Chiasmus "die Kunst der Politik und die Politik der Kunst": Das antike Griechenland - mit dem Streit zwischen Platon und Aristoteles über die Gefahr, die die Dichter für ein politisches System darstellen - ; und Deutschland vom 18. bis zum 20. Jahrhundert - von der apolitischen Ästhetik Kants über Horkheimers und Adornos Kritik an der entpolitisierten Kunst des Kapitalismus bis hin zur radikal sozialistischen Kunst Brechts. Wie die Macht der Kunst dazu genutzt werden kann, um einerseits die Wahrnehmung zu schärfen und Erkenntnis zu ermöglichen (Spiegeleffekte) und um sich andererseits Alternativen vorzustellen, Einstellungen zu verändern und zur Tat anzustiften (Hammereffekte) - das sind Fragen, die oft gestellt worden sind. Obwohl nicht-westliche Geisteswissenschaftler ebenso viele Antworten zu bieten haben, werden sie selten in diesen Ideenaustausch miteinbezogen. Dabei haben auch Okot p'Bitek (ein ugandischer Dichter), Nawal El Saadawi (ein ägyptischer Romancier) und Ngugi wa Thiong'o (ein kenianischer Romancier und Dramatiker) Theorien über die Eigenart, den Wert und die Wirkmacht der Kunst entwickelt und fordern die elitär hochgepäppelten Künste der Hegemonie heraus; sie engagieren sich für eine revolutionäre Ästhetik, die sich zu Ungerechtigkeit, sozialer Ungleichheit und Missständen im Staat äußert (Spiegeleffekt) und Alternativen entwirft, Forderungen formuliert, Veränderungen fordert (Hammereffekt). Dazu bemerkt Ngugi: "Wenn die Leute mich fragen, warum interessiert du dich für Politik, sage ich immer, weil ich Künstler bin (...). Ich beschäftige mich nicht mit Kunst wegen der Politik; ich beschäftige mich mit Politik aufgrund meiner künstlerischen Berufung".
In diesem Kontext untersuche ich in meinem Vortrag die schwierige Beziehung zwischen Dichtkunst und Politik im postsozialistischen Tansania. Von der Mitte der 1960er Jahre bis zur Mitte der 1980er Jahre verfolgte Tansania ein sozialistisches Programm mit dem Namen Ujamaa ("Familiensinn, Gemeinschaftssinn"), das mit der Philosophie und der Politik des ersten Präsidenten Julius Nyerere verbunden war. Im August 1986 nahm Tansania seinen ersten Kredit vom Internationalen Währungsfonds an und begann einen schwierigen Übergang zu Marktwirtschaft und politischem Pluralismus, der den postsozialistischen Erfahrungen an anderen Orten glich. In ihrer Kunst fördern die Dichter und die Dichter-Musiker mit Verve die Diskrepanz zwischen den Versprechungen des Kapitalismus, der Mehrparteiendemokratie und der Realität zu Tage; sie prangern die eklatante Missachtung der Rechte und Lebensgrundlagen der wanyonge, der Armen, an (die die die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen) und kritisieren die rücksichtslose Plünderung des Landes durch die politischen und wirtschaftlichen Eliten (Spiegeleffekt). Einige nutzen ihre Kunst, um neue Anführer zu feiern - in der Hoffnung, dass diese endlich eine Veränderung in Gang setzen. Andere greifen auf die Rhetorik der Ujamaa und auf die Texte, die Stimme und das Bild von Nyerere zurück, um das derzeitige Führungspersonal zu schwächen und um sich für eine Revolution stark zu machen (Hammereffekt). Ich untersuche ausgewählte poetische Texte, die aus Zeitungen und populärer Musik stammen, und setze sie zu ihren politischen und sozialen Kontexten in Beziehung; damit gehe ich den Spiegel- und Hammereffekten der Dichtung in Tansania nach den Ujamaa nach.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Askew, Kelly M. (Ann Arbor, 2016)
Everyday poetry from Tanzania : microcosm of the newspaper genre
Askew, Kelly M. (2014)
Tanzanian newspaper poetry : political commentary in verse
Askew, Kelly M. (2013)
Of land and legitimacy : a tale of two lawsuits
Askew, Kelly M. (Watertown, Mass., 2013)
Askew, Kelly M. (Zanzibar, 2012)
Poetry in motion : 100 years of Zanzibar's Nadi Ikhwan Safaa
Askew, Kelly M. (Malden, Mass. [u.a.], 2007)
The anthropology of media : a reader Blackwell readers in anthropology ; 2
Askew, Kelly M. (2006)
Sung and unsung : musical reflections on Tanzanian postsocialisms
Askew, Kelly M. (2006)
African socialisms and postsocialisms
Askew, Kelly M. (Chicago, Ill. [u.a.], 2002)
Performing the nation : Swahili music and cultural politics in Tanzania Chicago studies in ethnomusicology