Theodore M. Porter, Ph.D.
Professor of History
University of California, Los Angeles
Born in 1953 in Washington (state), USA
Studied History at Stanford University and History and Philosophy of Science at Princeton University
Schwerpunkt
QuantifizierungArbeitsvorhaben
The Data of Insanity: Asylum Statistics and the Investigation of Human Heredity since 1789
We usually understand the rise of genetics in terms of laboratory technologies for the manipulation of genes or DNA. But genetics has always had an important statistical aspect, all the more so in the genomic era. New social and medical institutions became the laboratories for the data-based science of human heredity. I look above all at insane asylums, which, in the era of the new "moral treatment" around 1800, began an epic expansion that continued until the 1950s. Partly in consequence of their status (often) as state institutions, but reflecting also their increasingly unmanageable scale, these institutions participated actively in the statistical avalanche of the early 19th century. Heredity figured in asylum records and reports from the beginning, and as alienists progressively lost hope in the prospect of cures for their teeming patients, they became all the more interested in finding eugenic solutions. Their work to construct comprehensive databases of heredity using new technologies of record keeping, to standardize disease categories as well as other patient characteristics, and to cultivate more powerful methods of statistical analysis and more effective forms of representation provides a new perspective on the history of human genetics.Recommended Reading
Porter, Theodore M. Karl Pearson: The Scientific Life in a Statistical Age. Princeton: Princeton University Press, 2004.
-. Trust in Numbers: The Pursuit of Objectivity in Science and Public Life. Princeton: Princeton University Press, 1995.
-. The Rise of Statistical Thinking, 1820-1900. Princeton: Princeton University Press, 1986.
Kolloquium, 11.03.2014
Verrückte Vererbung: Statistik und Genetik im Irrenhaus
In ihrer Kurzfassung ist die Geschichte der Genetik allseits bekannt. Wir haben Gregor Mendels Experimente mit Erbsen; diese wurden 1900 "wiederentdeckt". Dann kommen die Mutationen der Drosophila im berühmten Fly Lab, Watsons und Cricks Entdeckung der Doppelhelix und schließlich die Entschlüsselung des menschlichen Genoms. Die Geschichte findet ihren Höhepunkt in der Genetik als einer überwiegend medizinischen Wissenschaft mit großen Datenmengen, der Bioinformatik. Da ist eine dunkle Ahnung, dass diese goldene Geschichte vielleicht mit einer eher finsteren eugenischen Seite verbunden ist. Doch die Eugenik hat ihre eigene Ursprungsgeschichte, die mit Darwins Cousin Francis Galton beginnt. Er erfindet die Eugenik als Ableger der Theorie von der Evolution durch natürliche Auslese. Nach 1900 wird die Eugenik populär und findet in sozialen und medizinischen Institutionen - etwa Irrenanstalten - Verbreitung, schließlich kulminiert sie in den Schrecken des Nationalsozialismus. Etwas so Böses, meinen die Lehrbücher, kann keine echte Wissenschaft sein.
Diese bevorzugte Geschichte ist in einer ausgesprochen wissenschaftlichen Institution, dem Labor, verortet und steigert sich von einfachen Experimenten im Freien bis hin zu aufwändigen Geräten, die uns den Zugang in die verborgene Welt der Gene ermöglicht haben. Ich greife das Thema von einer neuen Perspektive auf - die des Umgangs mit Daten in medizinischen Institutionen. Die Vorstellung, dass Geisteskrankheiten erblich sind, war bereits um 1800 ein Gemeinplatz. Die "Geburt des Irrenhauses" sorgte für Orte, an denen sie untersucht werden konnten, zunächst durch die tabellarische Erfassung von Patientenmerkmalen und dann zunehmend durch das Zusammentragen von Daten ihrer Verwandten. Als Vorläufer von Fürsorgeinstitutionen brachten die Irrenhäuser Individuen zusammen, deren Merkmale in Bezug auf ihre Erblichkeit von Interesse waren. Die Irrenhäuser versprachen nicht nur, den Einzelnen zu heilen, sondern auch der öffentlichen Gesundheitsfürsorge zum Sieg über die Geisteskrankheiten zu verhelfen. Ihr spektakuläres medizinisches Versagen, dem sozialen Problem der Geisteskrankheiten abzuhelfen - denn stattdessen wuchs das Problem unerbittlich weiter -, machte die Erblichkeit von Geisteskrankheiten zu einem dringenden wissenschaftlichen Problem.
Zu Beginn meines Vortrags zeige ich, wie in den europäischen und nordamerikanischen Irrenanstalten die Erhebung und Verwaltung von Daten zur menschlichen Vererbung aufkommt. Auch Francis Galton könnte gleichermaßen von den Statistiken der Irrenanstalten wie von der Evolutionstheorie angeregt worden sein. Dann betrachten wir verschiedene Versuche, Klassifikationen zu standardisieren und die Hindernisse zu beseitigen, die einem Datenaustausch zwischen mehreren Institutionen im Weg stehen. Anstelle von geruhsamen Experimenten im Garten führt uns diese Seite der Geschichte zu einer bürokratisch-wissenschaftlichen Utopie großer Datenzentren, die ihr Wissen weniger aus abgeschirmten Laboratorien als viel mehr von den routinierten Datensammlungen in Schulen, Universitäten, Gefängnissen, Krankenhäusern, Armeen, Versicherungsanstalten sowie psychiatrischen Anstalten beziehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg formen die Methoden der psychiatrischen Statistik in einem beträchtlichen Maß das Feld der medizinischen Genetik, deren Daten, die wir immer bei uns haben.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Porter, Theodore M. (Princeton, New Jersey, 2018)
Genetics in the madhouse : the unknown history of human heredity
Porter, Theodore M. (2009)
Porter, Theodore M. (Princeton, NJ [u.a.], 2006)
Karl Pearson : the scientific life in a statistical age
Porter, Theodore M. (Cambridge [u.a.], 2003)
The Cambridge history ... ; Vol. 7 ; The modern social sciences The Cambridge history of science ; Vol. 7
Porter, Theodore M. (Princeton, N.J., 1996)
Trust in numbers : the pursuit of objectivity in science and public life
Porter, Theodore M. (Princeton, NJ [u.a.], 1986)
The rise of statistical thinking : 1820 - 1900 Princeton paperbacks
Porter, Theodore M. ()
Asylums of hereditary research in the efficient modern state
Im Kolleg entstanden 05.06.18
Köpfe und Ideen 2014
Zwei mal drei macht vier, widewidewitt und drei macht neune ...
ein Porträt von Wendy Espeland, Jahnavi Phalkey, Theodore M. Porter, Lorraine J. Daston, Tong Lam, John Carson von Jürgen Kaube