Mary O'Sullivan, Ph.D.
Professor of Economic History
Universität Genf
Born in 1968 in Dublin
Studied Business Economics at Harvard University and at University College Dublin
Arbeitsvorhaben
A Blind Spot in the History of Capitalism
The recent wave of interest in the history of capitalism is welcome evidence of a renewed enthusiasm among historians for the history of economic life. In economics, too, there are clear signs of greater attention to understanding economic activity in its political, social and cultural contexts. In the emerging research on the history of capitalism, one might expect capital to play a central role; after all, it is difficult to imagine how we can understand capitalism without grappling with capital, even if we can agree that it is about more than that. Yet, recent books on the history of capitalism are striking for their limited attention to capital. Even Thomas Piketty's celebrated recent book, Capital in the 21st Century, says little about the various roles that capital plays in the economy and the rewards that it garners as a consequence; indeed, the word "capital" could be replaced with "wealth" in his book without doing much of a disservice to its conceptual or historical analyses.My research project confronts the blind spot of capital in the emerging stream of work on the history of capitalism. Trained in economics and working as a historian, I focus on the accumulation and investment of capital, its relationship to the organisation and control of economic activities, and the opportunities it offers for returns. My analytical approach both situates the historical dynamics of capital in their shifting economic context and explores how the shifting roles of capital are mediated by political and social considerations. Having completed a series of detailed historical studies on the role of capital in various systems of capitalism in the 19th and 20th centuries, I plan to spend my year at the Wissenschaftskolleg in Berlin thinking more broadly about the implications of historical research for the various conceptual approaches we have developed to understand the roles that capital has played and continues to play in capitalism. My plan is to draft a short book on the subject that is relevant and accessible to a wide range of scholars across different disciplines.
Recommended Reading
O'Sullivan, Mary. Dividends of Development: Fits and Starts in the History of US Securities Markets, 1865-1919. Oxford: Oxford University Press, September 2016 (forthcoming).
-. "A Fine Failure: Relationship Lending, Moses Taylor, and the Joliet Iron & Steel Company, 1869-1888." Business History Review (2014): 1-33.
-. Contests for Corporate Control: Corporate Governance and Economic Performance in the United States and Germany. New York: Oxford University Press, 2000.
Kolloquium, 28.02.2017
Wegweiser für die intelligente Frau zum Kapital
Viele von uns haben eine feste Meinung dazu, aber diese Meinungen sind so vielfältig wie vieldeutig. Manche sehen in ihm die Quelle von Innovation, andere die Brutstätte von Ausbeutung und Ungleichheit. Wenn ein Begriff von so unterschiedlichen Figuren wie Louis Blanc, Max Weber, der New York Stock Exchange, Joseph Goebbels, Ayn Rand und Michael Moore beschworen wird, steht sein polemischer Charakter wohl außer Frage. Und in der Tat: Wenn wir der Frage Aufmerksamkeit schenken, wie der Begriff Kapitalismus verwendet wird, dann zeigt sich, dass wir uns noch nicht einmal darauf einigen können, was wir vor uns haben: Kapitalismus ist ein Begriff, der so schwankend und schwer fassbar ist wie die Welt, die er evoziert. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass Kapitalismus als vager und polemischer Begriff unter Beschuss gerät, wenn er - wie in den letzten Jahren - auf ein wieder erwachendes Interesse an der Geschichte des Wirtschaftslebens stößt. Zusammen mit dem üblichen Beschwerdekatalog wird gegen ihn jetzt ein beeindruckendes Korpus historischer Belege zu Privateigentum, Lohnarbeit, Verdinglichung und Kapital in Stellung gebracht und viele der Belege scheinen eine Bedrohung für die empirischen Grundlagen der konventionellen Interpretationen des Kapitalismus zu sein. Wenn es jemals einen Begriff gegeben hat, auf den man in den Geistes- und Sozialwissenschaften gänzlich verzichten oder den man nur verwenden sollte, wenn man ihn jeglicher substanzieller Bedeutung entkleidet hat - dann wäre es allem Anschein nach der Begriff Kapitalismus.
Im ersten Teil meines Kolloquiums will ich Sie jedoch davon überzeugen, dass in der Beschäftigung mit dem Begriff Kapitalismus ein beachtliches wissenschaftliches Potential liegt. Ich möchte darlegen, dass ein solches Engagement sowohl begrifflich als auch empirisch vielversprechend ist, doch nur wenn es kritisch ist. Die theoretischen und empirischen Unzulänglichkeiten von konventionellen Erklärungen des Kapitalismus sind in der Tat beträchtlich und sie machen theoretische Erneuerung zu einem wesentlichen Aspekt jedes Forschungsprogramms zum Kapitalismus. Dabei erscheint das Kapital als würdiger Schwerpunkt eines solchen Programms; vielleicht kann Kapital ohne Kapitalismus existieren, aber es ist nur schwer vorstellbar, dass der Kapitalismus ohne Kapital auskäme. Doch merkwürdigerweise ist das Kapital im Zuge der jüngsten Neubelebung des wissenschaftlichen Interesses eher vernachlässigt worden und verdient mit Sicherheit etwas mehr Aufmerksamkeit.
Ein ausgesprochen vernünftiger schwedischer Ökonom erklärte einmal: Wenn das "wenig bekömmliche Irish Stew namens 'moderner Kapitalismus'" überhaupt einen Sinn haben soll, muss man es mit der Erforschung des Kapitals in der "Wirtschaftswissenschaft" verknüpfen. Im zweiten Teil meines Kolloquiums will ich versuchen, die anhaltenden, wenn auch vereinzelten Bemühungen zu verstehen, eine Wissenschaft des Kapitals im Rahmen der im Entstehen begriffenen Disziplin der Ökonomie zu entwickeln. Mein Ziel ist es jedoch nicht, in zwanzig Minuten oder so (!) den vielfältigen Schriften gerecht zu werden, die Männer - und ab und an auch eine Frau - über die Ökonomie des Kapitals im Wandel der Zeiten verfasst haben. Stattdessen möchte ich vielmehr die Entstehung eines Kanons zum Kapital in den Wirtschaftswissenschaften untersuchen als meinem eher katholischen Geschmack in Bezug auf wirtschaftswissenschaftliche Theoretiker freien Lauf lassen. Ich zeige, dass die Ökonominnen und Ökonomen seit dem späten 18. Jahrhundert eine recht spezifische Bedeutung des Kapitals entwickelten und ihm eine herausragende Position im Wirtschaftsleben zuwiesen. Dennoch konnten sie sich nicht entscheiden, was das Wesen des Kapitals ausmachte; sie verschleierten die ökonomische Rolle des Kapitals und klärten sie gleichermaßen - und machen ebenso viele Mutmaßungen wie Erklärungsversuche über den Kapitalertrag. Das Ergebnis, das sich in den fortlaufenden "Kapitalkontroversen" des 19. und 20. Jahrhunderts zeigt, war enormer Streit und große Verwirrung in den Wirtschaftswissenschaften hinsichtlich des Wesens, der Funktionen und Erträge des Kapitals. Tatsächlich ist es nicht unfair zu sagen, dass die wirtschaftswissenschaftliche Theorie des Kapitals selbst wie ein "unbekömmliches Irish Stew" daherkommt.
Die Ökonomen ließen diese Kontroversen hinter sich - aber nicht, indem sie die umstrittenen Fragen lösten, sondern indem sie sich auf "Parabeln des Kapitals" einigten, wie ein ziemlich prominenter amerikanischer Ökonom einmal mit entwaffnender Offenheit zugab - nicht ganz so freundliche Beobachter bezeichneten dies allerdings als "Mythologie" des Kapitals. Im dritten Teil meines Vortrags befasse ich mich mit der Geschichte des Wirtschaftslebens, um die beträchtliche und ironische Wirkung zu erklären, die diese Parabeln haben, und zwar auf unser Verständnis von der Position des Kapitals in der Wirtschaft. Allgemein formuliert ist meine These, dass das Kapital - sein Wesen, seine Funktion und sein Ertrag - aus dieser Geschichte hinausgeschrieben wurde, und das wirkt sich katastrophal auf jede ernsthafte Betrachtung der Rolle des Kapitals und des Kapitalertrags in heutigen und vergangenen Gesellschaften aus. In "Capital in the Twenty-First Century" hat Thomas Piketty versucht, dieses Loch mit riesigen Mengen historischer Daten zu füllen, aber bestimmte Parabeln des Kapitals spielen in seiner Analyse immer noch eine entscheidende Rolle. Ich schließe mit der These, dass die Ökonomen eine Wissenschaft vom Kapital entwickelt haben, die vor allem deswegen so wenig erhellend ist, weil sie sich bei der Konstruktion seiner Grundelemente zweifelhafter Methoden bedient haben. Und ich möchte einen bescheidenen Vorschlag für einen stärker historischen (und weniger mutmaßenden) Ansatz machen: als Wegweiser für das wirtschaftswissenschaftliche Nachdenken über das Kapital und was dies für den Kapitalismus bedeuten könnte - in eine Richtung, die für die intelligente Frau vielleicht zufriedenstellender ist.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
O'Sullivan, Mary (2018)
The intelligent woman's guide to capitalism
O'Sullivan, Mary (Oxford, 2016)
Dividends of development : securities markets in the history of US capitalism, 1866-1922
O'Sullivan, Mary (2015)
Yankee Doodle went to London : Anglo-American breweries and the London securities market, 1888–92
O'Sullivan, Mary (2014)
A fine failure : relationship lending, Moses Taylor, and the Joliet Iron & Steel Company, 1869-1888
O'Sullivan, Mary (2010)
Finance capital in Chandlerian capitalism
O'Sullivan, Mary (Cambridge, 2009)
The political economy of global finance capital
O'Sullivan, Mary (2007)
O'Sullivan, Mary (Cambridge, 2007)
The expansion of the U.S. stock market, 1885-1930 : historical facts and theoretical fashions
O'Sullivan, Mary (2003)
The political economy of comparative corporate governance