Hans Michael Heinig, Dr. iur.
Professor für Öffentliches Recht und Kirchenrecht
Georg-August-Universität Göttingen
Geboren 1971 in Lingen (Ems), Deutschland
Studium der Rechts-, Geschichts- und Sozialwissenschaften in Hamburg, Hannover und Bochum
Arbeitsvorhaben
Die Wissenschaft vom Religionsrecht im 19. und 20. Jahrhundert - eine wissenschaftsgeschichtliche Erkundung des deutschen Staatskirchenrechts
Das Forschungsprojekt will die Geschichte des Religions- und Staatskirchenrechts als rechtswissenschaftlicher Teildisziplin für das 19. und 20. Jahrhundert erkunden. Es ist damit an der Schnittfläche von Rechts- und Wissenschaftsgeschichte angesiedelt. Religionspolitischen und religionskulturellen Einbettungen der Wissenschaftsdiskurse wird ebenso nachzugehen sein wie den rechtsmethodischen, staatsrechtlichen und "staatswissenschaftlichen" Kontexten. Zudem ist Wissenschaftsgeschichte als Teil der Rechtsgeschichte immer auch als Netzwerkanalyse zu betreiben und nicht bloß als Ideengeschichte. Es geht, mit anderen Worten, für den Bereich des deutschen Religions- und Staatskirchenrechts um eine Rekonstruktion der wissenschaftlichen Kontroversen und der auf variierende gesellschaftspolitische und mentalitätsgeschichtliche Kontexte reagierenden Paradigmenwechsel, um eine Analyse der (immer auch karrierestrategisch ausgetragenen) Generationenkonflikte, der Zitierkartelle, Freundschaftsbünde und Schulenstreitigkeiten, um eine Einordnung der Distinktionsbemühungen in Form feinsinniger Nuancierungen oder grobschlächtig ausgetragener Animositäten.Die rechtsgeschichtlichen Teildisziplinen sind wissenschaftlicher Selbstzweck und stehen rechtswissenschaftlich immer auch im Dienst eines besseren Verständnisses des geltenden Rechts. Das gilt auch für die hier skizzierte Form von Wissenschaftsgeschichte. Warum hat man was wie diskutiert? Welche Leitparadigmen haben sich warum durchgesetzt? Warum wurden sie wie abgelöst? Welche Sedimente historischer Erfahrungen lagerten sich ein und wie haben sie sich verschoben? Diese Fragen sind aus sich heraus berechtigt. Doch die hohe Pfadabhängigkeit des deutschen Religionsrechts schlägt auch auf seine Deutungsgeschichte durch. Deshalb ist der Blick zurück für die Ausbildung einer angemessenen Gegenwartshermeneutik unverzichtbar.
Lektüreempfehlung
Heinig, Hans Michael und Frank Schorkopf, Hg. 70 Jahre Grundgesetz: In welcher Verfassung ist die Bundesrepublik? Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2019.
Heinig, Hans Michael. Prekäre Ordnungen: Historische Prägungen des Religionsrechts in Deutschland. Tübingen: Mohr Siebeck, 2018.
-. "Verfassung im Nationalstaat: Von der Gesamtordnung zur europäischen Teilordnung?" In: Verfassung als Ordnungskonzept. Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 75: 65-104. Berlin: De Gruyter, 2016.
Kolloquium, 03.03.2021
Repräsentation bei organisiertem Entscheiden: Parlament, akademischer Senat, Synode - ein Werkstattbericht
In den letzten Jahren war oft von der Krise der Repräsentation im Politischen die Rede. Als Indikatoren für eine solche Krise gelten z.B. das Aufkommen populistischer Bewegungen, die Erosion der klassischen Volksparteien oder Debatten über Wahlmodi, über eine Verlagerung der Gewichte weg von repräsentativen hin zu unmittelbaren Demokratieformen und über neue Repräsentationsformen durch Los statt durch Wahl.
Doch was meint politische "Repräsentation" eigentlich genau, wenn man ihr eine Krise bescheinigt? Gehören Debatten zum Verhältnis von Parlamentarismus und Demokratie, von repräsentativer und unmittelbarer Demokratie nicht immer schon zum Kern des normativen Projekts einer verfassungsrechtlichen Moderne? Möglicherweise führt die Rede von "der" Krise der Repräsentation, gar im Singular vorgetragen, in die Irre, weil sie normativ ihrerseits überschießend ist. Vielleicht beobachten wir eher Transformationen, verschiedenste Anpassungen an veränderte Umweltbedingungen und auch Neujustierungen in einem Spannungsverhältnis, das immer schon das organisierte Entscheiden unter Rückgriff auf Repräsentation geprägt hat.
Ausgehend von diesen Beobachtungen soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit die Diagnose einer "Krise" oder "Transformation" der Repräsentation das Recht erfasst oder ob es sich um ein im politischen System und seine Kommunikation isoliertes Phänomen handelt. Schließlich: Um nachzuspüren zu können, ob den aktuellen Debatten um politische Repräsentation eine tieferliegende gesellschaftliche Entwicklung zugrunde liegt, ist der Blick zu weiten. Es sind auch andere Funktionssysteme, z.B. die Wissenschaft oder die Religion, zu betrachten. Hierzu werden exemplarisch Organisationsfragen im deutschen Hochschulsystem und in der evangelischen Kirche angesprochen.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Heinig, Hans Michael (Tübingen, 2021)
Die Krisen der Repräsentation und das evangelische Kirchenrecht
Heinig, Hans Michael (Göttingen, 2019)
70 Jahre Grundgesetz : in welcher Verfassung ist die Bundesrepublik? Siebzig Jahre Grundgesetz
Heinig, Hans Michael (Tübingen, 2018)
Prekäre Ordnungen : historische Prägungen des Religionsrechts in Deutschland
Heinig, Hans Michael (Berlin, 2016)
Verfassung im Nationalstaat : von der Gesamtordnung zur europäischen Teilordnung? Referat
Heinig, Hans Michael (Baden-Baden, 2016)
Enzyklopädie Europarecht ; Bd. 7 ; Europäisches Arbeits- und Sozialrecht Enzyklopädie Europarecht ; Bd. 7
Heinig, Hans Michael (Tübingen, 2015)
Heinig, Hans Michael (Tübingen, 2015)
100 Begriffe aus dem Staatskirchenrecht Hundert Begriffe aus dem Staatskirchenrecht
Heinig, Hans Michael (Göttingen, 2013)
Die "Göttinger" Wissenschaft vom Staatskirchenrecht 1945 - 1969 : von der Koordinationslehre zu freien Kirchen unter dem Grundgesetz Göttinger E-Papers zu Religion und Recht ; 6
Heinig, Hans Michael (Tübingen, 2011)
Eigenwert des Religionsverfassungsrechts
Heinig, Hans Michael (Tübingen, 2008)
Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit : zur Formel vom "sozialen" Staat in Art. 20 Abs. 1 GG Jus publicum ; 175