Georg Nolte, Dr. iur.
Professor für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht
Ludwig-Maximilians-Universität München
Geboren 1959 in Bonn
Studium der Rechtswissenschaft an der Freien Universität Berlin und an der Universität Genf
Arbeitsvorhaben
Grundrechte im transatlantischen Verhältnis - Gemeinsamkeit oder Trennlinie?
Im transatlantischen Verhältnis bestehen auf einer allgemeinen Ebene zweifellos gemeinsame politische und rechtliche Grundvorstellungen: Frieden, Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit sind die unbestrittenen Fixpunkte. Es werden jedoch schnell erhebliche Unterschiede sichtbar, wenn man genauer fragt, mit welchen Methoden Frieden geschaffen werden soll, welche Rolle das Demokratieprinzip in Bezug auf internationale Institutionen spielen soll, mit welchen Mitteln Demokratie in Drittstaaten gesichert werden soll, welche Prioritäten beim Menschenrechtsschutz verfolgt werden sollen und welche Rolle Rechtsstaatlichkeit bei der Gestaltung von Verhältnissen mit extraterritorialen Auswirkungen spielen soll. In dem Forschungsvorhaben soll die Bedeutung fundamentaler Aspekte des Völker- und Verfassungsrechts für das transatlantische Verhältnis anhand charakteristischer Beispiele dargestellt und grundsätzlich reflektiert werden. Hierdurch soll ein Beitrag geleistetwerden, die Frage nach dem sich wandelnden Verhältnis von Europa und den USA angemessen proportioniert zu beantworten.
Lektüreempfehlung
Nolte, Georg. "A Historical Question and Contemporary Responses." In United States Hegemony and the Foundations of International Law, herausgegeben von Michael Byers und Georg Nolte. Cambridge, Mass.: Cambridge University Press, 2003, 491-514.
-. "Messias oder Machiavell? Die Menschenrechtspolitik der USA." In Der Mensch und seine Rechte: Grundlagen und Brennpunkte der Menschenrechte zu Beginn des 21. Jahrhunderts, herausgegeben von Georg Nolte und Hans-Ludwig Schreiber, 86-107. Göttingen: Wallstein, 2004.
-. "European and US Constitutionalism: Comparing Essential Elements." In European and US Constitutionalism, herausgegeben von Georg Nolte, 3-20. Cambridge, Mass.: Cambridge University Press, 2005.
Kolloquium, 13.02.2007
Kulturelle Vielfalt und Völkerrecht
Kulturelle Vielfalt ist ein Begriff, der im Völkerrecht zunehmend verwendet wird. Ich möchte erörtern, welche rechtliche Bedeutung "kulturelle Vielfalt" in unterschiedlichen Bereichen des Völkerrechts besitzt und ob hieraus ein neues allgemeines Rechtsprinzip folgt.
Mein Ausgangspunkt ist die UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen von 2005. Diesem Vertrag liegt ein bestimmtes Verständnis von kultureller Vielfalt zugrunde. Die USA lehnen den Vertrag ab und propagieren ein anderes Verständnis von kultureller Vielfalt. Ist "kulturelle Vielfalt" international also nur ein politischer Kampfbegriff, hinter dem sich (mindestens) zwei unterschiedliche Visionen verbergen?
Kulturelle Vielfalt wird in völkerrechtlichen Texten auch mit biologischer Vielfalt in Verbindung gebracht. Überzeugt diese These und ist sie hilfreich für die Antwort auf die Frage, wie das Ziel kultureller Vielfalt verstanden werden soll? Oder zeigt sich in der Tatsache, daß die USA auch die Konvention zum Schutz biologischer Vielfalt von 1992 ablehnen, im Grund der gleiche Streit wie der über die UNESCO-Konvention, nur in anderem Gewand?
Schließlich spielt kulturelle Vielfalt bei der Interpretation von Menschenrechten eine Rolle. Menschenrechte sind gegenüber kultureller Vielfalt grundsätzlich ambivalent: sie beschränken und sie ermöglichen kulturelle Vielfalt. In jüngerer Zeit stellen sich aber auch zwei weitere Fragen: Dürfen Staaten Menschenrechte einschränken, um kulturelle Vielfalt zu schützen? Und: Müssen Staaten kulturelle Vielfalt durch bestimmte Maßnahmen fördern? Beide Fragen stellen sich insbesondere in Hinblick auf die Behandlung von ethnischen, religiösen und sonstigen Minderheiten. Darf und soll es "Gruppenrechte" geben? Auch in dieser Debatte zeigen sich (mindestens) zwei Grundpositionen, eine US-amerikanische und eine Position, die ich als "mitteleuropäisch" bezeichnen möchte. Für die Antwort auf die Frage, welche Haltung internationale Überwachungsinstanzen zum Schutz der Menschenrechte auf globaler Ebene einnehmen sollen, muß ein Blick auf die Situation auf nicht-westliche Staaten und Gesellschaften geworfen werden.
Mein Ergebnis wird sein, daß der Begriff "kulturelle Vielfalt" im Völkerrecht noch nicht so weit entwickelt ist, um aus ihm bestimmte Rechtsfolgen ableiten zu können. Allerdings ist der Begriff Ausdruck einer neuen Sensibilität und einer neuen Sichtweise, die zu einer veränderten Interpretation gegebener völkerrechtlicher Normen beitragen können.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Nolte, Georg (2008)
Kulturelle Vielfalt als Herausforderung für das Völkerrecht
Nolte, Georg (2008)
Das Verfassungsrecht vor den Herausforderungen der Globalisierung
Nolte, Georg (Berlin, 2008)
Die Leistungsfähigkeit der Wissenschaft des Öffentlichen Rechts : Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Freiburg i.B. vom 3. bis 6. Oktober 2007 Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer ; 67
Nolte, Georg (Heidelberg, 2008)
Pluralistische Gesellschaften und Internationales Recht : Referate und Thesen ; [30. Zweijahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, die vom 21.-24.3.2007 statt fand ... Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg] Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht ; 43
Nolte, Georg (Paris, 2005)
Le droit international face au défi américain Cours et travaux ; 6
Nolte, Georg (Cambridge [u.a.], 2005)
European and US constitutionalism
Nolte, Georg (Cambridge [u.a.], 2003)
United States hegemony and the foundations of international law
Nolte, Georg (Berlin [u.a.], 1999)
Intervention upon invitation Intervention upon invitation
Nolte, Georg (Berlin, 1992)
Defamation law in democratic states Defamation law in democratic states