Martin Stritt, Dr. phil.
Kunstgeschichte
London
Geboren 1957 in Freiburg/Breisgau
Studium der Kunstgeschichte in Wien und Hamburg
Arbeitsvorhaben
Isis
Schon in den ältesten Zeugnissen vereint die Göttin Isis menschliche und kosmische Wesenszüge. Sie findet, birgt und bestattet die Leiche des Osiris, aber sie erweckt ihn auch zu neuem Leben und empfängt das Kind Horus von ihm. Sie umtanzt und umarmt weinend den Toten und jubelt vor Freude über seine Wiederbelebung und die Geburt des Kindes, sie säugt es am Busen und beschützt es vor allen alltäglichen Gefahren, aber sie ist es auch, die Osiris zum Herrscher der Unterwelt, und Horus als König Ägyptens einsetzt und ihn als Steuermann in die Sonnenbarke des Re versetzt. Ihre Sorge um die Hilflosesten gewährt den kosmischen Bestand. In ihr ist Geburt mit Bestattung, das Säugen des Kindes mit der Erleuchtung der Todesnacht, der Lauf des Lebens mit dem Lauf der Gestirne identifiziert.In dreitausend Jahren geht sie immer weitere Verbindungen zu anderen Göttern ein, so dass sie zu guter Letzt als die große Göttin Ägyptens verehrt wird.
Die Griechen assimilieren Isis als Demeter, Osiris als Dionysos, und Horus als Apollon. Diese hellenische "Heilige Familie" (vor den hellenistischen Isis-Sarapis-Harpokrates) verweist vermutlich auf eine vor-olympische Götterwelt. Die Bilder dieser Götter stellen eine Verwandtschaft her, indem sie Demeter, Dionysos und Apoll, und offenbar keinem anderen, drei sich wellende Strähnen hinterm göttlichen Ohr hervor auf die Schultern fallen lassen.So gelockt verbreitet sich Isis über die gesamte griechisch-römische Welt, während zugleich, vornehmlich in Wort und Schriftform, der christliche Erlösergott seinen Siegeslauf antritt. Die zu dessen Menschlichkeit notwendige Mutter spielt dabei keine große Rolle. Der Imperator Konstantin erkennt
jedoch in Christus sein himmelsgöttliches Alter Ego, und die Mutter Gottes hält in Konstantinopel triumphalen Einzug ins Staats-Christentum.
Es haftet ihr nun aber der Ruch des "apokalyptischen Weibes" an; und in der Reformation wird sie endlich in die schriftliche Bedeutungslosigkeit zurückverwiesen. Dennoch wurde ihr eine der kühnsten Architekturen des Protestantismus, die Dresdener
Frauenkirche, gewidmet und in der Aufklärung erfuhr sie sogar unter ihrem alten Namen neue Verehrung - wenngleich in der Gestalt der Nemesis.
Lektüreempfehlung
Stritt, Martin. Die Schöne Helena in den Romruinen: Überlegungen zu einem Gemälde Maarten van Heemskercks. Frankfurt/Main: Stroemfeld, 2004.
Kolloquium, 26.06.2007
ISIS
Schon in den ältesten Zeugnissen vereint die Göttin Isis menschliche und kosmische Wesenszüge. In den Pyramiden- und Sargtexten des 3. Jahrtausends v. Chr. findet, birgt und bestattet sie die Leiche des Osiris, aber sie erweckt ihn auch zu neuem Leben und empfängt das Kind Horus von ihm.
Sie umtanzt und umarmt weinend den Toten und jubelt vor Freude über seine Wiederbelebung und die Geburt des Kindes, sie säugt es mit Milch an ihrer Brust, aber sie ist es auch, die den Verstorbenen mit Sternenlicht am Horizont säugt und als Himmelskörper ins ewige Leben führt. Sie ist die Göttin des Throns, sie macht Horus zum neuen König Ägyptens, so wie sie Osiris zum Herrscher der Unterwelt einsetzt. Ihre Sorge um die Hilflosesten gewährt den natürlichen, gesellschaftlichen und kosmischen Bestand. In dreitausend Jahren geht sie immer weitere Verbindungen zu anderen Göttinnen ein, sodass sie zuletzt als die Grosse Göttin Ägyptens verehrt wird.
Um 500 v. Chr. haben die Griechen Isis als Demeter, Osiris als Dionysos und Horus als Apollon assimiliert. Diese "Heilige Familie" scheint auf eine vor-olympische Götterwelt zu verweisen. In den Bildwerken zeigt sich die Verwandtschaft, indem Demeter, Dionysos und Apoll, und offenbar keinem anderen, drei sich wellende Strähnen hinter dem göttlichen Ohr hervor auf die Schultern fallen.
So gelockt verbreitet sich Isis über die gesamte griechisch-römische Welt, derweil, in Wort und Schrift, der Christliche Erlöser seinen Siegeslauf antritt. Der zu seiner Menschlichkeit nötigen Mutter kommt Anfangs keine Bedeutung zu, aber als der Imperator Constantin um 312 in Christus sein himmlisches Alter Ego erkennt, hält bald darauf die thronende Mutter Gottes triumphalen Einzug ins Staatschristentum.
Im Mittelalter erscheint sie auch im barbarischen Westen wieder, um als Madonna dell'humilità, am Boden sitzend, im 14. Jahrhundert Europa zu transformieren. Noch immer säugt sie das Kind an der Brust, rettet die Seelen, schützt die Könige und fährt auf dem Mond durch den Himmel.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Stritt, Martin (Frankfurt am Main [u.a.], 2004)
Die schöne Helena in den Romruinen : Überlegungen zu einem Gemälde Maarten van Heemskercks