Asef Bayat, Ph.D.
Catherine and Bruce Bastian Professor of Global and Transnational Studies
University of Illinois, Urbana-Champaign
Born in 1954 in Tehran
Studied Social Sciences and Political Sociology at the University of Kent
Arbeitsvorhaben
Everyday Life and Revolutions
How do extraordinary revolutions link to the daily lives of ordinary people? In this project, I intend to tell the story of the revolutions in Egypt and Tunisia from the perspective of ordinary people - the urban poor, marginalized youths, and women. I want to narrate how these subaltern groups acted once the uprisings started and what happened to them after the revolution, when the dictators were toppled. As I discuss in my book Life as Politics (2013), a great deal was happening in the domain of subaltern activism before the uprisings. The urban poor were involved in the daily struggle to survive and improve their life chances by encroaching on the propertied and powerful, that is, by building extra-legal shelters, extending urban services to their habitat, or extending themselves into the street subsistence economies. Muslim women were involved in everyday battles to enhance their rights - in NGOs, educational institutions, and courthouses. And the youths were engaged in efforts to claim their "youthfulness". But these were fragmented and dispersed struggles often in the form of "non-movements", collective efforts of disparate actors, yet ones that kept them in constant mobilization. So, when the political protests organized by the youth activists began, these subaltern groups were ready to join. The political climate following the downfall of the dictators offered opportunities for the "non-movements" to assume more organized and coordinated forms, before they returned to the "non-movement" repertoire when the new rulers showed little support for subaltern concerns. I tell the story of the revolutions from the perspective of the subaltern; this places the narratives within the analytical framework that explores, and makes sense of, the relationship between everyday life, the mundane, and the ordinary, on the one hand, and rupture and extraordinary revolutions, on the other.Recommended Reading
Bayat, Asef. "Plebeians of the Arab Spring." Current Anthropology 56, S11 (October 2015): 33-43.
-. Life as Politics: How Ordinary People Change the Middle East. Stanford: Stanford University Press, 2013 (2nd edition).
-. Making Islam Democratic: Social Movements and the Post-Islamist Turn. Stanford: Stanford University Press, 2007.
-. Street Politics: Poor People’s Movements in Iran. New York: Columbia University Press, 1997.
Kolloquium, 21.02.2017
Kleine Leute, große Revolutionen
Wie erklären wir die Verbindung zwischen dem Leben der normalen Menschen und außergewöhnlichen Revolutionen, zwischen dem Banalen und dem Monumentalen, zwischen Alltagsroutine und folgenreichem Bruch? In meinem Buch, das ich am Wissenschaftskolleg schreibe - Everyday of the Arab Spring - möchte ich die Geschichte der arabischen Revolutionen aus der Perspektive der kleinen Leute erzählen - der Armen in der Stadt, der marginalisierten Jugendlichen, der Frauen - und mich dabei auf Ägypten und Tunesien konzentrieren. Ich hoffe, dass eine solche Erzählung vielleicht auch dazu beiträgt, die überraschte Frage zu klären, wie die spektakulären Aufstände aus Gesellschaften hervorgehen konnten, die als politisch unfähig und stabil galten.
In meinen früheren Arbeiten habe ich darauf hingewiesen, dass im Gegensatz zu dem, was man sich vorstellte - "fügsame Gesellschaften", "passive Bürger", "stabile autoritäre Regime" - in den arabischen Gesellschaften eine Menge unter der Oberfläche geschah: Entwicklungen, die sich erheblich auf die arabischen Aufstände auswirkten, jedoch unentdeckt blieben, weil es an analytischem Werkzeug mangelte, um sie zu erfassen. Ich nenne sie soziale "Nicht-Bewegungen" - kollektive Aktionen von nicht kollektiven Akteuren, gemeinsame und provokative Praktiken verstreuter Individuen und Familien, die danach streben, ihre Lebenschancen auf oft stille Weise zu verbessern, langfristig jedoch dazu führen, dass sich in der Gesellschaft alternative Normen etablieren, mit denen die Eliten dann zu kämpfen haben.
Diese normalen Menschen und ihre "Nicht-Bewegungen" wollten keinen Regimewechsel oder Revolutionen anführen. Doch als junge Aktivisten 2011 umfangreiche Straßenproteste organisierten, transformierten sich die Nicht-Bewegungen dieser subalternen Gruppen zu einer kollektiven und provokativen Kraft und gingen in Unruhen über, die man später als Aufstände des arabischen Frühlings bezeichnete. Tatsächlich verschob die Teilnahme der kleinen Leute das Bild der Proteste vom "Aktivismus an den Rändern" von "radikalen Jugendlichen" hin zu einer Angelegenheit, die dem gesellschaftlichen Mainstream entsprang. Als die Autokraten gestürzt waren, kam es nach den Aufständen zu einem beispiellosen Anstieg des allgemeinen, aggressiven Kampfgeistes an der Basis. Den zuvor verstreuten Armen, Frauen, Jugendlichen und gesellschaftlichen Minderheiten bot der Zusammenbruch der polizeilichen Kontrolle und der Staatsmaschinerie neue Chancen, um sich Hab und Gut anzueignen, sozialstaatliche Leistungen zu beanspruchen (z. B. eine öffentliche urbane Infrastruktur), soziale Gleichheit einzufordern und eine Identität geltend zu machen - sie wurden sichtbar, hörbar und organisierten sich. Doch während sich die postrevolutionären Staaten allmählich konsolidierten, schien die subalterne Bevölkerung wieder zu ihren stillen und anspruchslosen Nicht-Bewegungen zurückzukehren.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Bayat, Asef (Marburg, 2017)
Bayat, Asef (Stanford, California, 2013)
Life as politics : how ordinary people change the Middle East
Bayat, Asef (2013)
Bayat, Asef (Oxford [u.a.], 2013)
Post-Islamism : the changing faces of political Islam
Bayat, Asef (Berlin, 2012)
Leben als Politik : wie ganz normale Leute den Nahen Osten verändern Life as politics <dt.>
Köpfe und Ideen 2017
„Ich sehe die Möglichkeit, dass etwas Gutes entsteht.“
Asef Bayat im Interview mit Sonja Zekri