Andrea F. Bohlman, Ph.D.
Music
University of North Carolina at Chapel Hill
Born in 1982 in Madison, Wisconsin, USA
Studied Musicology at Stanford University
Fellowship
EURIAS-Fellow
Arbeitsvorhaben
Fragile Sound, Quiet History: Music and Unofficial Media in Communist Poland
This project illuminates the intersection of creativity and materiality across three vibrant amateur sound recording networks in twentieth-century East Central Europe: reel-to-reel recordings in the 1950s, homemade records in the 1960s and 1970s, and cassette tapes in the 1980s. Responding to the material losses of World War II and the constraints of state socialism in Poland, untrained recordists took recourse to sound media to command agency. Amateurs embraced the impermanence of these flimsy and malleable materials in order to create places for music in everyday life. Their work issues a challenge to the assumption that recording is a tangible means to counter sound’s ephemerality and exposes the importance of aural culture under communism.Recommended Reading
Bohlman, Andrea F. "Solidarity, Song, and the Sound Document." Journal of Musicology 33, 2 (Spring 2016): 232-269.
-. "‘Where I Cannot Roam, My Song Will Take Wing’: Polish Cultural Promotion in Belarus, 1988." In Music and International History in the Twentieth Century, edited by Jessica C. E. Gienow-Hecht, 226-255. New York and Oxford: Berghahn Books, 2015.
Bohlman, Andrea F. and Florian Scheding. "Hanns Eisler on the Move: Tracing Mobility in the Reisesonate." Music & Letters 96, 1 (2015): 77-98.
Kolloquium, 07.03.2017
Klangartefakte
Wachswalzen, Schellackplatten, Vinyl-Langspielplatten, Tonbänder und Kassetten, Mini-Discs, mp3. Dieses Defilee der Dinge (und noch einige mehr) prägt die Geschichte der Tonaufnahmen seit dem späten 19. Jahrhundert. Sie vervielfältigen die Orte und Räume, an und in denen Musik gemacht und gehört werden kann. Sie verändern unsere persönliche Beziehung zum Hören, ob wir auf dem Sprung sind, das Auto nach CDs durchwühlen oder religiöse Texte mit unseren digitalen Mobilgeräten rezitieren. Sie ergänzen und erweitern mündliche Überlieferungen und andere Hörpraktiken, helfen bei Hörbehinderungen und verursachen diese gleichzeitig. Wir können Klangartefakte sammeln, verkaufen, herstellen, transportieren und stehlen. Kurz - sie stellen viel mehr als eine epistemologische Verschiebung in der Aufzeichnung von Klängen (und folglich auch von Musik) dar. Angesichts des jahrhundertelangen Schwerpunkts auf der Verschriftlichung von Musik - Notation, Beschreibung und Transkription - bedeuten sie nicht nur eine Neuorientierung hin zum Speichern und Erhalten. Klangaufnahmen durchströmen unser Leben im 21. Jahrhundert und machen uns mehr Musik zugänglich; gleichzeitig bestärken sie uns darin, uns Klängen und Stimmen hinzugeben, die uns trösten und aufbauen. Sie lassen auch offen oppositionelle und postkoloniale Bruchlinien aufreißen, indem sie die Verbreitungswege von Kultur neu ausrichten. Bei der Bestätigung politischer und ökonomischer Macht spielt der Bestand von Klangartefakten ebenfalls eine zentrale Rolle. Der hartnäckige Mythos der Wirklichkeitstreue - die Vorstellung, dass der kulturelle Wert von Aufnahmen vor allem in der Verdoppelung gelebter Erfahrung besteht - gründet in der fundamentalen Umkehrung der Ontologie des Klangs. Anstatt dass Klang sich in der (und als) Zeit ereignet, kann er die Zeit zum Einsturz bringen. Mit den Fingerspitzen auf der play-Taste können wir uns vorstellen, wir seien Zeitreisende. Da Aufnahmen mit unseren Erinnerungen spielen, beschwören sie auch Geister herauf; manch ein Musiker hat sich Technologien zugewandt, um sich den Klang der Zukunft vorzustellen.
Mein Vortrag beginnt mit allgemeinen Bemerkungen zum kritischen Hören als einer historischen und ethnografischen Methode, die nicht notwendigerweise musikwissenschaftlich - weder bezüglich der Ausbildung noch des Zwecks - sein muss. Dann gebe ich der lockeren und verallgemeinernden Erzählung, die ich eben entfaltet habe, eine bestimmte Richtung, indem ich bestimmte Objekte aus dem polnischen Kontext genauer betrachte. Ich konzentriere ich auf zwei kostengünstige, bespielbare und selbstgemachte Klangformate - die Flexidisc und das Mixtape; diese Themen stammen aus meinem größeren Forschungsvorhaben über Hörkultur und inoffizielle Medien im Polen des späten 20. Jahrhunderts. Flexidiscs wurden von Amateuren hergestellt und dekoriert; sie bestanden aus Papier und billigem Laminat, wurden über inoffizielle Kanäle verbreitet und waren von dem häufigen Abspielen oft stark abgenutzt. Ich nehme die Heimarbeit der Hersteller dieser verbotenen Waren unter die Lupe und verknüpfe Arbeit und privates Hören - was solche Schwarzpressungen erforderten -, mit anderen Ökonomien (und Ästhetik) des Kunsthandwerks unter dem Staatssozialismus. Im Unterschied zur Flexidisc erleichterte die Wiederverwendbarkeit von Kassetten die demokratische Debatte für die sozialen Bewegungen der 1980er Jahre. Indem ich die Kassetten anhöre - ein Prozess, der an die ethnografischen Begegnungen mit ihren Machern anknüpft -, erforsche ich die Hörbarkeit von Arbeit an und auf den verrauschten Aufnahmen dieses fragilen Mediums. In vergleichender Perspektive lassen Flexidiscs und Kassetten erkennen, wie die Leute Klangobjekte herstellen und was die Hörer und Hörerinnen früher und heute hören können. Letztlich und idealerweise soll Sie das Kolloquium in das Nachdenken über kritisches Hören einführen und wie sich dies mit den Methoden Ihrer eigenen Arbeit überschneidet oder auch nicht - und natürlich sollen die Artefakte zu hören sein, damit wir ihre Resonanz diskutieren können.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Bohlman, Andrea F. (2017)
Bohlman, Andrea F. (2016)
Solidarity, song, and the sound document
Bohlman, Andrea F. (2015)
"Where I cannot roam, my song will take wing" : Polish cultural promotion in Belarus, 1988
Bohlman, Andrea F. (2013)
Bohlman, Andrea F. (2013)
Eurovision everywhere : a kaleidoscopic vision of the Grand Prix