Thomas Kaufmann, Dr. theol.
Professor für Kirchengeschichte
Georg-August-Universität Göttingen
Geboren 1962 in Cuxhaven, Deutschland
Studium der Theologie und Geschichte in Münster, Tübingen und Göttingen
Arbeitsvorhaben
Der „deutsche Bauernkrieg“ – Eine Geschichte frühneuzeitlicher Publizistik
Im Zentrum meiner Forschungen wird der „Bauernkrieg“ der Jahre 1524/25 stehen, ein Ereignis, dem nicht nur in der zeitgenössischen Öffentlichkeit, sondern auch in der Retrospektive eine umfassende Aufmerksamkeit zuteilwurde. Manches spricht dafür, dass der Publizistik eine entscheidende Bedeutung bei der Entstehung dieser komplexen Aufstandsbewegung zukam und dass es eben dieser Aspekt war, der sie von älteren Bauernaufständen des späten 15. und des frühen 16. Jahrhunderts unterschied. Das Ziel der geplanten Darstellung besteht darin, den Gesamtzusammenhang des Bauernkriegs aus einer medialen Perspektive zu rekonstruieren. Dabei sollen neben Texten aller Art auch Bilder eine zentrale Rolle spielen. Insbesondere die Frage, inwiefern die Publikationen ihrerseits Handlungen evoziert und zu Polarisierungen geführt haben, wird eine wichtige Rolle spielen. Zugleich gilt es natürlich auch, die den bäuerlichen Kulturen eigenen Medien konstitutiv in die Perspektive einzubeziehen. Eine aus meiner Sicht bisher nicht befriedigend geklärte Aufgabe besteht sodann darin, den Zusammenhang des Bauernkriegs mit der Reformation zu beschreiben. Dabei gehe ich davon aus, dass die insbesondere von Luthers Publikationen ausgehenden Impulse weitaus wirksamer gewesen sind, als es im Lichte der Verwerfungen des Jahres 1525 und der konfessionellen Memoria angemessen erschien.Lektüreempfehlung
Kaufmann, Thomas. Universität und lutherische Konfessionalisierung. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 1997.
–. Luthers Juden. 3., durchges. Aufl. Stuttgart: Reclam, 2017.
–. Die Mitte der Reformation: Eine Studie zu Buchdruck und Publizistik im deutschen Sprachgebiet, zu ihren Akteuren und deren Strategien, Inszenierungs- und Ausdrucksformen. Tübingen: Mohr Siebeck, 2019.
Kolloquium, 04.04.2023
Der Bauernkrieg (1525) – ein Medienereignis
Der „Bauernkrieg“ gilt als ein zentrales Ereignis der deutschen Geschichte. Angesichts vieler vergessener Kriege und der im Vergleich mit den Verhältnissen des 19. und 20. Jahrhunderts geringen Zahl seiner Opfer, ca. 100.000 Bauern, ist das Interesse an diesem Krieg nicht ohne weiteres verständlich. Es gründet in der kontroversen Deutung, die ihm vor allem infolge von Friedrich Engels Studie „Der deutsche Bauernkrieg“ (1. Aufl. 1850; 2. Aufl. 1870) zuteilge-worden ist. Engels interpretierte den Bauernkrieg als Revolution, bei der Bauern und städtische Unterschichten kooperierten und die feudale Ordnung fundamental attackierten. Als Führer der Bauern galt ihm der Theologe Müntzer. Luther repräsentierte hingegen ein frühes Bürgertum, das sich mit dem Adel gegen die Bauern verbündet habe. Dieses Narrativ und seine Bestreitung dominierten auch noch die Deutungen, die zwischen den Historikern der beiden deutschen Staaten zwischen 1949 und 1989 kontrovers waren. Insofern ist die Deutung des Bauernkriegs Teil einer gespaltenen deutsch-deutschen Erinnerungskultur.
Im Rahmen des Buchprojektes, das ich am Wiko verfolge, rekonstruiere ich den Bauernkrieg als ein Phänomen der Publizistik. Im Unterschied zu den vorangegangenen Bauernaufständen des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts, bei denen der Buchdruck keine Rolle spielte, war dies 1525 anders. Ein wesentlicher Grund dafür liegt darin, dass sich in den Jahrzehnten zuvor in Druckgraphik und Literatur ein verändertes Bild des Bauern etabliert hat. Sodann bedien-ten sich die Bauern selbst – oder als Agenten ihrer Interessen auftretende Akteure – der Druckpresse. Ausgehend von Oberschwaben wurde durch diese Publikationen ein kommunikativer Zusammenhang zwischen verschiedenen Regionen im Reich hergestellt. Dabei spielten die Zwölf Artikel aller Bauernschaft, die meines Wissens meistgedruckte Flugschrift der Reformationszeit, eine zentrale Rolle. Diejenigen Bauernschaften, die in einen offenen Konflikt mit ihren jeweiligen Obrigkeiten eintraten, hatten sich diesem Programmtext angeschlossen. Er trat mit dem markanten Anspruch auf, für die gesamte Bauernschaft im Reich zu sprechen; er kreierte damit in gewisser Weise, was er zu repräsentieren behauptete. Allerdings besteht Anlass zu bezweifeln, dass die Zwölf Artikel in einem direkten Zusammenhang mit der Bauernschaft standen. Aufgrund der Publizistik verselbständigte sich die Konfliktdynamik. Damit wurde der Bauernkrieg wohl zum ersten militärischen Konflikt, der durch die Druckpresse ausgelöst und begleitet wurde.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Kaufmann, Thomas ([Gütersloh], 2024)
Kritische Gesamtausgabe ... ; Band 7 ; Briefe und Schriften 1524 Kritische Gesamtausgabe der Schriften und Briefe Andreas Bodensteins von Karlstadt ; Band 7
Kaufmann, Thomas (Leipzig, 2024)
Kairos und Memoria : Luther in Worms
Kaufmann, Thomas (Freiburg, 2024)
Der Bauernkrieg : ein Medienereignis
Kaufmann, Thomas (Tübingen, 2024)
Kaufmann, Thomas (Zürich, 2023)
Kaufmann, Thomas (2023)
Johannes Hess' frühe theologische Entwicklung und ihre Bedeutung für die Breslauer Reformation
Kaufmann, Thomas (2023)
Kaufmann, Thomas (Frankfurt, Main, 2023)
Kaufmann, Thomas ([Gütersloh], 2023)
Kritische Gesamtausgabe ... ; Band 6 ; Briefe und Schriften 1523 Kritische Gesamtausgabe der Schriften und Briefe Andreas Bodensteins von Karlstadt ; Band 6
Kaufmann, Thomas (Oxford, 2023)
The saved and the damned : a history of the reformation Erlöste und Verdammte