Isabel Mundry
Professorin für Komposition und Musiktheorie, Komponistin
Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt a. M.
Geboren 1963 in Schlüchtern
Kompositionsstudium an der Hochschule der Künste Berlin und an der
Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt a. M. sowie
Musikwissenschaft, Philosophie und Kunstgeschichte an der TU Berlin
Arbeitsvorhaben
"Ein Atemzug, die Odyssee" für die Deutsche Oper Berlin
Kompositorische Arbeit an einem Musiktheater mit dem Titel "Ein Atemzug, die Odyssee" für die Deutsche Oper Berlin. Die Komposition setzt sich thematisch mit dem Stoff der Odyssee auseinander, ohne diesen im strengen Sinne in eine Bühnenmusik zu übertragen. Wesentliche "Leitmotive" des Buches, wie Erinnern - Vergessen, Warten - Treiben, Suchen - Finden, Bewegung - Stillstand etc., werden auf verschiedenen parametrischen Ebenen der Oper ausgeleuchtet. Licht, Bild, Orchester, Solist, Tänzer, Chor und Raum - sie alle begeben sich in diesem Stück auf eine kompositorisch inszenierte Odyssee.Die Arbeit entsteht in enger Zusammenarbeit mit der Choreographin und Regisseurin Reinhild Hoffmann und der Dramaturgin Theresia Birkenhauer, die beide in Berlin leben. Der üblichen Trennung zwischen Entstehung der Partitur und der Regie versuchen wir entgegenzuwirken, indem bereits während der kompositorischen Arbeit Fragen der Inszenierung diskutiert werden.
Hinweis für Mit-Fellows
Ich bin prinzipiell daran interessiert, Fragen, die mich in der künstlerischen Arbeit beschäftigen, im interdisziplinären Dialog zu durchleuchten. Derzeit interessieren mich insbesondere Aspekte der Raumwahrnehmung, und ich suche strukturelle Erkenntnisse aus Vergleichen zwischen Musik, Architektur und Stadtplanung zu gewinnen.
Lektüreempfehlung
"Flugsand", Komposition für raumverteiltes Orchester, Breitkopf und Härtel 1998, CD.
"Ferne Nähe" für Streichquartett und raumverteiltes Orchester, Breitkopf und Härtel 2001.
"no one" für Streichquartett, Breitkopf und Härtel 1995.
Kolloquium, 13.01.2003
Choreographie des musikalischen Raumes
Musikalisches Denken ist immer auch räumliches Denken. Musik beschäftigt sich mit Phänomenen wie Dichte und Leere, mißt Distanzen und Proportionen und stellt bei jedem Werk die Frage, was einen musikalischen Raum konstituiert, in einer Welt von Geräuschen und Klängen, die uns permanent umgibt. Dabei erfaßt der Raumbegriff seit jeher mehrere Parameter der Musik, beginnt bei den Schwingungsverhältnissen eines einzelnen Tones (ein Geigenton entfaltet eine andere Räumlichkeit als ein Flötenton) und seiner Dynamik, erfaßt Höhen und Tiefen eines Klanges, Relationen zwischen musikalischen Elementen und Gestalten, zeitliche Proportionen, die Aufstellung der Instrumente und schließlich den Ort der Aufführung : Kammersaal, Konzerthaus, Straße oder Kopfhörer...
Lassen sich in der Musikgeschichte epochengreifende Raumvorstellungen nachzeichnen, die dem einzelnen Werk in je besonderer Form eingeschrieben sind (und zu denen es sich nicht selten als Dissonanz verhält), wie Tonraummodi im Mittelalter, Formarchitekturen in Barock und Klassik etc., so ist die Grunderfahrung heutigen Komponierens ein aufgefächerter Raumbegriff, in dem die Erfahrung seiner Geschichtlichkeit ebenso präsent ist, wie die seiner Leere.
Anhand dreier Kompositionen, die ich in den vergangenen Jahren geschrieben habe, möchte ich nachzeichnen, wie räumlich- visuelle Eindrücke zu innermusikalischen Gedanken werden, die Phänomene des musikalischen Raumes in verschiedener Weise ausleuchten.
1. Das Orchesterstück "Flugsand" ist im konkreten Sinne eine räumliche Komposition, als die Instrumente kreisförmig um das Publikum herum positioniert sind. Angeregt durch photographische Arbeiten des Künstlers Thomas Wrede, in denen Staubspuren von gegen Fenster geflogenen Vögeln sichtbar gemacht werden, bin ich der Frage nachgegangen, was das Innenleben eines Augenblickes, und was sein Ort ist, und was es mit der Präsenz des Augenblickes auf sich hat, wenn sein Ende nicht zugleich das Ende der Musik bedeutet.
2. Die Kammermusik "Traces des Moments" greift den Gedanken des Augenblicks auf, beschäftigt sich aber vornehmlich mit seiner zeitlichen Spur. Inspirierend war hier die Begegnung mit japanischen Gärten, wo sich in der Spannweite von zeitlosen Kiesformationen und zufällig fallendem Laub verschiedene Ebenen von Zeitlichkeit entfalten, die sich gegenseitig bespiegeln. Ein Raum ist in dieser Komposition gleichzusetzen mit einem Takt, und dieser verhält sich zur Architektur des Werkes wie ein Zimmer zu seinem Gebäude.
3. "Solo auf Schwellen" ist schließlich ein räumliches Stück für nur ein Instrument, einer Trompete mit zwei anstelle eines Schalltrichters, zwischen denen man mit einem Ventil hin- und herschalten kann. Dieses Stück beschäftigt sich vornehmlich mit dem Phänomen der Schwelle : Übergang, Zwischenraum, Stolperstein, flüchtiger Moment, Ort der Verwandlung, des Zögerns, gelegentlich der Angst. Der Gedanke ist naheliegend, bei einer Trompete mit zwei Trichtern die Schwelle zwischen diesen anzusiedeln, doch die Komposition handelt davon, daß eine Schwelle überall entstehen kann, wo ein Raumgefühl sich auflöst - mitten in einer leeren Fläche, bei einem Schritt ins Dunkel, am Ende eines Tons.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Mundry, Isabel (2010)
Atem - Schrift: Gedanken zur Musik von Toshio Hosokawa
Mundry, Isabel (2008)
Bemerkungen zu Hans Zenders "Shir Hashirim"
Mundry, Isabel (Wiesbaden (u.a.), 2002)
Gefalteter Augenblick : für Orchester in 3 Gruppen ; Partitur ; [Noten]
Mundry, Isabel (Wiesbaden (u.a.), 2002)
Spiegel Bilder : für Klarinette in B und Akkordeon ; for clarinet in Bb and accordion ; [Noten] Edition Breitkopf ; 9105
Mundry, Isabel (Wiesbaden [u.a.], 2002)
Solo auf Schwellen : für Trompete mit zwei Schalltrichtern Solo auf Schwellen
Mundry, Isabel (Wiesbaden (u.a.), 2001)
Ferne Nähe : für Streichquartell und Orchestergruppen ; [Noten]
Mundry, Isabel (Adenbüttel, 2000)
Mundry, Isabel (2000)
Anagramm : für Stimme und Klavier
Mundry, Isabel (Mainz, 1999)
Le silence - Tystnaden Edition Zeitgenössische Musik