Georg Striedter, Ph.D.
Professor der Neurobiologie
University of California, Irvine
Geboren 1962 in Berlin
Studium der Neurobiologie und Verhaltensforschung an der Cornell University und der Neurowissenschaften an der University of California, San Diego
Schwerpunkt
Brain Evolution
Arbeitsvorhaben
Prinzipien der Evolution des Gehirns bei Wirbeltieren
Although the relationship between development and evolution has become a "hot" research topic in many areas of biology, it has been largely ignored in the neurosciences. Indeed, most developmental neurobiologists know little about brain evolution and most evolutionary neurobiologists are interested primarily in the homologies and history of brain evolution, not in development. This lack of communication between the developmental and evolutionary neurobiologists has reinforced the widespread impression that brain evolution is governed largely by chance and devoid of general laws or regularities. As an antidote to this belief, I will write a book that uses both ontogenetic and phylogenetic data to show that there are at least some general principles of brain evolution. The book's implicit aim will be to show how evolutionary neurobiology can transcend its naturalistic roots and be a non-speculative science.Remarks for Other Fellows
I also have a strong interest in animal communication and neuroethology. My web site is: http://darwin.bio.uci.edu/neurobio/Faculty/Striedter/striedter.htm
Recommended Reading
Striedter, Georg F. "Progress in the study of brain evolution." The Anatomical Record (New Anatomist) 253 (1998): 105-112.
-. "Stepping into the same river twice: homologues as attractors in epigenetic landscapes." Brain, Behavior, and Evolution 52 (1998): 218-231.
-. "The telencephalon of tetrapods in evolution." Brain, Behavior and Evolution 49 (1997): 179-213.
Kolloquium, 12.11.2002
Das menschliche Gehirn aus dem Blickwinkel der Evolution
Manchmal wird die vergleichende Neurobiologie als eine eher spekulative Übung betrachtet, die hauptsächlich versucht, einzelne historische Ereignisse zu rekonstruieren und zu erklären. Das ist jedoch eine zu enge Sicht, denn es gibt wahrscheinlich einige Prinzipien oder gar 'Gesetze', die man nutzen kann, um die Evolution von Hirnen zu verstehen. Im heutigen Vortrag möchte ich mit einem Überblick über mein gesamtes Projekt beginnen, mich aber dann auf nur eine Frage konzentrieren: was unterscheidet das menschliche Gehirn von dem anderer Primaten?
Die Frage ist ebenso alt wie kontrovers. T. H. Huxley und viele andere vergleichende Neuroanatomen haben die Auffassung vertreten, dass sich die Hirne von Menschen und Affen im wesentlichen gleichen; doch diese Autoren hatten Schwierigkeiten zu erklären, warum sich das Verhalten von Menschen und Affen so stark unterscheidet. Anderseits konnten Richard Owen und andere, die große Unterscheide zwischen dem Gehirn von Menschen und Affen zu sehen glaubten, diese Unterschiede nicht fehlerfrei beweisen. Heute sind sich die meisten Neurobiologen offenbar einig, dass die Unterschiede zwischen Menschen- und Affenhirnen 'nur quantitativ' sind; doch an welchem Punkt werden aus quantitativen Unterschieden qualitative? Und könnte es nicht sein, dass wir uns auf die quantitativen Unterschiede nur deshalb konzentrieren, weil sie leichter zu messen und zu erklären sind? Ich meine dazu, dass quantitative Unterschiede zwischen Affen- und Menschenhirnen sehr wohl mit qualitativen Unterschieden in der zerebralen Konnektivität und Funktion verbunden sind und sein müssen.
Der augenfälligste Unterschied zwischen Affen- und Menschenhirnen ist, dass das menschliche Gehirn sehr viel größer ist und auch viel mehr Neuronen hat. Theoretische Überlegungen zeigen, dass die neuronale Konnektivität (i.e., wie direkt jedes Neuron mit jedem anderen verbunden ist) abnehmen muss, wenn die Zahl der Neuronen wächst. Daher könnte man vorhersagen, dass beim Menschen die verschiedenen Hirnregionen im Durchschnitt unabhängiger von einander funktionieren müssten als bei anderen Primaten. Und tatsächlich bestätigen die Daten, dass beim Menschen die beiden Gehirnhälften weniger dicht mit einander verknüpft sind und mehr funktionale Asymmetrien aufweisen als bei anderen Primaten. Der Übergang von der symmetrischen zur asymmetrischen Funktion resultiert aus quantitativen Veränderungen der neuronalen Konnektivität; dennoch ist es eine qualitative Veränderung.
Ein zweiter wichtiger Unterschied zwischen Menschen- und Affenhirnen besteht darin, dass der Neokortex (die Hirnrinde) im Verhältnis zum restlichen Gehirn beim Menschen viel größer ist als bei Affen. Auch hier legt die Theorie nahe: wenn die proportionale Größe des Neokortex wächst, könnten die neokortikalen Axone (lange Nervenfasern) in neue Hirnregionen 'eindringen'. Tatsächlich zeigen verschiedene Beweise, dass dieser 'axonale Imperialismus' in der Evolution des menschlichen Gehirns sehr wichtig war. So besitzen z. B. nur Menschen Projektionen vom Neokortex zu den motorischen Neuronen, die die Stimmbänder kontrollieren; diese Projektionen sind für das menschliche Sprechen notwendig. Auch haben nur Primaten mit sehr großem Neokortex Projektionen vom Neokortex zu den motorischen Neuronen des Rückenmarks, die die Hand innervieren; diese Fortsätze sind wichtig für die Feinmotorik der Hand. Diese evolutionären 'Invasionen' niederer motorischer Neuronen durch den Neokortex wurden von einer Rückbildung anderer Bewegungssysteme begleitet und führten insgesamt zu einer qualitativen Veränderung der Hirnfunktion.
Man kann daraus schließen, dass sich menschliche Hirne von denen anderer Primaten sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht unterscheiden. Qualitative Veränderungen in der zerebralen Konnektivität und Funktion sind nur schwer zu erforschen; doch sie gehören zu den wichtigsten Aspekten der zerebralen Evolution, denn ohne sie kann man kaum verstehen, warum das menschliche Verhalten sich so sehr von dem der Affen unterscheidet.