Gil Anidjar, Ph.D.
Professor der Vergleichenden Literaturwissenschaft
Columbia University, New York
Born in 1964 in France
Studied Comparative Literature at the University of California, Berkeley
Fellowship
Kulturstiftung des Bundes-Fellow
Schwerpunkt
Islamische und Jüdische Hermeneutik
Arbeitsvorhaben
Hass
Much like the enemy in relation to the friend, hate remains less of an object of reflection than love. There are many treatises entitled "de amicitia", but none entitled "de inimicitia". More pointedly, to the extent that hate has been an object of reflection, the tendency has been to focus on hate toward the other rather than self-hate. A significant exception has been, of course, Jewish self-hatred. Following my research on the enemy, and on the possibility of thinking together the Jew and the Arab, I want to elaborate on the question of affect as a political moment in the constitution of identity, whether individual or collective. I focus on three moments in particular. First, an examination of Jewish self-hatred (following the work of Sander Gilman) and its resonance in Zionist and Israeli culture (focusing, for the most part, on literature and on the work of Nobel Prize laureate S. Y. Agnon). Second, taking Cornelius Castoriadis' suggestion that Jewish self-hatred is only one instance of a common human phenomenon, I want to engage the question of group constitution in national identity (focusing on North-African Arab and French nationalisms). Third, I want to revisit the question of hate-speech that has gained much attention in the US in the past two decades and consider the contribution made by thinking psychoanalysis and politics together. The question of narcissism, and most specifically "negative narcissism" found in Freud, Klein, and Green, in particular, provides the guiding vector.Recommended Reading
Anidjar, Gil. "Our Place in al-Andalus": Kabbalah, Philosophy, Literature in Arab Jewish Letters. Stanford: Stanford University Press, 2002.
-. "Once More, Once More: Derrida, the Jew, the Arab." In Acts of Religion, edited by Jacques Derrida, with an introduction by Gil Anidjar. New York: Routledge, 2002.
-. The Jew, the Arab: A History of the Enemy. Stanford: Stanford University Press, 2003.
Kolloquium, 29.06.2004
"Zur Moslemfrage". Eine Anmerkung zum Erhabenen
Shakespeare hat die Semiten nicht erfunden, obwohl er über einen Juden und einen 'Mohren/Mauren' geschrieben hat; beide waren dunkelhäutig und aus Venedig, wie der Titel des Stücks nahe legt. Marlowe, ein Zeitgenosse von Shakespeare, hat die Semiten ebenfalls nicht erfunden. Aber er schrieb die folgenden Zeilen, in denen ein Jude einen 'Mohren/Mauren' anspricht:
Why this is something! Make account of me
As of thy fellow; we are villains both:
Both circumcised, we hate Christians both.
Be true and secret, thou shalt want no gold.
(Na, das ist doch was! Du kannst auf mich zählen
als Kameraden; wir sind doch beide die Bösen.
Beide beschnitten, hassen wir beide die Christen.
Halte zu mir und schweig', dann wird's Dir an Gold nicht mangeln.
Von der Theologie zur Politik, von der Säkularisierung zur Rassen- und Kolonialpolitik hat Europa die wahrgenommene oder phantasierte Nähe zwischen Juden und Moslems gleichzeitig bestätigt und geleugnet. Bei Marlowe wie bei Shakespeare war der Jude der innere theologische Feind. Den Muslim, dessen theologische Legitimität gänzlich geleugnet wurde, hielt man vor allem für einen äußeren politischen und militärischen Feind. Auch heute haben sich diese Parameter nur wenig verschoben. So fungiert etwa die Türkei als Islam 'draußen', den man möglicherweise hineinlässt oder auch nicht. Die Trennung zwischen Religion und Politik wird jedenfalls anhand ähnlicher Parameter aufrecht erhalten. Das Judentum und der jüdische Staat sind durch ihren anerkannten politischen Platz in der modernen Welt gekennzeichnet (als Modellminderheit, wenn auch bedroht, oder als die "einzige Demokratie im Nahen Osten"), während der Islam, den man jetzt ausschließlich als Religion wahrnimmt, auf politische Ansprüche verzichten soll, um der Gemeinschaft aufgeklärter Staaten beitreten zu können. Der Islam, so läuft das Argument, sollte nicht 'politisch' werden.
Seit dem Mittelalter waren Aussagen oder Bilder, die sich entweder mit Juden oder Muslimen befassten, immer Zeugnisse sowohl über Juden als auch über Muslime. Bis heute sprechen solche Zeugnisse von der Annahme, dass es zwischen Juden und Muslimen keine Verbindung gibt. Die anhaltende strategische Trennung der beiden Fragen wird nicht zu Kenntnis genommen. Und mit bedrückenden Folgen: die grundlegenden Verbindungen zwischen Muslimfeindlichkeit und Judenfeindlichkeit, zwischen Orientalismus und Antisemitismus werden nicht anerkannt. Außer einigen vagen Statements zu Rassismus und ähnlichen Formen oder zu historischen und strukturellen Parallelen wird jede explizite Verbindung von der Hand gewiesen, abgelehnt oder sogar geradewegs verdammt. Es ist, als gäbe es da zwei Fragen und nicht nur eine. Unter anderen haben diese beiden Minderheiten zunehmend an Sichtbarkeit gewonnen, selbst wenn diese auch ungleich verteilt ist. Die historischen und kolonialen Vermächtnisse werden noch immer ausgespielt und ausagiert. Am Endpunkt der Analyse steht nur noch eine Frage, nämlich die nach der Rolle, die Europa bei der Wahrnehmung und dem 'Management' seiner Minderheiten kontinuierlich spielt, sowohl auf der Ebene der Politik als auch auf der Ebene von Diskursen und Ängsten.
Die Verbindung von Juden und Muslimen - bis hin zur Aufhebung der Unterschiede zwischen beiden - (die ich hier aus noch zu erklärenden Gründen als "Moslemfrage" bezeichnen möchte) beginnt nicht erst im 17. Jahrhundert. Dennoch gab es eine einzige und paradigmatische Figur dieser Verbindung: die Semiten, eine europäische Erfindung des 19. Jahrhunderts, mit der ich mich in meinem Vortrag befassen möchte. Genauer gesagt, möchte ich zeigen, dass Hegel mit seinem Begriff von den "Religionen des Erhabenen" eine entscheidende Formulierung für diesen neu konstituierten Gegenstand anbietet.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Anidjar, Gil (2009)
Juden, Araber und die semitische Spaltung
Anidjar, Gil (Stanford, Calif., 2003)
The Jew, the Arab : a history of the enemy Cultural memory in the present
Anidjar, Gil (New York, 2002)
Anidjar, Gil (Stanford, Calif., 2002)
"Our place in al-Andalus" : Kabbalah, philosophy, literature in Arab Jewish letters Cultural memory in the present