Carla A. Hesse, Ph. D.
Professorin der Geschichte
University of California, Berkeley
Born in 1956 in California
Studied History, French Literature, and Philosophy at the University of California, Santa Cruz and at Princeton University
Schwerpunkt
Cultural Mobility
Arbeitsvorhaben
Jean-Jacques Rousseau im Zeitalter der Französischen Revolution: Eine Untersuchung der kulturellen Dissemination
My project is a history of the dissemination of Rousseau's works and ideas during the French Revolution that examines both official and commercial editorial and publishing projects. It blends the history of the book with the history of ideas to examine how Rousseau was transformed from the "citizen of Geneva" into the founding father of the modern French nation.<br><br>Recommended Reading<br>
Hesse, Carla. Publishing and Cultural Politics in Revolutionary Paris, 1789-1810. Berkeley: University of California Press, 1991.<br>
-. The Other Enlightenment: How French Women Became Modern. Princeton: Princeton University Press, 2001.<br>
Hesse, Carla and R. Howard Bloch, eds. Future Libraries. Berkeley: University of California Press, 1995.<br><br>
Kolloquium, 18.12.2003
Revolutionäre Rousseaus. Die Geschichte seiner Editionen nach 1798
In meinem Vortrag versuche ich, eine einfache Frage zu beantworten: Wie verbreiteten sich Rousseaus Ideen in der Dekade der Französischen Revolution? Ich betrachte die Beschäftigung mit Rousseau als Fallstudie der Frage - und dies ist in der Tat ein besonderer Fall -, auf welche Weise eine Bewegung der Gegenkultur zum freiverkäuflichen Kulturgut wurde. Diese Frage gehört in den weiteren Kontext meines Interesses an den kulturellen Folgen der Französischen Revolution, den Fundamenten der Institutionalisierung der Literatur und der literarischen Praxis in der Moderne. Auf der methodischen Ebene möchte ich die anhaltende Relevanz der historischen Bücherkunde hervorheben; sie ist eines der Fundamente der Kultur- und Geistesgeschichte.
In Untersuchungen zum vorrevolutionären Rousseauismus wurde (seit Daniel Mornet) viele Jahre lang behauptet, dass es vor 1789 eher die romantischen und weniger die politischen oder philosophischen Werke Rousseaus gewesen wären, die die weiteste Verbreitung und breiteste Rezeption fanden; erst nach 1789 wurde der Gesellschaftsvertrag in Frankreich bekannt. Dieses Bild ist durch die sorgfältige Arbeit von Bibliographen vollkommen revidiert worden.
* Welches Schicksal aber widerfuhr Rousseaus Werk während der Revolution? Bis jetzt gibt es keine systematische Untersuchung dazu. Meine vorläufigen Ergebnisse sehen folgendermaßen aus: 1. In den zehn Jahren zwischen 1789 und 1799 nahm die Anzahl der Veröffentlichungen von Rousseaus Werken dramatisch zu. 2. Diese Zunahme lässt sich sowohl auf Initiativen der Regierung als auch auf die Kräfte des Marktes zurückführen.
Die Zunahme zeigt deutlich, dass Rousseau im doppelten Sinne nationalisiert wurde: die Orte, an denen seine Werke verlegt wurden, verschoben sich vom protestantischen Gürtel entlang der französischen Grenze in Richtung Paris; darüber hinaus ist auch eine Zunahme von Verlegern in der Provinz zu verzeichnen. Rousseau wurde einer Transformation unterzogen: Aus dem "Bürger der Stadt Genf" wurde einer der Gründerväter der Republik Frankreich.
Ich möchte noch vier weitere wichtige Ergebnisse festhalten: 1. Das Aufkommen von Rousseau-Ausgaben in kleineren Formaten und in Auszugseditionen, die auf bestimmte soziale Gruppen zugeschnitten waren - Rousseau für Frauen, für Bauern, für Sans-Culottes. 2. Die anhaltende Beliebtheit seiner romantischen im Gegensatz zu seinen politischen Werken während der frühen Jahre der Revolution: Emile und Nouvelle Héloïse einerseits und die Discours und Du contrat social andererseits. 3. Eine "thermidorianische" Renaissance des Interesses an Rousseaus politischen Schriften. 4. Eine Spannung zwischen der offiziellen Initiative der Regierung, eine letztgültige Ausgabe von Rousseaus Werken herzustellen - eine Edition, in der die Einheit von Rousseaus Denken betont werden sollte - und der Verbreitung der Texte über den Markt der vielfältigen Rousseau-Varianten; darüber hinaus wurden hier paratextuelle Strategien verwandt (Vorworte, Auswahl durch den Herausgeber, Anmerkungen), die oft paradoxe oder zumindest widersprüchliche philosophische und politische Ziele verfolgten.
Zum Schluss vertrete ich die These, dass in der Ära der Revolution sowohl durch die Strategien der Texte als auch durch die Editionspraktiken die beiden großen Traditionen der Rousseau-Interpretation begründet wurden, an denen sich die Rousseau-Forschung bis heute orientiert: auf der einen Seite steht die republikanische Tradition, die mit Sebastien Le Mercier beginnt und sich über Cassier und Starobinski fortpflanzt. Sie zielt darauf, ein einigendes Prinzip oder eine Logik zu finden. Auf der anderen Seite finden wir eine Tradition, die ich liberal nennen möchte; sie beginnt bei Diderot und Mme de Staël und reicht bis zu Jacques Derrida und Paul de Man. Diese Tradition hebt den paradoxen oder aporetischen Charakter von Rousseaus Werk hervor.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Hesse, Carla A. (New York, 2018)
Bodies visible and invisible : the erasure of the Jewish cemetery in the life of modern Thessaloniki
Hesse, Carla A. (Princeton, N.J. [u.a.], 2003)
The other enlightenment : how French women became modern Princeton paperbacks
Hesse, Carla A. (Princeton, NJ, 2001)
The other Enlightenment : how French women became modern
Hesse, Carla A. (Paris, 1996)
La preuve par la lettre : pratiques juridiques au tribunal révolutionnaire de Paris (1793 - 1794)
Hesse, Carla A. (Berkeley, Calif. [u.a.], 1991)
Publishing and cultural politics in revolutionary Paris : 1789 - 1810 Studies on the history of society and culture ; 12