Daniela Lyubenova Koleva
Professorin der Soziologie
Sofia University St. Kliment Ohridski
Born in 1961 in Oriahovo, Bulgaria
Studied Philosophy at the University of St. Petersburg and Sociology at the University of Sofia
Fellowship
Andrew W. Mellon-Fellow
Arbeitsvorhaben
Institutionelle Macht und individuelles Leben: die "Normalbiographie"
The project focuses on an aspect of the workings of institutional power in modern settings: the imposition of various schemes of normalisation upon individual lives and personalities. It will inquire into how ideas of the "normal" ways of thinking, acting and behaving come into being and how they mould the individuals' expectations, goals and strategies. The focus of interest is the notions of the normal life course set by institutions and appropriated - but also modified! - by individuals seeking to comply with (or sometimes resist) them in their everyday lives. Thus the research interest is directed to the interplay of public and private, institutional and everyday life, macro and micro.The research will try to explain the construction of life course (life career, life trajectory) as a social institution not only in the sense of formal institutionalisation of life phases, but in the sense of structuring the individual's life projects and horizon of expectations as well. That implies, on the one hand, individualisation in the sense of liberation from traditional networks and local contexts, and on the other - standardisation in the sense of establishment of new, universal forms of control.
Because it is almost never questioned, normality is difficult to capture, except in the process of its change and passage to a new normality. The so-called "communist modernisation" (1940s(1960s in Bulgaria) as well as the present post-communist transformations offer such a chance. That is why the attention will focus predominantly on those periods of change, where there appears a tendency towards destandardisation and breach of Gestalt as far as notions of life course are concerned.
Recommended Reading
Koleva, Daniela. Talking History: Proceedings of the International Conference in Oral History and Life-History Method. Kiten, 23-27 September 1999. Sofia: LIK, 2000.
-. "Narrating Nature: Perceptions of the Environment and Attitudes Toward it in Life Stories." In The Roots of Environmental Consciousness: Popular Tradition and Personal Experience, edited by Paul Richard Thompson and Stephen Hussey. London and New York: Routledge, 2000.
-. "Die Erinnerung an die kommunistische Machtübernahme in Bulgarien am 9. September 1944." BIOS: Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen 14, 1 (2001).
Kolloquium, 19.04.2004
Paving the Life Path. Legal and Social Prerequisites for the 'Normal Biography'
Nachdem ich mich fast zehn Jahre lang mit Lebensgeschichten beschäftigt habe, bin ich immer wieder auf bestimmte Vorstellungen von Normalität gestoßen - meistens in verlegenen Äußerungen von Interviewpartnern. Sie bemerkten, dass ihre Leben "nichts Besonderes" seien, einfach "nur normal, gewöhnlich" und daher wahrscheinlich nicht der Aufmerksamkeit eines Forschers würdig. In anderen Fällen ist es anscheinend die Einschätzung des Interviewpartners, dass sein Leben vom Normalen abweicht, die das Erzählen einer Geschichte in Gang gebracht hat. In wieder anderen Fällen liegt "das Normale" darin, wie die Geschichte erzählt wird: in der Ordnung der Ereignisse, in der Sprache, in der rubrizierten Struktur, die einem Curriculum Vitae usw. entspricht. Natürlich hat sich nie jemand die Mühe gemacht und erklärt, was "normal" ist - sowohl die Forscher als auch die Interviewpartner gingen selbstverständlich davon aus, dass beide dasselbe darunter verstehen.
Aber was bedeutet "normal" tatsächlich? Der Begriff selbst enthält eine gewisse Spannung zwischen Faktum und Wert. Einerseits hat "normal" eine ruhige deskriptive Konnotation, die sich auf statistische Durchschnittswerte beziehen lässt, auf das, was weitverbreitet und allgemein akzeptiert ist; andererseits bezieht sich das Wort auf eine Norm als etwas, das erreicht oder bewahrt werden muss. Dadurch hat "normal" auch eine normative Konnotation. Ich halte diese Zweideutigkeit für einen fruchtbaren Ausgangspunkt, um die "normale Biographie" zu untersuchen. Die "normale Biographie" ist zunächst deswegen normal, weil sie weitverbreitet und im Höchstmaße vorhersehbar ist; aber sie ist auch normal in Hinblick auf die Ideen vom "guten Leben", auf die sich die Interviewpartner implizit beziehen, wenn sie ihr eigenes Leben erzählen - das heißt, es hat ebenso eine normative Dimension.
Mein Ziel ist es, die Ursprünge des Begriffs der Normalität aufzusuchen; dabei möchte ich mit der Annahme vorgehen, dass ein normaler Lebenslauf das Produkt von Gesellschaft und Geschichte und - mehr noch - das Produkt der historischen Anstrengung der "Enthistorisierung" ist (Bourdieu). Indem ich mich auf Kohlis These von der Institutionalisierung des Lebens beziehe, möchte ich die Mechanismen beschreiben, durch die der Lebenslauf im modernen Bulgarien zur sozialen Institution geworden ist. Damit meine ich die Ausarbeitung institutionell etablierter Normen, die zur Entstehung bestimmter Vorstellungen und Erwartungen in Bezug auf ein "normales" Leben geführt haben; diese Normen werden oft noch durch das Funktionieren spezialisierter Institutionen verstärkt, deren Aufgabe es ist, in bestimmten Lebensphasen und -situationen Hilfe zu leisten und Kontrolle auszuüben.
Um der Institutionalisierung des Lebensverlaufs auf die Spur zu kommen, möchte ich verschiedene Gesetzesgruppen betrachten, die seit dem Ende des 19. Jh. (Bulgarien wurde 1878 ein unabhängiger Staat) bis 1980 verabschiedet wurden; sie greifen nach verschiedenen Aspekten der Konstruktion eines normalen Lebensverlaufs - nach der Produktion des Individuums als sozialem Akteur und als Subjekt mit Rechten und Pflichten; der Formung des Bürgers nach staatlichen Ideologien; dem "Zerschneiden" des Lebensverlaufs in klar gegliederte Phasen in Übereinstimmung mit dem chronologischen Alter und der Erfindung von Kategorien, um universelle Lebenssituationen zu definieren, damit sie institutionell betreut und kontrolliert werden können.
Ich vertrete nicht die Meinung, dass diese Einrichtungen eine besondere und direkte Auswirkung auf die Einstellungen der Menschen oder deren Vorstellung vom "normalen Leben" haben; dennoch haben sie die Regeln festgelegt, deren Befolgung erwartet wurde. Dadurch wurde ein Ausgangspunkt für die Wirklichkeit geschaffen, und an diesem Ausgangspunkt wurden politische Vorstellungen wenigstens teilweise im wirklichen Leben ungesetzt und so eine gewisse Übereinstimmung zwischen institutionellen Projekten und individuellen Leben erreicht.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Koleva, Daniela Lyubenova (Farnham [u.a.], 2013)
Ageing, ritual and social change : Comparing the secular and religious in eastern and western Europe Ashgate AHRC
Koleva, Daniela Lyubenova (2012)
Belene : remembering the labour camp and the history of memory
Koleva, Daniela Lyubenova (New Brunswick, NJ, 2012)
Negotiating normality : everyday lives in socialist institutions
Koleva, Daniela Lyubenova (2011)
Homo Sovieticus surviving democracy? : Post-socialist nostalgia in Bulgaria
Koleva, Daniela Lyubenova (2011)
Hope for the past? Postsocialist nostalgia 20 years later
Koleva, Daniela Lyubenova (Bern, 2011)
20 years after the collapse of communism : expectations, achievements and disillusions of 1989 Twenty years after the collapse of communism
Koleva, Daniela Lyubenova (2009)
Daughters' stories : family memory and generational amnesia
Koleva, Daniela Lyubenova (2008)
'My life has mostly been spent working' : notions and patterns of work in socialist Bulgaria
Koleva, Daniela Lyubenova (2007)
The memory of socialist public holidays : between colonization and autonomy
Koleva, Daniela Lyubenova (2007)
Historical studies in post-communist Bulgaria : between academic standards and political agendas