Ashis Nandy, Ph.D.
Professor der Politischen Psychologie
Centre for the Study of Developing Societies, Delhi
Born in 1937 in Bhagalpur, India
Studied Sociology at Nagpur University and Clinical Psychology at Gujarat University
Arbeitsvorhaben
Erinnerungen an einen Völkermord
In the violence that accompanied the creation of India, Pakistan and Bangladesh (then East Pakistan), roughly one million people were killed and another 20 million uprooted from their centuries-old homelands. This is a study of a) the disowned memories of the violence as a crucial presence in the public life of all three countries, which continue to vitiate the relationships among ethnic and religious communities and the nation-states of South Asia; b) the deeper layers of present-day self-definitions of India, Pakistan and Bangladesh, which cannot be understood without confronting that half-forgotten violence and the silences that surround it; c) the resistance that the violence faced on the ground level; and d) the conceptual frame that the victims, the witnesses and the perpetrators have deployed to understand the violence. The study uses intensive interviews with about 200 persons and a survey of about 1,500 respondents done during the last two years.In an age of testimony, which has paradoxically seen much cultivated deafness, studies of mass violence have been burdened by a concept of history that rarefies all human suffering and passions and flattens them into elements of ambitious macro-theories that seem to stretch unbroken from a fully-known past to a transparent future. For such a history, some memories are always more equal than others. This study therefore emphasizes the last two issues, particularly the resistance ordinary citizens offer spontaneously, and hopes that when it identifies the cultural and psychological profiles of the genocidal mentality in South Asian cultures, a crucial component of it will be the worldview and theories of violence of the victims themselves. The study basically hopes to listen and to bear witness.
Recommended Reading
Nandy, Ashis. The Intimate Enemy: Loss and Recovery of Self Under Colonialism. New Delhi: Oxford University Press, 1983; paperback, 1988.
-. Traditions, Tyranny and Utopias: Essays in the Politics of Awareness. New Delhi Oxford University Press, 1987; paperback, OUP, 1992.
-. An Ambiguous Journey to the City: The Village and Other Odd Ruins of the Self in Indian Imagination. New Delhi: Oxford University Press, 2002.
Kolloquium, 06.07.2004
Das Schweigen der Wölfe. Einige Vorbemerkungen, die sich auch zu einem Abstract zusammenfügen ließen
Wie die meisten Völkermorde der Gegenwart hat auch jener, der 1946-48 in Südasien stattfand, bestimmte Formen des Schweigens hervorgebracht. Manchmal wird dieses Schweigen kultiviert, manchmal ist es unfreiwillig; es findet individuell wie kollektiv statt. Ein Ehepaar, bei dem beide Partner ihre Väter durch die Gewalttaten verloren hatten, gestanden während eines Interviews, dass sie noch nie auch nur ein einziges Wort zu diesem Thema gewechselt hatten, obwohl sie mehr als 40 Jahre miteinander verheiratet waren. Ein Dorf hatte sich entschieden, gemeinschaftlich über die Tage der gewalttätigen Auseinandersetzungen zu schweigen, denn die meisten der jetzt über 80-jährigen Frauen des Dorfes - inzwischen geachtete Großmütter - waren in dieser Zeit verschleppt worden.
Die Mauern, die das Schweigen errichtet hat, hat es einer ganzen Generation von Indern, Pakistanis und Bangladeshis schwergemacht, einer ernsthaften Beschäftigung mit den Gewalttätigkeiten, die die Teilung von Britisch-Indien begleiteten, aus dem Weg zu gehen. Obwohl es mindestens 200 größere Werke zu fast jedem Aspekt der Teilung gibt, der die Gewalttätigkeiten auslöste - einige von ihnen sind mehrbändige Arbeiten - stammen die beiden einzigen sozialwissenschaftlichen Untersuchungen der Gewalttätigkeiten selbst von Amerikanern; das eine hat Gewalt im Allgemeinen zum Thema und widmet der Teilung einige kleine Abschnitte, und das andere konzentriert sich auf die Sozialpsychologie der 20 Millionen Flüchtlinge, die vor der Gewalt flohen. Autoren des Ersteren sind der angesehene Psychologe Gardner Murphy und seine Kollegen; letzteres Werk stammt von Stephen Cohen und ist Teil seiner Doktorarbeit. Erst in den 1990ern erscheinen einige wenige Arbeiten von Pakistanis und Indern zum Wesen dieses Völkermords.
Insgesamt mehr als eine Million Tote - die Zahl könnte nach Schätzungen sogar bei über zwei Millionen liegen - werden zumindest in der Öffentlichkeit nur unzureichend betrauert. Sogar Pakistan, das die muslimischen Opfer als Grund für einen islamischen Staat betrachtet, hat nichts Großes oder auch nur Bescheidenes gestiftet, um an die geopferten Menschen zu erinnern.
Dennoch spricht das Schweigen oft auf merkwürdige oder doppelzüngige Weise. Tatsächlich kann man die These vertreten, dass die politischen Kulturen in allen drei Ländern von der unsichtbaren Präsenz der Erinnerungen an die Teilung geformt werden. Manchmal, selten, wird das Unsichtbare für einen Augenblick lang sichtbar. Als der bekannte indische Journalist und Menschenrechtsaktivist Kuldip Nayar den Vater der pakistanischen Atombombe, Dr. A. Q. Khan, einmal fragte, wie er daran denken könne, indische Städte ins Visier seiner Waffen zunehmen, während doch sein eigener Vater, seine Brüder und Schwestern in der indischen Stadt Bhopal lebten, antwortete Khan etwas kühl: wenn Pakistans Überleben auf dem Spiel stände, wäre er bereit, auf Indien Atombomben zu werfen, denn er habe die Tage zur Zeit der Teilung nicht vergessen, da er, hungernd und durstend, durch die Wüste von Rajasthan in Westindien nach Pakistan, dem neuen Staat, fliehen musste.
Doch beginnt man, die Details zu untersuchen, scheint die quasi-klinische Diagnose "Unfähigkeit zu trauern" das Schweigen nicht ganz passend zu beschreiben. Die Schurken befinden sich nur zum Teil im eigenen Ich, und man muss sich nicht konsequent von gewissen Teilen seines Ich, die Mitschuld an der Gewalt tragen, trennen. Auch sind die Gemeinden/Gemeinschaften im Südasien der Gegenwart nicht tot, obwohl sie unter den Beschuss der Urbanisierung und Industrialisierung geraten sind. In einer von uns durchgeführten Umfrage sagten 27% von 921 Interviewpartnern - von denen viele aufgrund der traumatischen Ereignisse zu ethnischen oder religiösen Chauvinisten geworden sind - dass ihnen von jemandem aus einer feindlichen Gemeinde/Gemeinschaft geholfen oder das Leben gerettet worden war. Einige der Interviewpartner sagten das nur zögernd oder entschuldigend, denn inzwischen sind sie ethnonationalistischen Gruppen beigetreten oder haben sich religiösen Eiferern angeschlossen. Dennoch sagen sie es.
In meinem Vortrag will ich einige Vorüberlegungen anstellen, wozu die Zeugen schweigen, und wenn noch genügend Zeit sein sollte, auch über die möglichen Ursachen und Gründe für ihr Schweigen. Auch können wir einen vorsichtigen Versuch machen, einige mögliche Quellen des Widerstands gegen Massengewalt dieser Art in einer vergleichenden Perspektive in Betracht zu ziehen.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Nandy, Ashis (2009)
The politics of secularism and the recovery of religious toleration
Nandy, Ashis (Delhi [u.a.], 2009)
Nandy, Ashis (New Delhi, 2006)
Talking India : Ashis Nandy in conversation with Ramin Jahanbegloo
Nandy, Ashis (2006)
Nandy, Ashis (New Delhi, 2005)
The future of knowledge & culture : a dictionary for the 21st century Future of knowledge and culture
Nandy, Ashis (Delhi [u.a.], 2004)
Bonfire of creeds : the essential Ashis Nandy
Nandy, Ashis (New Dehli, 2003)
Time warps : the insistent politics of silent and evasive pasts
Nandy, Ashis (New Delhi [u.a.], 2003)
The romance of the state : and the fate of dissent in the tropics
Nandy, Ashis (New Delhi [u.a.], 2001)
Nandy, Ashis (New Delhi [u.a.], 2000)
The savage Freud and other essays on possible and retrievable selves Oxford India paperbacks