Horst Dreier, Dr. iur.
Professor für Rechtsphilosophie
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Geboren 1954 in Hannover
Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Hannover
Arbeitsvorhaben
Christentum und Grundrechtsdemokratie
Nach allgemein verbreiteter Auffassung bestehen zwischen Christentum und der Entwicklung des modernen Staates bestimmte Strukturkorrelationen und Wechselbeziehungen. Das Projekt nimmt aus der Fülle möglicher Einflussfelder zwei Aspekte näher in den Blick. An erster Stelle steht die Frage, ob und inwieweit für die Ausbildung des modernen egalitären Demokratiegedankens die Reformationstheologie im allgemeinen, die Vorstellungen bestimmter "Sekten" im Rahmen der puritanischen Revolution im speziellen verantwortlich zeichnen. Trifft die These zu, dass die theologische Radikalisierung und Politisierung des reformierten Bundes- bzw. Gemeindegedankens diesem eine entscheidende "demokratieanaloge Wendung" gaben? Als zweiter Fragenkomplex tritt der mögliche Zusammenhang zwischen der Idee vorstaatlicher individueller Menschenrechte und christlichem Gedankengut hinzu. Dieser oft in aller Pauschalität postulierte Konnex erweist sich gerade für die Großkirchen als keineswegs ausgemacht. Wiederum soll präzisierend gefragt werden, in welchen konkreten Entwicklungsprozessen und bei welchen christlichen Glaubensbekenntnisses es eine gewissermaßen menschenrechtsanaloge Wendung religiöser Überzeugungen und Lehren gegeben hat.Lektüreempfehlung
Dreier, Horst. Rechtslehre, Staatssoziologie und Demokratietheorie bei Hans Kelsen. Baden-Baden: Nomos, 1986, 2. Auflage 1990.
-. Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat. Tübingen: Mohr Siebeck, 1991.
-. "Die deutsche Staatsrechtslehre in der Zeit des Nationalsozialismus." (Tagungsband). Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 60 (2001): 9-72.
Kolloquium, 02.05.2006
Der moderne Verfassungsstaat: Genese, Strukturen, Perspektiven
Der moderne, freiheitliche, demokratische Verfassungsstaat kann als Erfolgsmodell gelten, das einen beeindruckenden Siegeszug angetreten hat und zumindest in Europa und Nordamerika ohne äußeren Widersacher dasteht. Ich will in meinem Vortrag versuchen, einige zentrale Elemente und Strukturen dieses Typus' zu charakterisie-ren, also gleichsam seine Bausteine herauszuarbeiten.
Dazu ist zunächst ein kurzer Rückblick auf die Ursprünge in der amerikanischen und französischen Revolution geboten. Der hier geschaffene Verfassungsbegriff eröffnet eine neue Epoche, in der wir noch immer stehen. An die Stelle einer Vielzahl von leges fundamentales tritt die eine Verfassung als "Kollektivsingular" (Koselleck), und desgleichen tritt an die Stelle ständischer Freiheiten, Privilegien oder Immunitä-ten die eine Freiheit, die allen zusteht. Die neuen Verfassungen stellen einen Akt der Neufundamentierung des Gemeinwesens dar, deren Geltungsanspruch auf die demo-kratische Prämisse der Volkssouveränität gestützt wird. Zugleich aber wird das Volk für die Zukunft eben jenen Regeln unterworfen und so die Souveränität der kom-menden Generationen empfindlich eingeschränkt. Diese Paradoxie ist letztlich un-ausweichlich.
Bei den typusbestimmenden Merkmalen des modernen Verfassungsstaates lassen sich formelle und materielle Elemente unterscheiden. Zu den formellen zählen das Vorliegen einer Verfassungsurkunde, die verfassunggebende und verfassungsän-dernde Gewalt, der Vorrang der Verfassung sowie (damit eng zusammenhängend) eine Verfassungsgerichtsbarkeit, deren Institutionalisierung sehr voraussetzungsvoll und nicht überall realisiert ist. Die wichtigsten materiellen Elemente bilden Demo-kratie, Gewaltenteilung und Grundrechte.
Im Schlussteil wird die Frage behandelt, ob sich der Siegeszug des modernen Verfassungsstaates auch auf die Europäische Union erstrecken kann.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Dreier, Horst (2013)
Dreier, Horst (Bielefeld, 2013)
Demokratie morgen : Überlegungen aus Wissenschaft und Politik Edition Politik ; 14
Dreier, Horst (Baden-Baden, 2010)
Der freiheitliche Verfassungsstaat als riskante Ordnung
Dreier, Horst (Stuttgart, 2010)
Dreier, Horst (München, 2009)
Gilt das Grundgesetz ewig? : Fünf Kapitel zum modernen Verfassungsstaat ; [stark erweiterte Fassung eines Vortrags, der am 20. November 2008 in der Carl Friedrich von Siemens Stiftung gehalten wurde] Themen ; Bd. 91
Dreier, Horst (2007)
Hans Kelsens Wissenschaftsprogramm
Dreier, Horst (Tübingen , 2007)
Grenzen des Tötungsverbotes - Teil 2
Dreier, Horst (Tübingen, 2007)
Grenzen des Tötungsverbotes - Teil 1
Dreier, Horst (2007)
§1 Grundlagen und Grundzüge staatlichen Verfassungsrechts: Deutschland
Dreier, Horst (Tübingen, 2007)
Grundgesetz : Textausgabe mit sämtlichen Änderungen und andere Texte zum deutschen und europäischen Verfassungsrecht Verfassung <1949.05.23>