Carla A. Hesse, Ph.D.
Professorin der Geschichte
University of California, Berkeley
Born in 1956 in Berkeley, CA
Studied History and French Literature at the University of
California, Santa Cruz and at Princeton University
Arbeitsvorhaben
Der Geist des revolutionären Gesetzes: Gerechtigkeit und die Politik der Legitimation während der Schreckensherrschaft in Frankreich 1792-95
"The Spirit of Revolutionary Law" is a study of the legal origins and practices of the French Terror. Despite the unquestioned centrality of the Terror to the French Revolution and the foundations of the French Republic, we still know remarkably little about the intellectual and institutional origins of the key legal instruments of repression during the Terror, "revolutionary law" and the tribunals devoted to its execution, nor about how these courts actually functioned during their brief but critical history (1792-1795). This study will reconstruct the intellectual, political and cultural sources of the key concepts of revolutionary justice (terror, suspicion, revolutionary law, exceptional tribunals, etc.) and examine their legacy for modern political culture in France and the world more generally.Recommended Reading
Hesse, Carla A. Publishing and Cultural Politics in Revolutionary Paris, 1789-1810. Berkeley: University of California Press, 1991.
-. "La Preuve par la lettre: pratiques juridiques au tribunal révolutionnaire de Paris (1793-1794)." Annales: Histoire, Sciences Sociales 3 (1996): 629-642. German translation: "Das französische Revolutionstribunal, Gerichtsverfahren und die kulturelle Konstruktion des modernen politischen Subjekts." In Bilder der Nation: kulturelle und politische Konstruktion des Nationalen am Beginn der europäischen Moderne, edited by Ulrich Bielefeld, 331-350. Hamburg: Hamburger Edition, 1998.
-. The Other Enlightenment: How French Women Became Modern. Princeton: Princeton University Press, 2001.
Kolloquium, 07.02.2006
The Spirit of Revolutionary Law: Foundational Justice and the Politics of Legitimation in Republican France
Im ersten Teil meines Vortrags möchte Ihnen einen Überblick über die Hauptargumentation, über die Themen und Methoden meines Gegenstands verschaffen. Ich möchte mit der These beginnen, dass sich - mit Blick auf alle ihre Verfassungen - die französische Republik unter den modernen Demokratien durch die relative Schwäche ihrer Verfassungstradition auszeichnet, und umgekehrt durch die relative Kraft ihrer Legitimierungsverfahren, die ihren Ursprung in den Revolutionsgesetzen finden. Ich behaupte, dass sich diese einzigartige Stellung durch die Anfangszeit der französischen Republik erklären lässt, die revolutionäre Krisenzeit 1792 - 95. Mein Titel spielt auf Montesquieus Meisterwerk an, Der Geist der Gesetze. Nach Montesquieu haben die Gesetze einer Nation so lange Bestand wie die Nation selbst. Jede Regierung, die sich auf eine Verfassung stützt, braucht einen gesetzlichen Mechanismus für Notstandssituationen, wie Montesquieu erkannte. Aber im Unterschied zu einem bereits bestehenden Staat muss eine Revolution einen neuen Staat ins Leben rufen und ihn legitimieren. Darin liegt er Unterschied zwischen "Notstandsgesetzen" und "Revolutionsgesetzen", zwischen einem "Notstand" und einer "Revolutionsregierung". Die Anwendung von Notstandsgesetzen in einer revolutionären Situation bekommt daher eine neue Bedeutung und hat ganz andere Folgen. Revolutionsgesetze schaffen neue Grundlagen.
In der Phase der Revolutionsregierung (1792 - 95) wurden in Frankreich mehr Gesetze erlassen (etwa 40.000), als zu Zeiten der französischen Monarchie vor 1789. Doch zwischen 1792 und 1795 hatte Frankreich keine Verfassung. Anstelle der Verfassung - es erwies sich als unmöglich, sie inmitten der inneren wie äußeren Kriegswirren auf die Beine zu stellen - wandten sich die französischen Revolutionäre dem Strafgesetzbuch zu - in der Hoffnung, die Nation unter Wahrung von Recht und Gesetz durch die Krise hindurch zu führen. Das heißt, sie versuchten, mithilfe des Strafgesetzes eine verfassungskonforme Herrschaft zu errichten, bzw. wenigstens die Umstände zu schaffen, unter denen dies möglich wäre. Eine entscheidende Folgerung aus dieser Beobachtung ist, dass es das Straftribunal und die gesetzgebende Versammlung gleichermaßen waren, in denen die Tradition der französischen Republik begründet wurde; und es war das Tribunal, das die Gründungsverfahren einrichtete, die diese Tradition legitimierten. Die französische Republik hat sich seit 1793 am Leben erhalten, indem sie sich selbst fortwährend auf den Prüfstand bzw. "vor Gericht" stellte, so meine These.
Gleichzeitig ist mein Buch eine Geschichte der Rechtsbegriffe - eine Begriffsgeschichte der idées forces der Revolutionsgesetze - und ebenso eine ethnographische Untersuchung der Gerichtsprozeduren der Revolution und ihrer Reinkarnationen auf dem Schauplatz des politischen Lebens im modernen Frankreich. Man kann es eher als eine Geschichte der Rechtskultur als eine Rechtsgeschichte oder eine Geschichte der Gesetze beschreiben. Im zweiten Teil des Vortrags möchte ich eine dieser idées forces und ihr Vermächtnis im Detail untersuchen - den gestohlenen Brief. Ich möchte zeigen, wie dies als zentrale Form des Beweises vor den Revolutionstribunalen entstand und als Mittel, um konterrevolutionäre Absichten aufzudecken. Dann untersuche ich, wie dieser romantische Tropus der Authentizität - die unabsichtliche Enthüllung - in den Gerichtsverhandlungen gegen Ludwig XVI und gegen Danton funktionierte, um sowohl die Geschworenen als auch die Welt von der Legitimität ihrer Verurteilung und ihrer Hinrichtung als Vaterlandsverräter zu überzeugen. Im letzten Abschnitt zeige ich, wie beschlagnahmte Briefe im Allgemeinen zunächst als Beweisstücke vor Gericht, dann für politische Propaganda und schließlich - in ihrer Eigenschaft als Ausstellungsstücke im französischen Museum für nationale Geschichte - als öffentlich sichtbare Reliquien verwendet wurden, deren Zurschaustellung bis heute zur Legitimierung der republikanischen Herrschaft in Frankreich dient.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Hesse, Carla A. (New York, 2018)
Bodies visible and invisible : the erasure of the Jewish cemetery in the life of modern Thessaloniki
Hesse, Carla A. (Princeton, N.J. [u.a.], 2003)
The other enlightenment : how French women became modern Princeton paperbacks
Hesse, Carla A. (Princeton, NJ, 2001)
The other Enlightenment : how French women became modern
Hesse, Carla A. (Paris, 1996)
La preuve par la lettre : pratiques juridiques au tribunal révolutionnaire de Paris (1793 - 1794)
Hesse, Carla A. (Berkeley, Calif. [u.a.], 1991)
Publishing and cultural politics in revolutionary Paris : 1789 - 1810 Studies on the history of society and culture ; 12