Geert Lovink, Ph.D.
Professor der Medientheorie
Universität Amsterdam
Professor am Amsterdamer Polytechnikum/ Hogeschool van Amsterdam
Born in 1959 in Amsterdam
Studied Political Science and English at the University of Amsterdam
and at the University of Melbourne
Arbeitsvorhaben
Kritische Themen der globalen Netzkultur
My research resolves around the presumably "global" aspect of Internet culture. In Western cyberculture, the "global" nature of information technologies is often taken for granted. There is an obvious lack of reflection on what it exactly means when different cultures and highly unequal societies and regions get together online. Global often means little more than the exchange between a limited number of "cool" global cities where the Western "creative class" is located, such as Berlin, Melbourne, San Francisco or Barcelona. The Internet is reduced to what monolingual Anglo-American scholars can read. The fact that for a number of years already English has been a minority language has had little or no impact in new media representations. Case studies will revolve around topics such as Internet governance and the World Summit on the Information Society (WSIS), the rise of NGOs and so-called "global civil society", the developments in India and the Delhi-based new media center Sarai in particular and a number of general concepts such as "free cooperation" and "organized networks".Recommended Reading
Lovink, Geert. Dark Fiber: Tracking Critical Internet Culture. Cambrdige, MA: MIT Press, 2002.
-. Uncanny Networks. Cambridge, MA: MIT Press, 2002.
-. My First Recession: Critical Internet Culture in Transition. Rotterdam:
V2-/Nai, 2003.
Kolloquium, 28.03.2006
Blogging - Der Nihilistische Impuls
Im Einleitungsaufsatz, den ich für mein demnächst erscheinendes Buch (bei Routledge New York, 2007) geschrieben habe, formuliere ich eine Theorie der Blogs (i. e. Weblogs - Internet-Journale), die über die Rhetorik vom "Bürgerjournalismus" hinaus geht. Ich hoffe, dieses Buch während meines Aufenthalts am Wissenschaftskolleg fertig zu stellen; es ist die dritte Monographie, die ich zur kritischen Internetkultur verfasst habe. Frühere Titel waren Dark Fiber (MIT Press, 2002) und My First Recession (V2-NAi, 2003). In meinem Vortrag möchte ich erörtern, wo wir mit Blick auf das Verständnis und den Gebrauch des Internets weltweit stehen. Ich unterscheide drei Phasen: 1. Die akademische, noch nicht kommerzielle und nur auf Texte konzentrierte Periode vor dem World Wide Web. 2. Die euphorische, spekulative Periode, in der das Internet für jedermann zugänglich wurde und die in der "Dotcom-Hysterie" der späten 90er Jahren kulminierte. 3. Die Periode nach dem Platzen der "Dotcom-Blase" bzw. der Zeit nach dem 11. September 2001, die jetzt langsam zu Ende geht und vom sog. "Web 2.0"-Rausch abgelöst wird.
Blogs sind die Nachfolger der Homepages der 90er Jahre und schaffen eine Mischung aus dem Privaten (Online-Tagebücher) und dem Öffentlichen (Öffentlichkeitsarbeit für das Ich). Da es Millionen von ?logs gibt, ist es fast unmöglich, allgemeine Aussagen über das "Wesen des Blogs" zu machen. Dennoch möchte ich genau das tun. Es ist von strategischer Bedeutung, kritische Kategorien einer Theorie des Bloggens zu entwickeln, die der spezifischen Mischung aus Technik, Oberflächenge-staltung, Softwarearchitektur und der Arbeit am sozialen Netzwerk Rechnung trägt.
Ich betrachte dabei nicht nur das emanzipatorische Potential der Blogs oder betone ihre Folklore der Gegenkultur, sondern ich verstehe Blogs als Teil eines Entfaltungsprozesses der "Vermassung" dieses - immer noch - neuen Mediums. Nach dem Jahr 2000 konnte das Internet die "Illusion der Veränderung" nicht mehr aufrecht erhalten. Die Leerstelle, die zurückblieb, schuf den Raum für äußerst umfangreiche und eng mit einander verknüpfte Gespräche mithilfe automatisierter Software - Weblogs oder Blogs.
Nach einer allgemeinen Einführung in die Internetkultur möchte ich meine spezifische Arbeit vorstellen. Sie konzentriert sich auf die oft vorgebrachte Kritik, dass Blogs zynisch und nihilistisch seien, da sie sich auf (linke, liberale oder konservative) Kommentare und Schmähungen gegenüber dem Establishment beschränken. Ich versuche nicht zu beweisen, dass alle Blogs im wesentlichen gut sind, sondern ich habe vielmehr die Herausforderung angenommen und interpretiere Blogs als Vehikel des Nihilismus. Der Nihilismus ist kein Lebensstil oder eine Meinung. Er ist ein Zustand, in dem sich die (westlichen) Gesellschaften befinden. Im Kontext des Internets ist es nicht das Böse, wie Rüdiger Safranski meint, in dem sich das Drama der Freiheit ausdrückt, sondern das Triviale, das das Drama medialer Freiheit prägt.
Blogs treiben den Zerfall voran. Jedes neue Blog leistet einen Beitrag zum Zusammenbruch des Mediensystems, das das Zwanzigste Jahrhundert beherrscht hat. Der Glaube an die Botschaft ist im Niedergang begriffen. Genau dies ist das nihilistische Moment, und Blogs befördern diese Kultur wie keine andere Plattform zuvor. Die Software, mit der man Blogs erstellen kann, hilft ihren Nutzern, von der Wahrheit zum Nichts überzusetzen. Die gedruckte oder gesendete Botschaft hat ihre Aura verloren. Nachrichten werden als Ware mit Unterhaltungswert konsumiert. Wir sollten die Einträge in Blogs nicht als schlichte Eigenwerbung darstellen, sondern sie als dekadente Artefakte interpretieren, die das Modell der Radio- oder Fernsehsendung aus der Ferne demontieren.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Lovink, Geert (Amsterdam, 2022)
Stuck on the platform : reclaiming the internet Making public
Lovink, Geert (Bielefeld, 2017)
Im Bann der Plattformen : die nächste Runde der Netzkritik Digitale Gesellschaft
Lovink, Geert (Amsterdam, 2013)
Unlike us reader : social media monopolies and their alternatives INC Reader ; 8
Lovink, Geert (Amsterdam, 2013)
The inner life of video spheres ; theory for the YouTube generation Network Notebook ; 6
Lovink, Geert (Bielefeld, 2012)
Das halbwegs Soziale : eine Kritik der Vernetzungskultur Networks without a cause <dt.>
Lovink, Geert (Amsterdam, 2011)
The Glitch moment(um) Glitch momentum
Lovink, Geert (Bruno Mondadori, 2008)
Zero comments : teoria critica di Internet Zero comments
Lovink, Geert (Bielefeld, 2008)
Zero Comments : Elemente einer kritischen Internetkultur Zero comments <dt.>
Lovink, Geert (New York, NY [u.a.], 2008)
Zero comments : blogging and critical Internet culture