Susanne Muth, Dr. phil. habil.
Klassische Archäologie
Ludwig-Maximilians-Universität München
Geboren 1967 in Karlsruhe
Studium der Klassischen Archäologie, der Alten Geschichte und des Lateins an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Arbeitsvorhaben
Forum Romanum: Geschichte eines Zentrums
Öffentliche Plätze gelten als sensibler historischer Spiegel der Gesellschaften, die sie schaffen und nutzen. Wie aber konstituiert sich konkret das Zusammenspiel zwischen der Konzeption des Raumes und den Bedürfnissen des gesellschaftlich-öffentlichen Lebens? Und inwieweit lässt sich die Gestaltung von Plätzen tatsächlich als historische Quelle für Interessen, Strukturen und Mentalitäten der jeweiligen Zeit interpretieren?Als Testfall wähle ich das Forum Romanum, das öffentliche und politische Zentrum des antiken Rom. Seit seiner Konstituierung im 7. Jahrhundert v. Chr. bis weit in die Spätantike hinein verändert sich sein Erscheinungsbild immer wieder. Diesen Prozess des Wandels gilt es auf seine Zusammenhänge mit gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftsgeschichtlichen Strukturen hin zu befragen. Dabei soll die Entwicklung des Forums vor allem auch als eine Problemgeschichte von miteinander konkurrierenden Faktoren beleuchtet werden; besondere Aufmerksamkeit gilt hier dem kontinuierlichen Spannungsverhältnis zwischen den Interessen der jeweiligen Gegenwart und der ihr präsenten Vergangenheit.
Die Geschichte des Forums endet nicht mit seinem Verfall ab dem 7./8. Jahrhundert, sondern setzt sich fort, jedoch unter anderen Vorzeichen: Seit dem 15./16. Jahrhundert ist es die vom Befund weitgehend losgelöste, abstrakte Idee vom Forum als Raum staatlicher Repräsentation, die von den jeweils aktuellen Interessen neu modelliert und als Vorbild moderner Plätze (re-)konstruiert wird. Diese aktualisierten Vorstellungen vom Forum haben sich längst als eine zweite Realität etabliert, die sich immer wieder über die Realität der antiken Befunde legt, bis hinein in die (jüngste) Forschungs- und Ausgrabungsgeschichte. Die Geschichte des Forums zwischen antiker Konzeption und neuzeitlicher Rezeption - eine Geschichte, die überraschenderweise bislang nicht zusammenhängend diskutiert worden ist - erweist sich somit als exemplarischer Einblick in die Kulturgeschichte des öffentlich-politischen Raumes überhaupt.
Lektüreempfehlung
Muth, Susanne. Erleben von Raum - Leben im Raum: Zur Funktion mythologischer Mosaikbilder in der römisch-kaiserzeitlichen Wohnarchitektur. Heidelberg: Verlag Archäologie und Geschichte, 1998.
Muth, Susanne. "Die Stadt als Erinnerungslandschaft: Rom in der Spätantike." In Erinnerungsorte der Antike: Die römische Welt, herausgegeben von Karl-Joachim Hölkeskamp und Elke Stein-Hölkeskamp, 438-456. München: Beck, 2006.
Muth, Susanne. Gewalt im Bild: Das Phänomen der medialen Gewalt im Athen des 6. und 5. Jahrhunderts v. Chr. Berlin: De Gruyter, 2007. (Image & Context, Bd. 1.)
Kolloquium, 27.05.2008
Seiner Zeit voraus? Wie das Forum Romanum zu einer neuen Platzstruktur fand
Städtischer Raum ist immer ein vielschichtiger Spiegel seiner Zeit. Das gilt vor allem für den öffentlichen Raum, die Plätze und Zentren in einer Stadt: In ihnen spiegeln sich die verschiedenen Faktoren, die das Gesicht des öffentlichen Raumes prägen und es letztlich gestalten: die Kräfte der Macht, die Bedeutung des Politischen, die Strukturen der Gesellschaft, das Verhältnis zwischen politischer Repräsentation und alltäglichem Leben, die Rolle des Privaten im öffentlichen Raum, die Bedeutung und Struktur von Wirtschaft und Handel, dazu das Wertesystem der Gesellschaft und die Ideologie der Mächtigen, und schließlich der Umgang der Gegenwart mit der Vergangenheit, bzw. den Vergangenheiten in ihrer jeweiligen identitätsstiftenden Qualität. Alles in allem: Betrachten wir öffentliche Plätze in den Städten unterschiedlicher Kulturen und Epochen, so verraten sie uns viel über die jeweiligen Gesellschaften, die sie schufen und die in bzw. auf ihnen lebten.
Für die Erforschung vergangener Kulturen erweisen sich daher urbane Räume - und dabei besonders wiederum die öffentlichen Plätze - als aufschlußreiche Befunde. Sie gilt es im Sinn einer historischen Urbanistik zu entschlüsseln: Was verrät die architektonische und räumliche Struktur dieser Plätze über die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse der jeweiligen Gesellschaft, was über deren Wertvorstellungen und Lebensrituale, was über den Umgang mit der Vergangenheit?
Einen der berühmtesten öffentlichen Plätze in der Antike stellt das Forum Romanum dar, das politische und öffentliche Zentrum des antiken Rom. So, wie sich in der römischen Kultur Machtstrukturen, Wertvorstellungen und Wirtschaftssituationen wandelten, so wandelte sich auch immer wieder das Gesicht dieses öffentlichen Zentrums. Auf einen solchen Moment des Wandels möchte ich in meinem Vortrag den Blick lenken, auf einen der vielleicht tiefgreifendsten Wandel, den das Forum Romanum in der Antike erfahren hat (und es hat viele Veränderungen im Laufe seiner Geschichte vom 7. Jh. v.Chr. bis zum 5./6. Jh. n.Chr. erfahren): es geht um den Moment, als der Platz eine ganz andere Platzstruktur erfuhr - eine Struktur, mit der er seiner Zeit viele Jahrhunderte voraus sein sollte.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Muth, Susanne (Berlin, 2014)
Historische Dimensionen des gebauten Raumes : das Forum Romanum als Fallbeispiel
Muth, Susanne (2009)
Seiner Zeit voraus? : wie das Forum Romanum zu einer neuen Platzstruktur fand
Muth, Susanne (Cambridge, 2008)
Muth, Susanne (Berlin, 2008)
Gewalt im Bild : das Phänomen der medialen Gewalt im Athen des 6. und 5. Jahrhunderts v. Chr. Image & context ; vol. 1
Muth, Susanne (2005)
Im Angesicht des Todes : zum Wertediskurs in der römischen Grabkultur
Muth, Susanne (München, 2005)
Im Angesicht des Todes : zum Wertediskurs in der römischen Grabkultur
Muth, Susanne (2005)
Muth, Susanne (2005)
Überflutet von Bildern : die Ikonophilie im spätantiken Haus
Muth, Susanne (2001)
Muth, Susanne (1999)
Hylas oder 'Der ergriffene Mann': Zur Eigenständigkeit der Mythenrezeption in der Bildkunst