Ewa Lajer-Burcharth, Ph.D.
Professorin der Kunstgeschichte und Architektur
Harvard University
Born in Warsaw
Studied Art History at Uniwersytet Warszawski and at the
City University of New York
Arbeitsvorhaben
Gefährdete Innenräume: Räume des Ichs in der zeitgenössischen Kunst
My project discusses the recurrent trope of the precarious interior in contemporary art. I am considering, among others, the work of artists such as Krzysztof Wodiczko, Jane and Louise Wilson, Pipilotti Rist, Andrea Zittel, and Janet Cardiff in order to explore the meaning of these spatial constructions as symptomatic of an ongoing transformation of interiority. I suggest that, although there are different issues at stake in these projects, they share a concern for what happens to the imagination of the self in the recent context of rapid political, economic and social change. These works, I argue, suggest a profound psycho-cultural transformation in the ways that an individual and collective subjectivity is conceived and I want to examine the forms of these new conceptions so as to address several questions. Are we witnessing the end of interiority as a space? How to imagine subjective autonomy in the era of cultural mobility? Should inner spaces be protected or shared? Do we even need depth?Recommended Reading
Lajer-Burcharth, Ewa. Necklines: The Art of Jacques-Louis David After the Terror. New Haven, Conn.: Yale University Press, 1999.
__. "Interiors at Risk: Precarious Spaces in Contemporary Art." Harvard Design Magazine. What About the Inside? Fall/Winter 2008/2009, 12-21.
__. "Multi-Story: Mary Kelly." In On Fidelity: Art, Politics, Passion, and Event, edited by Milada Slizinska. Warsaw: Center for Contemporary Art, 2008.
__. "Image Matters: The Case of Boucher." In Dialogues in Art History, edited by Elizabeth Cropper. Washington: National Gallery of Art, Center for Advanced Study in the Visual Arts, 2009.
Kolloquium, 15.12.2009
Innenräume und Innerlichkeiten
Der prekäre, verletzte oder auf andere Weise in Frage gestellte Innenraum ist zu einem wiederkehrenden Tropus in der Gegenwartskunst der vergangenen Dekade geworden. Die britischen Künstler Jane und Louise Wilson sind durch die verlassenen Stasi-Quartiere in der ehemaligen DDR gegangen, um mit Hilfe einer Projektion auf zwei Bildschirmen einen eindringlichen Rundgang durch diese verlassenen Orte zu schaffen ("Stasi City", 1997). Die Schweizer Künstlerin Pipilotti Rist produzierte mehrere Videoinstallationen, bei denen Innenräume von innen mit Bildern des äußeren Lebens beschrieben werden (z. B. "Himalaya's Sister's Living Room", 2000). Die amerikanische Künstlerin Andrea Zittel macht maßgeschneiderte Wohnmobile, die als ironische Bastionen des Hyperkonsumenten-Ich fungieren. Andere Beispiele sind die Klanglandschaften und akustischen Interieurs der kanadischen Künstlerin Janet Cardiff (etwa "Opera for a small room", 2005, in Zusammenarbeit mit George Bures Miller), das polnische Künstlergespann Aneta Grzeszykowska und Piotr Smaga mit ihren "Überwachungsplänen" von bewohnten Appartements und das "Multi-Story House" der Amerikanerin Mary Kelly, eine räumliche Repräsentation der subjektiven weiblichen Erfahrung des Feminismus; diese Arbeit wurde letztes Jahr auf der Documenta 12 in Kassel gezeigt.
Die ästhetische Beschäftigung mit dem Innenraum ist meines Erachtens ein Symptom einer gerade stattfindenden radikalen Veränderung der Vorstellung von Innerlichkeit. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen diesen europäischen und amerikanischen Arbeiten, bei denen es um eine breite Palette von Problemen geht, einige von ihnen sind explizit politisch, andere moralisch und technologisch, und einige sind von globaler Bedeutung. Ihnen allen ist jedoch ein anhaltendes Interesse an Innerlichkeit gemeinsam, die als prekär, gefährdet oder übermäßig gehüteter Raum dargestellt wird. Diese Arbeiten weisen also nicht nur auf die weitreichenden sozialen, politischen und wirtschaftlichen Veränderungen hin, die jüngst in den westlichen Demokratien und anderswo aufgetreten sind. Sie sprechen auch von einer grundlegenden psychokulturellen Veränderung, einer wesentlichen Verschiebung in der Vorstellungswelt des Individuums wie auch des kollektiven Selbst. Mit genau diesen neuen Vorstellungswelten möchte ich mich befassen.
Erleben wir jetzt gerade das Ende der Innerlichkeit, wie wir sie kennen, oder vollzieht sich hier nur ein Wandel der Art und Weise, wie sie wahrgenommen wird - also etwa eine Verschiebung von der Vorstellung einer räumlichen Tiefe hin zur Vorstellung einer Oberfläche oder Schnittstelle? Ist die Technik das treibende Moment hinter der Veränderung oder nur ihr Vehikel? Wie sollen wir uns subjektive Autonomie im Zeitalter kultureller Mobilität vorstellen? Sollten Innenräume geschützt oder geöffnet und geteilt werden? Brauchen wir Tiefe? Dies sind einige der Fragen, mit denen ich mich befassen möchte.
Im Kolloquium möchte ich mich auf die Arbeiten zweier Künstler konzentrieren: Krzysztof Wodiczko mit seiner Videoinstallation "Guests" (2009), die bei der letzten Biennale in Venedig ausgestellt wurde, und Chantal Akerman mit ihrem Film "Là-bas" (2009), der ebenfalls in Form einer Installation präsentiert wurde. Im ersten Beispiel wird der Innenraum dazu verwendet, den Platz des Fremden - des Migrantenarbeiters, des Flüchtlings - in der kollektiven kulturellen Vorstellungswelt Europas zu untersuchen. Das zweite Beispiel ist eine innere Untersuchung von Akermans komplexer Beziehung zu Israel und zu sich selbst. Obwohl beide Werke ein Interesse an der Vorstellung einer Innerlichkeit haben, die nicht mit sich selbst identisch ist, wird Innerlichkeit im ersten Werk als Basis für eine Gemeinschaft verstanden, die nicht auf Identitätspolitik beruht, im zweiten Werk als eine persönliche Notwendigkeit.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Lajer-Burcharth, Ewa (Berlin, 2011)
Lajer-Burcharth, Ewa (2009)
Image matters : the case of Boucher
Lajer-Burcharth, Ewa (Washington, 2009)
Image matters : the case of Boucher