Claus Pias, Dr. phil.
Professor für Erkenntnistheorie und Philosophie der digitalen Medien
Universität Wien
Geboren 1967
Studium der Elektrotechnik an der RWTH Aachen und Kunstgeschichte, Neuere und Ältere Germanistik, Philosophie und Kirchengeschichte an den Universitäten Bonn und Bochum
Arbeitsvorhaben
Computersimulation: Zur Technikgeschichte wissenschaftlichen Wissens seit 1945
Das Projekt ist einer Geschichte und Theorie der Computersimulation gewidmet. Dabei stehen drei Fragen im Vordergrund: 1. Welche epistemologischen und wissenschaftstheoretischen Veränderungen bedeutet die Computersimulation für verschiedene Wissenschaften? Wie verändern sich die Verhältnisse von Beweis und Demonstration, Gesetz und Regel, Wahrheit und Richtigkeit, Performanz und Berechenbarkeit? 2. Mit welchen historiographischen Verfahren wäre eine Geschichte der Computersimulation angemessen zu schreiben? In welcher Weise und mit welchen Limitationen lassen sich dabei bspw. Ansätze zur material culture aus den laboratory studies übertragen und welcher spezifischen Ergänzungen bedürfen sie? 3. Inwiefern sind gegenwärtig zirkulierende Konzepte und Begriffe der Wissenschaftsforschung (heterogene Kollektive, Actor-Network-Theory, konstruktivistische Erkenntnistheorie u. a.) selbst schon einer Mediengeschichte der Computersimulation geschuldet? Und was bedeutet ihre Herkunft aus einer wissenschaftlichen Praxis für ihr kritisches Potential bei der Beschreibung eben dieser Praxis?Während des Aufenthalts am Wiko sollen dabei insbesondere zwei Aspekte erforscht werden: Einerseits soll die Konzeptualisierung und Implementierung objektorientierter Programmiersprachen in der "Achsenzeit" der 1960er Jahre, andererseits die Entstehung und Diskussion agentenbasierter Simulationsmodelle anhand ausgewählter Beispiele aus Ökonomie, Sozialwissenschaften und Epidemiologie rekonstruiert werden.
Lektüreempfehlung
Pias, Claus. "Klimasimulationen." In Zwei Grad: Der Mensch und sein Wetter, herausgegeben von P. Lutz und T. Macho, 109-116. Göttingen: Wallstein, 2008.
__. "‚Hollerith Feathered Crystal.' Art, Science, and Computing in the Era of Cybernetics." GreyRoom 29 (2007): 110-133.
__. "‚One-Man Think Tank.' Herman Kahn, oder wie man das Undenkbare denkt." Zeitschrift für Ideengeschichte III/2 (2009): 5-16.
Kolloquium, 13.04.2010
Zur Epistemologie der Computersimulation
Seit einem halben Jahrhundert haben Computersimulationen (CS) das Wissen und die Praxis der Wissenschaften fundamental verändert. Kaum ein Forschungszweig - ob nun Ökonomie oder Sozialwissenschaft, Physik oder Biologie, Ingenieurswissenschaften oder Meteorologie - ist heute ohne CS mehr arbeitsfähig. Dabei haben CS einerseits eine neue Klasse von Problemen erst hervorgebracht, die auf analytischem Wege und ohne Digitalcomputer gar nicht wissenschaftlicher behandelbar gewesen wären. Andererseits haben sie das Verhältnis von Theorie und Experiment in einer Weise verschoben, die die betroffenen Wissenschaften in "Verhaltenswissenschaften" von Systemen transformiert hat. Dieser Prozess vollzieht sich historisch in Abhängigkeit von einer Hard- und Softwareentwicklung, die zugleich Motor und Möglichkeitsbedingung bestimmter Forschungsfelder und Theorien ist ("simulability"). Dieser grundlegende Umbruch wissenschaftlicher Wissensproduktion ist bislang kaum erforscht worden.
Dabei geht es um drei zentrale Forschungsfragen: 1. Was sind die epistemologischen und wissenschaftstheoretischen Konsequenzen von CS? Wie verändern sich die Kategorien von Performanz und Berechenbarkeit, von Beweisen und Demonstrationen, von Gesetzen und Regeln, und welche Rolle spielt Visualisierung dabei? 2. Mit welchen historiographischen Verfahren kann eine Geschichte der CS angemessen geschrieben werden? Was sind ihre Quellen und wie lassen sich bspw. Ansätze aus den "Laboratory Studies", der Technikgeschichte und der Medienwissenschaft adaptieren? 3. Inwiefern sind gegenwärtig zirkulierende Konzepte und Begriffe der Wissenschaftsforschung (z. B. heterogene Kollektive, Actor Network Theory, Konstruktivistische Erkenntnistheorie) selbst schon einer Geschichte der CS (insbesondere der agentenbasierten CS) geschuldet? Und was bedeutet ihre Herkunft aus einer wissenschaftlichen Praxis für ihr kritisches Potential gegenüber dieser Praxis (z. B. Klimaforschung)?
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Pias, Claus (2011)
On the epistemology of computer simulation
Pias, Claus (Zürich, 2010)
Pias, Claus (Zürich, 2010)
Think Tanks : die Beratung der Gesellschaft
Pias, Claus (2009)
"electronic overheads": Elemente einer Vorgeschichte von PowerPoint
Pias, Claus (2009)
"One-Man Think Tank": Herman Kahn, oder wie man das Undenkbare denkt
Pias, Claus (2009)
Abschreckung denken: Herman Kahns Szenarien
Pias, Claus (2009)
Pias, Claus (Frankfurt am Main, 2009)
PowerPoint : Macht und Einfluss eines Präsentationsprogramms Fischer Taschenbücher ; 18411 : Medientheorie
Pias, Claus (Bielefeld, 2009)
Abwehr : Modelle - Strategien - Medien Edition Moderne Postmoderne
Pias, Claus (2008)
Hollerith "gefiederter" Kristalle : Kunst, Wissenschaft und Computer in Zeiten der Kybernetik