Frank Fehrenbach, Dr. phil.
Professor der Kunstgeschichte
Harvard University
Born in 1963 in Oberndorf a. N., Baden Württemberg
Studied Art History, Medieval and Modern History, and Philosophy at the Eberhard Karls Universität Tübingen and at the Universität Basel
Arbeitsvorhaben
"Lebendigkeit" in Kunst und Kunsttheorie der italienischen Renaissance
As a topos of ekphrasis, the esthetic power of artists to animate their products leads back to antiquity. In the Italian Renaissance, vivacità (and its semantic variations) becomes the most widespread category of esthetic praise. This is embedded in a mythology of life that interprets cultural history in analogy to the living organism, to aging and renewal (or reproduction), and it is paralleled by a natural philosophy that works as pan-psychism or "spiritual naturalism" against dualistic paradigms. Giorgio Vasari uses the topos of enlivenment in his Lives in an almost inflationary way, as one of the most important esthetic characteristics of the "third manner", the perfection of art after ca. 1500. However, vivacità is an achievement that goes well beyond mere lifelikeness. The category of vividness requires explorations along the borderline of the visible and the invisible, an oscillation - and this is Vasari's point - that characterizes the living organism itself: "this gracious and sweet facility that appears between the seeing and non-seeing, as can be seen in flesh and living things."It will be crucial to keep the proper "life" of this vast topic and its tendency to transgress any thematic border mildly under control. My project at the Wissenschaftskolleg starts with early modern conceptualizations of "life" (in natural philosophy and medicine), and confronts them with strategies of representation and response. Paradigms for my flexible approach to "enlivenment" will include: the esthetics of force (Giotto's legacy); compositio; monochrome sculpture and the emergence of life in 15th-century Italian art; analogies between money and art (Titian); portraiture and petrification (Moroni, Bronzino); gazes and glances; the ruler as statue (triumphal entries); tombs; enlivenment as transgression (Vasari); and the metonymy of materials (Marino).
Recommended Reading
Fehrenbach, Frank. Compendia mundi. Gianlorenzo Berninis 'Fontana dei Quattro Fiumi' (1648-51) und Nicola Salvis 'Fontana di Trevi' (1732-62). Berlin and München: Deutscher Kunstverlag, 2008. (I Mandorli, 7.)
-. "Calor nativus - Color vitale. Prolegomena zu einer Ästhetik des 'Lebendigen Bildes' in der frühen Neuzeit." In Visuelle Topoi: Erfindung und tradiertes Wissen in den Künsten der italienischen Renaissance, edited by Ulrich Pfisterer and Max Seidel, 151-170. Berlin and München: Deutscher Kunstverlag, 2003.
-. Licht und Wasser: Zur Dynamik naturphilosophischer Leitbilder im Werk Leonardo da Vincis. Tübingen: Wasmuth, 1997. (Tübinger Studien zur Archäologie und Kunstgeschichte, 16.)
Kolloquium, 15.02.2011
"Lebendigkeit" im Kunstdiskurs der Italienischen Renaissance
Mein Projekt am Wissenschaftskolleg zielt darauf, einen der prominentesten Topoi des Kunstdiskurses der italienischen Renaissance zu analysieren: Lebendigkeit. Für Giorgio Vasari, den einflussreichsten Kunsthistoriker aller Zeiten, markiert der Begriff mit seinen semantischen Derivaten (vivacità, vivezza, più vivo della vita etc.) das zentrale Kriterium seines Epochenmodells, das mit der Wiedergeburt der Künste in Florenz um 1260 beginnt und in Michelangelo kulminiert. Erst in der "terza maniera", der Kunst nach 1500 (beginnend mit Leonardo da Vinci), scheinen die Gemälde und Skulpturen wirklich zu leben. Was Lebendigkeit meint, wird von vielen Autoren mit Aristoteles beantwortet: vorwiegend Selbstbewegung, Reproduktion (Atmung) und Wahrnehmung, die klassischen Merkmale des belebten tierischen Organismus. Auch die Verwendung der biologischen Kategorie im Kunstdiskurs hat eine Vorgeschichte, die bis in die griechische Antike zurückreicht. Kurz nach 1300 spricht Dante dann dem höchsten Künstler, Gott, die Fähigkeit zu, die von ihm verfertigten erzählerischen Marmorreliefs im Purgatorium lebendig und dabei sogar die Toten wirklich tot erscheinen zu lassen.
Die Autoren der Renaissance bleiben nicht bei der frappierenden Lebendigkeit der Werke stehen. Meist ist der Lobtopos Teil einer dialektischen Konstellation, bei der die faktische Leblosigkeit des Artefakts ständig umschlägt in die Emergenz, oder, wie Niklaus Largier vielleicht sagen würde, die Möglichkeit des Lebens - und vice versa. Gerade diese Oszillation ist es, an der Künstler und Betrachter viel mehr interessiert sind als am restlosen Sinnestrug (Automaten, Doppelgänger, Horror, Pornographie). Für diese Dialektik ist das dichterische Diptychon paradigmatisch, das Petrarca in seinem Canzoniere in den Sonetten 77 und 78 komponiert: atmender, blickender Leib und Seele der Geliebten scheinen in ihrem Porträt zu leben (77) -, aber es bleibt stumm und gibt auf die Fragen des Liebenden keine Antwort (78). Die Dialektik von Präsenz und Entzug bleibt unaufhebbar; sie beruht auf der aktiven, sinnlich-imaginativen Teilnahme der Betrachter. In meinem Projekt geht es auch darum, diese Oszillation im naturphilosophischen und medizinischen Diskurs der Frühen Neuzeit über das "Lebendige" selbst nachzuweisen (als Einschluss des Toten im Organismus).
Für meine Darstellung werde ich mich auf zwei Fallbeispiele des 16. Jahrhunderts konzentrieren, Michelangelos Non-finito und ein Porträt Tizians, eingerahmt durch einige generelle Überlegungen zum Projekt und eine vorläufige Kapitelgliederung des geplanten Buches.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Fehrenbach, Frank (München, 2023)
Giotto und die Physiker : Dynamiken des Bildes um 1300 Themen ; Bd. 109
Fehrenbach, Frank (2013)
"Tra vivo e spento" : Marinos lebendige Bilder
Fehrenbach, Frank (2011)
Leonardo da Vinci : Proportionsstudie nach Vitruv
Fehrenbach, Frank (München, 2008)
Compendia mundi : Gianlorenzo Berninis Fontana dei Quattro Fiumi (1648 - 51) und Nicola Salvis Fontana di Trevi (1732 - 62) I Mandorli ; 7
Fehrenbach, Frank (Berlin, 2005)
Kohäsion und Transgression : zur Dialektik lebendiger Bilder
Fehrenbach, Frank (2002)
Blick der Engel und Lebendige Kraft: Bildzeit, Sprachzeit und Naturzeit bei Leonardo
Fehrenbach, Frank (München, 2002)
Leonardo da Vinci : Natur im Übergang ; Beiträge zu Wissenschaft, Kunst und Technik Bild und Text
Fehrenbach, Frank (Tübingen, 1997)
Licht und Wasser : Zur Dynamik naturphilosophischer Leitbilder im Werk Leonardo da Vincis Tübinger Studien zur Archäologie und Kunstgeschichte ; Band 16
Fehrenbach, Frank (Ostfildern, 1996)
Die goldene Madonna im Essener Münster : der Körper der Königin KunstOrt Ruhrgebiet ; 4