Steven Feierman, Ph.D., D.Phil.
Professor der Geschichts- und Wissenschaftssoziologie und Professor der Geschichte
University of Pennsylvania
Born in 1940 in New York City
Studied History at Northwestern University and
Social Anthropology at Oxford University
Schwerpunkt
Dilemmata in der Berufspraxis der Medizin in Afrika
Arbeitsvorhaben
Medizin in Afrika: die Wirksamkeit von Laien-Netzwerken
The proposed research project assesses the role, in the medical systems of eastern, central, and southern Africa, played by networks of ordinary people who provide care, money, and other resources for sick people. The argument of the book, which is partially completed, is that these networks of lay people hold authority over the process of treatment, even for patients in hospital and for patients being treated by traditional healers. Lay people also constitute an informal, and crucially important, system of health insurance, to a much greater extent than in industrial countries. The study shows that biomedical health care is structured in fundamental but largely invisible ways by this system of support. The book examines both current practices and their historical roots.Recommended Reading
Feierman, Steven. "Explanation and Uncertainty in the Medical World of Ghaambo." Bulletin of the History of Medicine, Summer 2000.
-. Peasant Intellectuals: Anthropology and History in Tanzania. Madison: University of Wisconsin Press, 1990.
-. "When Physicians Meet: Local Medical Knowledge and Global Public Goods." In Ethics and the Ethnography of Medical Research in Africa, edited by Paul Wenzel Geissler and Sassy Molyneux (forthcoming).
Kolloquium, 22.02.2011
Sozialmedizin in Afrika
Medizinische Betreuung umfasst verschiedenartige Elemente: intime und praktische, etwa eine Patientin zu trösten und sie zu füttern, und ebenso technische (ein Röntgenbild zu interpretieren oder eine Medikamentendosis zu berechnen). In Ost-, Mittel- und Südafrika wird diese Mischform anders konstruiert als in den USA oder Westeuropa. Im vergangenen Jahrhundert und noch heute haben die zuständigen öffentlichen Institutionen noch nicht einmal für Minimalleistungen in Sachen Gesundheitsfürsorge oder soziale Unterstützung gesorgt. Die ganz normalen Menschen sind für eine ganze Reihe von Funktionen zuständig, die in anderen Ländern ein Teil des formalen Systems sind. Der Patient wird von anderen Menschen unterstützt, und sie sind es, die für den Transport ins Krankenhaus und dort auch für Nahrung, Geld und Pflege des Kranken sorgen. Zuhause übernehmen Pflegenetzwerke die Verantwortung für psychisch Kranke, tödlich Erkrankte und Waisen. Die Menschen, die diese Pflegelasten tragen, treffen auch die wichtigsten Entscheidungen. Wie heißt die Krankheit? Geht der Patient zu einer Medikamentenausgabe oder einem traditionellen Heiler oder bleibt er zuhause? Wird der Patient das Krankenhaus noch vor der Entlassung verlassen?
Diese Pflegeinstitutionen müssen groß und robust genug sein, um schwere Lasten zu schultern; und gleichzeitig müssen sie beweglich genug sein, um ohne eine formale Struktur zu funktionieren. Ein hohes Maß wohldurchdachter Strategien geht in ihren Aufbau ein. Pflegenetzwerke haben eine lange Geschichte. Einige heute übliche Praktiken haben ihre Wurzeln in mikropolitischen Einheiten, die kurz nach der europäischen Eroberung verschwanden. Oft verwenden die Menschen eine therapeutische Sprache, die in der traditionellen Heilkunst verankert ist; hier können Medikamente nur wirken, wenn sie im richtigen Feld menschlicher Beziehungen verankert sind. Diese Beziehungs- oder soziale Wirksamkeit, die mit reduktionistischen Begriffen nur schwer zu verstehen ist, hat ihren Sinn in einer Welt, in der man wahrscheinlich eher nicht überlebt, wenn man keine Unterstützung von anderen bekommt. Unterdessen haben Entscheidungen, die in Pflegenetzwerken getroffen werden, einen starken Einfluss auf die Wirksamkeit formaler Medizin. Sie formen die biomedizinischen Krankheitsdefinitionen, die in der Praxis des Krankenhauses verwendet werden, sind wichtig für das Verständnis von Medikamentenresistenzen und zeigen die Prinzipien, die den Einverständniserklärungen von Versuchspersonen zugrunde liegen.
Die Unterstützungsnetzwerke sind systemisch wichtige Institutionen in der gesamten Region, und dennoch sind sie für die öffentlichen Entscheidungsträger unsichtbar. Die internationalen Behörden fragen nach der Last der Krankheiten; die Mitglieder des Netzwerks konzentrieren sich dagegen auf die Lasten der Pflege. Die Planungen auf globaler Ebene, oft in gutem Glauben konzipiert und aus guten Gründen durchgeführt, drängen Hunderte Millionen lokaler Akteure in die Rolle stummer Zuschauer. Einige politische Strategien unterminieren die Pflegenetzwerke und lassen die Menschen im Zustand der Schutzlosigkeit zurück. Um zu verstehen, warum diese regionale Institution unsichtbar ist, müssen wir untersuchen, wie das sozialwissenschaftliche Wissen über Afrika verwendet wird. Die Menschen, die auf hohen Ebenen planen, betrachten ethnographisches Wissen als etwas Lokales und Anekdotisches. Sie stützen sich entweder auf globale Datenerhebungen, die alle lokalen Besonderheiten ausblenden, oder auf mangelhafte demographische Studien, die die im Netzwerk ablaufenden Prozesse gar nicht erfassen können. Ich bin gerade dabei, ein Buch über Ost-, Mittel- und Südafrika abzuschließen, mit dem ich mehrere Ziele verfolge. Es ist ein historisches Essay über die Schwäche medizinischer Autorität, eine längere Reflexion zur Idee medizinischer Wirksamkeit und eine Darstellung von Pflegeinstitutionen im Wandel der Zeiten und an verschiedenen Orten.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Feierman, Steven (2012)
Caring for Arfican health care : reading clinical case studies for systemic insights
Feierman, Steven (2011)
When physicians meet : local medical knowledge and global public goods
Feierman, Steven (2010)
Anthropology, knowledge-flows and global health
Feierman, Steven (2000)
Explanation and uncertainty in the medical world of Ghaambo
Feierman, Steven (Madison, Wis. [u.a.], 1990)
Peasant intellectuals : anthropology and history in Tanzania