Wolfgang Holzgreve, Dr. med., Dr. h.c. mult.
Professor für Geburtshilfe und Gynäkologie
Universitätsklinikum Freiburg
Geboren 1955 am Möhnesee, Nordrhein-Westfalen
Studium der Medizin an der Universität Münster, der University of California, Berkeley und der University of California, San Francisco
Arbeitsvorhaben
Capacity building zur Verbesserung der Mutter-Kind-Vorsorge in Entwicklungsländern
Die häufigste Ursache bei den 500.000 mütterlichen Todesfällen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt weltweit ist die postpartale Hämorrhagie, die in über 80% der Fälle verhindert werden könnte. Hier sollen die Erfahrungen mit einkommensschwachen Ländern aus den Partnerschaftsprogrammen der Internationalen Gynäkologenvereinigung FIGO ausgewertet werden, vor allem die Bedeutung des preisgünstigen und leicht zu verabreichenden Medikaments Misoprostol, mit dem ich mich bereits früher wissenschaftlich beschäftigt habe. Besonders möchte ich mich dabei auf das kleine, rohstoffarme Land Eritrea konzentrieren, zu dem ich einen besonders guten Zugang habe.Angestrebt wird ein nachhaltiges "Capacity Building" basierend auf wissenschaftlichen Daten.
Lektüreempfehlung
Hahn, S., W. Holzgreve. "Fetal cells and cell-free fetal DNA in maternal blood: new insights into pre-eclampsia." Human Reproduction Update 8, 6 (2002): 1-8.
Holzgreve, W., S. Hahn, X. Y. Zhong, O. Lapaire, I. Hösli, S. Tercanli, P. Miny. "Genetic communication between fetus and mother: short- and long-term consequences." Am J Obstet Gynecol (2007): 372-382.
Osterhues. A., W. Holzgreve, K. B. Michels. "Shall we put the world on folate?" Lancet 374 (2009): 959-961.
Surbek, D. V., P. M. Fehr, I. Hösli, W. Holzgreve. "Oral misoprostol for third stage of labor: A randomized placebo-controlled trial." Obstet Gynecol 94 (1999): 255-258.
www.wolfgang-holzgreve.de
Kolloquium, 19.07.2011
Hilfe zur Selbsthilfe (Capacity Building) zur Verbesserung der Mutter-Kind-Fürsorge in Entwicklungsländern
Die Mutter-Kind-Gesundheit in der Welt ist durch große Ungleichheit charakterisiert. So liegt z. B. das Lebenszeitrisiko, an den Folgen von Schwangerschaft und Geburt zu sterben, bei einer Frau in Eritrea 1:44, in Irland nur 1:47600. Die Müttersterblichkeit pro Jahr beträgt dort 1:360 000. 1 Mio. Kinder sterben pro Jahr, weil ihre Mutter verstorben ist. Ungefähr 98% aller mütterlichen und kindlichen Sterbefälle weltweit treten in den Ländern mit niedrigem Pro-Kopf-Einkommen auf.
Viele nationale und internationale Regierungs- und Nicht-Regierungsorganisationen haben versucht, diese inakzeptable Situation zu verbessern. Es ist interessant, dass es auf allen Kontinenten Beispiele für erfolgreiche Länder gibt, während gleichzeitig viele scheitern.
Während meines WIKO-Jahres konnte ich systematisch Faktoren identifizieren und analysieren, die zu den mehr oder weniger erfolgreichen Ergebnissen in den verschiedenen Ländern beigetragen haben, und bei dieser Analyse ging es u. a. um:
- Die genaue Feststellung der Gründe, warum Mütter und deren Kinder sterben
- Die Bestimmung von Verbesserungsstrategien, die sich als erfolgreich erwiesen haben und die möglicherweise von dem einen auf ein anderes Land übertragbar sind.
- Die Identifikation der politischen Faktoren, die ein Teil der Lösung anstatt ein Teil des Problems sein können.
Durch unsere Arbeit mit einer deutschen Nicht-Regierungsorganisation (NGO), die eine jahrelange enge Zusammenarbeit mit Kollegen/innen in Eritrea auf dem Gebiet der Mutter-Kind-Gesundheit pflegt, konnten wir in diesem kleinen (4,9 Mio. Einwohner) und armen Land bei einigen Entwicklungen helfen und Hypothesen folgen, welche Strategien wir auf der Basis unserer Analysen als erfolgreich und nachhaltig erkannt hatten. Während meiner WIKO-Zeit konnte ich als Vorstandsmitglied der mehr als 120 nationale Gesellschaften umfassenden Internationalen Vereinigung für Gynäkologie und Geburtshilfe (FIGO) und Mitglied der Delegation der Akademien der Wissenschaften beim G8/20-Treffen in Kanada einige Lobbyarbeit leisten. Die Vereinten Nationen (UN) haben nun über 40 Mrd. US $ zur Verbesserung der Mutter-Kind-Gesundheit in der Welt zugesichert. Wichtig ist nun, dass evidenz-basierte Strategien eingesetzt werden, um die Sicherheit von Müttern und Kindern nachhaltig zu verbessern. Dies betrifft insbesondere folgende Aktivitäten:
- Bereitstellung von Prophylaxe- und Therapiemaßnahmen zur Bekämpfung der postpartalen Hämorrhagie (PPH) und Verbreitung des kostengünstigen und gut wirksamen Medikamentes Misoprostol, auch wenn dieses leider nur im "Off-label"-Gebrauch zur Verfügung steht.
- Bereitstellung von Kontrazeptiva und Methoden für sichere Schwangerschaftsabbrüche
- Bekämpfung sexuell übertragbarer Erkrankungen einschließlich der HPV-Impfung gegen das Zervixkarzinom und der in Afrika weit verbreiteten Praxis der weiblichen Beschneidung.
Im Gegensatz zu den regierungsabhängigen internationalen Organisationen wie WHO und UN konnten wir mit den Möglichkeiten der FIGO und einer NGO unseren Schwerpunkt auf die Zusammenarbeit mit Kollegen/innen legen, sozusagen als "Hilfe zur Selbsthilfe" (Capacity Building), z. B. durch die Schaffung und Unterstützung professioneller Fachorganisationen, durch die Anpassung internationaler Richtlinien auf nationale Gegebenheiten. Bei unserer wissenschaftlichen Analyse fand ich heraus, dass das Konzept ausgebildeter Geburtsbegleiter auf dem Lande zwar positive Auswirkungen auf die Mutter-Kind-Gesundheit gehabt hat, aber bei einer PPH kann eine Lebensrettung häufig nur in Zentren mit entsprechender Ausstattung erfolgen. In Zukunft muss die international wachsende finanzielle Unterstützung in einer evidenz-basierten Weise genutzt werden, um die Ziele auf wissenschaftlicher Basis in nachhaltiger Weise zu erreichen.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Holzgreve, Wolfgang (Osfrod, UK, 2012)
Maternal mortality in Eritrea : improvements associated with centralization of obstetric services
Holzgreve, Wolfgang (Warszawa, 2011)
Wyrównywanie niedoborów folianów u kobiet w wieku rozrodczym
Holzgreve, Wolfgang (2011)
Risk factors in prolonged postpartum urinary retention : an analysis of six cases
Holzgreve, Wolfgang (2011)
Holzgreve, Wolfgang (2010)
Transplacental traffic after in utero mesenchymal stem cell transplantation
Holzgreve, Wolfgang (2010)
Diagnosis and treatment of iron-deficiency anaemia during pregnancy and postpartum
Holzgreve, Wolfgang (2007)
Genetic communication between fetus and mother : short- and long-term consequences