Reinhard Strohm, Dr. phil.
Professor für Musik
Universität Oxford
Geboren 1942 in München
Studium der Musikwissenschaft, Romanistik, Lateinischen Philologie des Mittelalters und Violine an der Universität München, der Scuola Normale Superiore, Pisa und der Technischen Universität Berlin
Arbeitsvorhaben
Oper - Nostalgie - Klassizismus: die italienische Oper des 18. Jahrhunderts in Mittel- und Norddeutschland
Bekanntlich war die Oper des 18. Jahrhunderts, und besonders die italienische, ein europäisches Kulturphänomen, das mit den Mitteln der Literatur, der Musik und des Theaters die Gesellschaft selbst in ihrem Umbruch zwischen absoluter Monarchie und bürgerlichem Staatswesen repräsentieren half. In den vom Ursprungsland der Oper durch Sprache, Konfession, Wirtschafts- und Sozialstruktur weiter entfernten Regionen Deutschlands spielte die Oper daneben noch eine andere kulturprägende Rolle: Sie wurde zum Fokus und Symbol von kultureller Nostalgie und sogar Zivilisationsangst, und gerade dadurch zum Diskursthema einer sich neu formierenden Öffentlichkeit.Das Projekt erforscht die "Oper im Kopf" als ein mentalitätsgeschichtliches Phänomen: nämlich ein Phänomen der Anpassung, Aneignung und Identitätsfindung ihrer Träger und Konsumenten selbst. Zu ihnen gehören Künstler, Zuhörer, Kritiker, Mäzene, Musik- und Librettosammler, Literaten, Publizisten, Lehrer, Theaterleute, Diplomaten und Hofbeamte. Als Mentalitätsanalyse der Selbstvermittlung durch Oper untersucht das Projekt nicht nur in der Region (z. B. in Berlin, Dresden, Hamburg) aufgeführte Werke und die sich daran heftenden Diskurse, sondern auch Partitur- und Librettosammlungen, zuhause nachgespielte Klavierauszüge, Besprechungen in schöngeistigen Magazinen und Hofnachrichten, musiktheoretische und poetische Schriften sowie malerische und szenische Reflexionen neuer und nachgespielter Opern. Das Projekt ist auf Berlin als wichtigsten Sammelort dieser Quellen fokussiert.
Ein Ziel dieser Forschung ist es, einen Beitrag zur Erschließung jener europäischen Bewusstseinshaltung zu leisten, die sich Fernes und Alternatives systematisch und enthusiastisch aneignete und daraus Neues zu machen lernte, so wie es von der humanistischen Antikenrezeption bis hin zur kulturellen Globalisierung der heutigen Welt immer wieder der Fall gewesen ist.
Lektüreempfehlung
Strohm, Reinhard. "Die klassizistische Vision der Antike: Zur Münchner Hofoper unter den Kurfürsten Max II. Emanuel und Karl Albrecht." Archiv für Musikwissenschaft 64/1 (2007): 1-22 und 64/2 (2007): 77-104.
-. "'Les Sauvages', Music in Utopia, and the Decline of the Courtly Pastoral." Il Saggiatore musicale 12/1 (2004): 21-49.
-. Dramma per Musica: Italian Opera Seria of the Eighteenth Century. New Haven and London: Yale University Press, 1997.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Strohm, Reinhard (Beograd, 2019)
Strohm, Reinhard (2009)
Strohm, Reinhard (s.n., 2009)
Bach : text and drama Understanding Bach: web journal of Bach Network UK ; 4
Strohm, Reinhard (Firenze, 2008)
The operas of Antonio Vivaldi Studi di musica Veneta
Strohm, Reinhard (2006)
Der Tod des Autors und die Wiederbelegung der Musik : Opera seria, Moderne und Postmoderne
Strohm, Reinhard (Cambridge [u.a.], 2005)
The rise of European music, 1380 - 1500
Strohm, Reinhard (2004)
Neue Aspekte von Musik und Humanismus im 15. Jahrhundert
Strohm, Reinhard (Oxford, 2000)
Rodelinda, regina de' Longobardi : dramma per musica