Claudio Lomnitz, Ph.D.
Professor der Anthropologie
Columbia University, New York
Born in 1957 in Santiago de Chile
Studied Anthropology at the Universidad Autónoma Metropolitana México and at Stanford University
Arbeitsvorhaben
Die kulturellen Bedingungen der mexikanischen Revolution
I am writing a book that traces the history of the Partido Liberal Mexicano - a Mexican anarchist and socialist party - from the politicization of its principal leaders in the 1890s in Mexico City through their experience in exile in the United States beginning in 1904 to their participation in the Mexican Revolution. This empirical work is being developed as a historical response to two fundamental questions: What were the cultural conditions of the Mexican Revolution? What was the significance of grass-roots transnational relations in the formation of the Revolution both as a practical possibility and as a set of (ideological) projects? The book also seeks to explain one interesting feature of the Mexican Revolution: its ideological inconsistency. This aspect of the revolution has often made it appear rather exceptional and as a result has led to insufficient consideration of the significance of the case for broader theorization on the historical sociology of revolutions. The work that I am doing is meant to redress this situation by making "ideological incoherence" intelligible from a comparative perspective.Recommended Reading
Lomnitz, Claudio. Death and the Idea of Mexico. New York: Zone Books, 2005.
-. "Anti-Semitism and the Ideology of the Mexican Revolution." Representations 110 (2010): 1-28.
-. "Times of Crisis: Historicity, Sacrifice and the Spectacle of Debacle in Mexico City." Public Culture 15, 1 (2003): 127-147.
Kolloquium, 24.01.2012
Die Evangelien des Ricardo Flores Magón
In meinem Vortrag möchte ich Ihnen die groben Umrisse eines Buches präsentieren, an dem ich seit meiner Ankunft in Berlin und in der Wiko-Gemeinschaft arbeite. Das Buch ist eine narrative Geschichtsschreibung - mit einem großen Interesse an Bäumen und manchmal nur wenig Interesse am Wald, befürchte ich. Zumindest empfinde ich mein Projekt momentan so.
In dem Buch geht es um die historische Anthropologie einer Revolution in einem Land, das erst vor kurzem das geschafft hat, was ich an anderer Stelle als "Übergang in die Abhängigkeit" bezeichnet habe. Dieser Übergang umfasste auch die Festlegung der Grenze bzw. Grenzregion, die Mexiko von den Vereinigten Staaten trennt - ein Übergang, den Friedrich Katz als allmähliche Verwandlung von einem Pioniergebiet (frontier) zu einer Staatsgrenze bezeichnete und den Frederick Jackson Turner als das Ende der Kolonisierung des Westens in den 1890er Jahren beschrieb. Die revolutionäre Fraktion, die ich untersuche, entwickelte sich an dieser neuen Grenze und benutzte sie auf neuartige Weise.
"Die Evangelien des Ricardo Flores Magón" ist eine detaillierte Studie über zwei miteinander verzahnte Zirkel. Der eine scharte sich um die Junta Organizadora der Liberalen Mexikanischen Partei - einer Partei, die sich 1908 (das ist der Zeitraum, in dem das Buch beginnt) zu gleichen Teilen aus Anarchisten und Sozialisten zusammensetzte, aber die Anarchisten dominierten - und der andere bestand aus einer Gruppe von amerikanischen Sympathisanten und aktiven Unterstützern, die alle Mitglieder der American Socialist Party waren.
Das Buch will:
1. die "ideologische Kohärenz" und die "Reinheit des Motivs" darstellen und begrifflich untersuchen - in einer Revolution, deren Charakteristikum die ideologische Inkohärenz war (ich möchte das in meinem Vortrag erklären, denn dies ist eine Schlussfolgerung, die aus meinen früheren Arbeiten stammt).
2. eine detaillierte Darstellung des Phänomens der internationalen Zusammenarbeit bei der Mexikanischen Revolution bieten. Das ist ein wichtiges Thema, denn die Erkenntnis von der Schlüsselrolle der USA in Wirtschaft und Politik und der amerikanisch-mexikanischen Grenze ist in Bezug auf Gesellschaft und Ideologie noch nicht erforscht worden.
3. eine geschichtliche Verortung der Mexikanischen Revolution anhand der Erforschung dieser Gruppe leisten, die in der mexikanischen Öffentlichkeit (und in der Geschichtsschreibung) zwar immer als ideologisch zentral, aber zeitlich als marginal dargestellt wird. Die mexikanischen Liberalen wurden als "Vorläufer" der Mexikanischen Revolution abgestempelt, tatsächlich aber waren sie Zeitgenossen der Revolution. Das Problem dieser "Unzeitlichkeit" oder des "Uchronismus" geht mit dem Vorwurf des "Utopismus" gegenüber dieser Gruppe einher, was die vermeintliche Reinheit der Gruppe und gleichzeitig ihre verschobene zeitliche Einordnung Rechnung erklärt (Vorgänger, nicht Zeitgenossen).
4. das Verhältnis von Ehre, Liebe und Verrat in der Geschichte dieser beiden Gruppen zeigen. Die intime Geschichte, die ich hier erforsche, ist ein Fenster in die soziale Welt, die Mexikos "reinste" Revolutionäre hervorgebracht hat, und trägt zur Erklärung der praktischen Begrenzungen und der ideologischen Anziehung ihrer Bewegung bei.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Lomnitz, Claudio (2009)
Chronotopes of a dystopic nation : the birth of "dependency" in late Porfirian Mexico