Ioana Macrea-Toma, Dr.
Geschichte
Bukarest
Born in 1978 in Sibiu, Romania
Studied History at the Central European University, Budapest, Comparative Literature at the Université d'Artois, and Comparative Literature at Universitatea Babesss-Bolyai, Cluj-Napoca
Fellowship
EURIAS-Fellow
Arbeitsvorhaben
Analyse von Texten gegenseitiger Berichterstattung quer durch den Eisernen Vorhang: Intellektuelle Netzwerke und archivarische Episteme
One of the most ardent political-cultural struggles in the former communist states is the evaluation of the moral profiles of some of their leading intellectuals. It is not my task, however, to inventory cases or take sides. The aim of the present project is to question the revelatory dimensions of the data used in the "battle of the files" and also to reconstruct the history of how such data has been symbolically invested with classificatory authority. I will therefore attempt to enhance a meta-critical approach to the classifying and documenting of "resistances" as well as of "truthful" behaviors under communism by investigating the practice of "observing", "monitoring", and "commenting" of "deviances" by external and internal critical agencies during the Cold War.The methods used will be, first of all, the selection of cases of mutual counter-reporting, and, afterward, the analysis of their representational and data organizational system (the reconstruction of the information processing, the mapping of the social networks involved, and, last but not least, the interpretation of the underpinning ideological taxonomies). If the files of the former Security Police emerge as a self-evident case of systematic surveillance, the broadcasts and analyses of Radio Free Europe appear as a counter-story within the vast operation of reporting and labeling socially or civically "disturbing" actions and/or persons. Two observational tribunes thus share as target a space inimical to the circulation of information, therefore mobilizing an intricate system of gathering news and documenting issues, while developing a taste for insidious detection of "cases". One of the purposes of my research is to analyze the epistemic anxieties of such archival enterprises, based on the paradox of individualizing disorders while depending upon a network-based pool of information. The current campaigns of delimiting vertical attitudes from collaborative ones rest on the ensuing incongruent endeavor of individualizing guilt by resorting to interlinked and interdependent data.
Recommended Reading
Macrea-Toma, Ioana. Privilighentia: Institutii literare in comunismul romanesc. [Privilighentsia: Literary Institutions in Communist Romania]. Cluj-Napoca: Casa Cartii de Stiinta, 2009.
-. "La Mise en valeur de l'héritage national et le 'peuple de statues': enjeux identitaires à l'époque de la libéralisation en Roumanie." Identité nationale: réalité, histoire, littérature, édité par Ioana Bot and Adrian Tudurachi. Bucharest: Institut Culturel Roumain, 2008, 148-172.
-. "La Censure institutionnalisée et incorporée. Le régime des publications dans la Roumanie communiste." Communisme 91-92 (2007): 111-120.
Kolloquium, 06.03.2012
Die Seelenfänger. Informationssysteme während des Kalten Krieges
"Some of those who are born become entries in encyclopaedias, in history books, in biographies, in catalogues, in manuals, in collections of newspaper clippings, the others, roughly speaking, are like a cloud that passes without leaving behind it any trace of its passing, and rain falling from that cloud doesn't even wet the earth. Like me, thought Senhor José."
"Einige kommen auf die Welt und werden zu Einträgen in Enzyklopädien, in Geschichtsbüchern, Biographien, Katalogen, Handbüchern, in Sammlungen von Zeitungsausschnitten; die anderen sind, grob gesagt, wie eine Wolke, die vorüberzieht, ohne eine Spur ihres Vorüberziehens zu hinterlassen, und der Regen, der aus dieser Wolke fällt, macht noch nicht einmal die Erde nass. Wie ich, dachte Senhor José."
Und so beginnt das Abenteuer von Senhor José, dem grauen und von Höhenangst geplagten Amtsschreiber in José Saramagos Roman Alle Namen. Lang geübt in der mühseligen Aufgabe, die Personenstandsinformationen im Zentralregister zu verzeichnen und wiederzufinden, zweigt Senhor José für seine private Sammlung von Zeitungssausschnitten heimlich Daten ab, die er aus seinem Büro hinausschmuggelt, und ergeht sich in der Vervollständigung seiner Dokumentationen, als ob er eine Informationsökonomie ausbalancieren muss.
Während des Kalten Krieges spielten informationssammelnde Institutionen, die vom Eisernen Vorhang getrennt waren, ein ähnliches Spiel - sie glichen Wissen mit einer Realität ab, zu der sie entweder keinen Zugang hatten oder der sie zu nahe waren, um Zugang zu ihr zu haben. Als Radio Free Europe, ein in München sitzender, anti-kommunistischer amerikanischer Sender, die Propagandapresse aus den Zielländern abschreibt, beobachtet und analysiert, überwacht die Geheimpolizei diejenigen, die Radio Free Europe hören; die Geheimpolizei transkribiert die Sendungen, während sie sie gleichzeitig stört, und macht in der lokalen Presse Lärm, um ein Gegengewicht für die Sendungen zu bilden, auf die sie paradoxerweise angewiesen ist. Angesichts einer fehlenden öffentlichen Diskussion versuchen beide Institutionen aber gleichzeitig, etwas so schwer Fassbares wie die Stimmung in der Bevölkerung festzuhalten; dabei entwickeln sie komplizierte Techniken des Wissens und der Interpretation, die informationsarmen Milieus eigen sind. Wenige Personen wie Senhor José werden in eine politische Ökonomie komplementärer Elemente verwickelt und handeln in einem starken Magnetfeld aus ihrem eigenen Willen und äußeren Impulsen gleichermaßen. Sie sind doppelte Kollaborateure und heimliche Zuträger und verkaufen ihr Wissen an zwei verschiedene Seelenfänger.
Ohne die Rolle von Radio Free Europe im Untergang des Kommunismus oder die Repressivität der Securitate schmälern zu wollen, möchte ich das Kreisen der Information in den Bahnen festhalten, die die beiden Institutionen vorgaben; ich möchte die Grenzen der Geschichtsschreibungen überschreiten, die durch ihren begrifflichen Rahmen verstärkt werden, und schließlich die Netzwerke des Datensammelns der Datenverarbeitung gegenüber stellen. Ich stütze mich zwar auf Archivmaterial, aber ich versuche nicht, die "Wirklichkeit" hinter ihren codierten Spuren zurückzuholen, sondern die Momente eines Dazwischen und die Textur des menschlichen Handelns zu erfassen. Indem ich versuche, die Geschichte meines Senhor José zu rekonstruieren - sie ist in den Archiven kaum festgehalten und wird von der Übergangsjustiz wenig verstanden -, möchte ich begreifen, wie es einer solchen Person möglich war, zu operieren und aus den Bedürfnissen zweier feindlicher Institutionen Kapital zu schlagen. Auch möchte ich der Frage nachgehen, wie repräsentativ dieser Fall für die Verstrickung der Beziehungen im Kommunismus ist und was er uns über die emotionalen und "wahrhaftigen" Kriege gegen die Propaganda sagen kann.