Delphine Gardey, Dr.
Professorin für Zeitgeschichte
Universität Genf
Born in 1967 in France
Studied History and Sociology at Université Paris 7-Diderot and at the École des Hautes Études en Sciences Sociales Paris
Arbeitsvorhaben
Eine historische und reale Anthropologie des Parlaments: das Privatleben der Französischen Nationalversammlung
My proposal is to consider the actual constitution of a unique instance: the Assembly, the National Representation. It aims to provide a different insight into how democracy in the late 18th and the 19th century was defined, that is, as a space of representation and deliberation, laying claim not only to represent the People, but to be the People.As shown by the French example, the space of the Parliament must be successively detached from the King, must fear the Emperor and, when the Republic is re-established, must not be confused with the government. It should be stressed that Parliament does not consider itself an inclusive part of the State or the state administration, but like something that is definitely elsewhere. It is apart, it is above, it makes law, it is the law. It is thus an idea, an ideal, a good, a grandeur, something that transcends (that must transcend) the contingent context that makes it possible. Beyond the stage, a theatre-like venue where the people's representatives debate, the Assemblée means more in terms of material, social and gender arrangements in order to be, to embody or to re-embody an ideal that is identified as one of the most precious assets of the democratic order.
My proposal would thus be to account for the above enabling arrangements. This requires an account of ordinary labour, of minor issues that need to be solved, of material and administrative activities that need to be carried out. How is such a singular institution concretely established? How can its existence be stabilized in contexts of political turmoil, made of revolutions and counter-revolutions, successive and often contradictory political regimes? A study of the administrative archives of the French Assemblée Nationale, mostly unknown to historians, enables me to shed light on many aspects and raise questions contributing to further discussion in history, sociology and political theory.
Recommended Reading
Gardey, Delphine. Ecrire, calculer, classer. Comment une révolution de papier a transformé les sociétés contemporaines (1800-1940). Paris: la Découverte, 2008.
- La dactylographe et l'expéditionnaire. Histoire des employés de bureau, 1890-1930. Paris: Belin, 2001.
- "Turning Public Discourse into an Authentic Artefact: Shorthand Transcription in the French National Assembly." In Making Things Public: Atmospheres of Democracy, edited by Bruno Latour and Peter Weibel, 836-843. Cambridge, Mass.: MIT Press, 2005.
Kolloquium, 12.03.2013
Die materiellen und sozialen Räume der Demokratie: Die Assemblée nationale als Heterotopie
Was ist erforderlich, um eine freie, deliberative, repräsentative und souveräne Nationalversammlung einzurichten und zum Leben zu erwecken? Im Fall Frankreichs braucht es ein Jahrhundert, um den Parlamentarismus erfolgreich zu etablieren, um die revolutionäre Geste - die Ideale und Prinzipien einer repräsentativen Regierung und der Volkssouveränität - in eine Reihe von Verfahrens- und Handlungsroutinen zu übersetzen, in eine dauerhafte Institution. Wie funktioniert der Übergang vom Ereignis zur Institution, von der Ausnahme zur Norm? Auf diese Frage gibt es mehrere Antworten, denn man kann sich ihr mit verschiedenen Erklärungsansätzen nähern.
Ich habe mich für die Perspektive der konkreten Verwaltungslogik der Nationalversammlung entschieden. Weit entfernt von den körperlosen Sichtweisen bestimmter philosophischer Traditionen und politischer Theorien möchte ich die verkörperten, materiellen, sozialen, rechtlichen und technischen Dimensionen darstellen, durch die die Versammlung Gestalt gewinnt und letztlich bestehen bleibt. Indem ich der Logik verschiedener Akteure und dem Sinn nachgehe, den sie mit ihrem Tun verknüpfen, untersuche ich die sozialen, materiellen und geschlechtsspezifischen Voraussetzungen für die Implementierung und Lebensfähigkeit einer so abstrakten Institution wie der eines deliberativen und souveränen Abgeordnetenhauses.
Wie hat die Institution Gestalt angenommen? Es geht nicht nur um die Frage, welche institutionellen Körperschaften, sondern auch darum, welche Regeln und Verhaltensweisen notwendig sind, um eine "körperlose Institution" zum Leben zu erwecken. Welches sind die körperlichen und materiellen Voraussetzungen für Repräsentation? Wie kann man darüber hinaus ein neutrales Territorium wahren, das isoliert und souverän ist, das nicht nur die Gefahren überlebt, die von der Straße ausgehen, sondern auch den Einfluss der Exekutive? Wie macht man diesen anderen Raum (der etwas anderes als der Staat ist) lebendig, diesen beispiellosen "Gegen-Ort"? Über einen langen Zeitraum hinweg betrachtet (vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis in die 1940er Jahre) erschien die Nationalversammlung wie ein lebender, aber verletzbarer Organismus, der von vielen verschiedenen Persönlichkeiten definiert, unterstützt und am Leben erhalten wurde. Meine Analyse der praktischen und materiellen Aspekte des normalen Funktionierens verschiedener Versammlungen zeigt eine oft umgebaute, kontinuierliche Institution, deren Personal, deren formaler Rahmen und materielle Umwelt zur Definition der Bedingungen beitragen, die die politische Autonomie ermöglichen.
Wenn ich in die intimen Räume der Nationalversammlung eintauche, suche ich weder etwas Privates noch etwas Ungewöhnliches, sondern vielmehr das Regelmäßige, die wiederholten Bedeutungen und die anhaltenden Flexionen. Wenn ich mich auf das Fundament und die Maschinerie der Versammlung konzentriere, möchte ich Ihnen nahelegen, dass die Materialität von Bedeutung ist und dass sie bei der Definition der Politik eine aktive Rolle spielt. Um als "neutrale", "allgemeine" und "abstrakte" Entität leben zu können, stützt sich die Nationalversammlung - in ihrer republikanischen und französischen Form der Demokratie - auf ein Territorium, auf einen beweglichen und unbeweglichen Raum, auf Personal, Planungen, Organisation, Texte und Reglements. Diese mise en forme und die Modalitäten ihrer Wiederholung dienen dazu, Prinzipien (im Wesentlichen in der Rolle von Gesetzen und Kodifizierungen) und Handlungen (im Wesentlichen in der Rolle von Verwaltung, Technologie und Personal) aufeinander abzustimmen.
Eigentlich besteht eine der Herausforderungen dieser Untersuchung darin, diese Unterscheidungen in der Beschreibung von Umfang und Beschaffenheit (oder von der historischen und anthropologischen Dichte) der westlichen demokratischen Institutionen abzuschaffen. Dies geschieht insbesondere dadurch, dass man einen frischen Blick auf die Zeremonien und Riten wirft, die in diesen Institutionen immer noch leben. Indem ich einen Beitrag zur "symmetrischen Anthropologie" der zeitgenössischen westlichen Demokratien leiste, versuche ich mit meiner Analyse das sichtbar zu machen, was in aktuellen demokratischen Institutionen in Bezug auf die Anordnung von Prinzipien und Materialien (und damit auch in gesellschaftlicher und geschlechtsspezifischer Hinsicht) eine "Koalition" gebildet hat; damit erweitert man auch die Bandbreite dessen, was getan werden kann und muss, um diese Institutionen zu verändern.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Gardey, Delphine (2014)
The reading of an oeuvre. Donna Haraway : The poetics and the politics of life
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Donna Haraway : poétique et politique du vivant
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Le féminisme change-t-il nos vies? Petite encyclopédie critique
Gardey, Delphine (Paris, 2008)
Ecrire, calculer, classer : comment une révolution de papier a transformé les sociétés contemporaines (1800 - 1940) Textes à l'appui
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Manifeste cyborg et autres essais : sciences, fictions, féminismes Essais
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L'engendrement des choses : des hommes, des femmes et des techniques Histoire des sciences, des techniques et de la médecine
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La dactylographe et l'expéditionnaire : histoire des employés de bureau, 1890 - 1930 Un monde en mutation