Marianne Koos, Dr. phil. habil.
Kunstgeschichte
Universität Freiburg (Schweiz)
Geboren in Wien
Studium der Kunstgeschichte und Philosophie an der Universität Wien und an der Goethe-Universität Frankfurt am Main
Arbeitsvorhaben
Oberflächenmetaphern in Kunst und Kunsttheorie, 1500-1900
Mein Forschungsprojekt untersucht die Metaphorisierung von materialen Bildoberflächen in der historischen Kunstliteratur und Kunstkritik mit Begriffen wie "Haut" (pelle / buccia / cutis / peau / épiderme), "Fleisch" ([in]carnazione / carne / chair), "Leibfarbe" (lyffverwe, auch "lebendfarb"), "tote Farbe" (doot-verwe / dead colour), "Schminke" (empiastrare / tingere bene / farder / teindre) etc.; Metaphern, die nicht nur mimetische Bildkonzepte eines Mehr oder Weniger an Farbe beschreiben, sondern auf eine Konzeption des Bildes als eines gleichsam atmenden, organischen, lebendigen und vergänglichen Körpers verweisen. Zur Frage steht, welche künstlerischen Phänomene diese Metaphern jeweils bezeichnen sollten, in welcher Relation die ausgeführten Bildoberflächen und im Bild illusionierten Körper zu diesen sprachlichen Metaphern stehen und welche Bildkonzepte und ästhetischen Problemstellungen entlang dieser Metaphern verhandelt und reflektiert worden sind.Den Ausgangspunkt meiner Untersuchung bilden eingehende Studien zur Begrifflichkeit, Funktion und Bedeutung anthropomorpher, "somatischer" (den Körper betreffender) Oberflächenmetaphern in den historischen Quellenschriften der wichtigsten europäischen Sprachkulturen im Vergleich sowie zum Wandel dieser Begrifflichkeit zwischen Renaissance und anhebender Moderne. Im Zentrum jedoch stehen konkrete Analysen zur künstlerischen Semantisierung von Werkoberflächen und der damit verbundenen Konzeption von Bildlichkeit als medialer Verkörperung. Um die Vielfalt der möglichen Untersuchungen einzugrenzen, konzentrieren sich die Werkanalysen auf ausgewählte Beispiele der europäischen Malerei im Zeitraum zwischen 1500 und 1900, die in exemplarischer Form eine programmatische Reflexion von Bildlichkeit erkennen lassen. In Fortsetzung meiner Studien zu Caravaggio und Liotard soll das Projekt am Wissenschaftskolleg zu Berlin mit Analysen zum Werk von Rembrandt, Chardin und Manet weiterentwickelt und methodologisch verdichtet werden.
Lektüreempfehlung
Marianne Koos. "'Malerei ohne Pockenspuren': Oberfläche im Werk von Jean-Étienne Liotard." Zeitschrift für Kunstgeschichte 70 (2007): 545-572.
- "Haut als mediale Metapher in der Malerei von Caravaggio." In Weder Haut noch Fleisch: Das Inkarnat in der Kunstgeschichte, herausgegeben von Daniela Bohde und Mechthild Fend, 65-85. Berlin: Mann, 2007.
- Bildnisse des Begehrens: Das lyrische Männerporträt in der venezianischen Malerei des frühen 16. Jahrhunderts - Giorgione, Tizian und ihr Umkreis. Berlin und Emsdetten: Ed. Imorde, 2006.
Kolloquium, 12.02.2013
Metaphern medialer Verkörperung in Kunst und Kunsttheorie, 1500-1900
Unter den Oberflächenmetaphern, die in der Kunstliteratur und Kunsttheorie seit der Frühen Neuzeit eingesetzt wurden, stellen "Haut" (pelle / buccia / cutis / peau / épiderme etc.) und "Fleisch" ([in]carnazione / carne / chair etc.) sicherlich die am häufigsten verwendeten Begriffe dar. Haut und Fleisch galten als jener privilegierte Gegenstand, an dem die Lebendigkeit des mimetisch Illusionierten gemessen und geprüft werden kann. Was mich in meinem Projekt interessiert, ist allerdings nicht nur die jeweilige Darstellung von Haut und Fleisch oder ihre lobpreisende Erwähnung in der Kunstliteratur. Vielmehr geht es mir darum zu analysieren, wie Künstler diese sprachlichen Metaphern aufgegriffen und in Verschränkung mit dem dargestellten Sujet für eine grundlegende Reflexion ihres Bildkonzepts genutzt haben.
Gegenstand der Untersuchung sind ausgewählte Werke der Malerei von 1500-1900, die ein programmatisches Nachdenken über Bildlichkeit im Spannungsfeld zwischen Oberfläche und Illusion erkennen lassen. Mein Projekt möchte zum einen die Bedeutung weiterer Metaphern für diese Reflexionen von Bildlichkeit in der (europäischen) Vormoderne erschließen. Dazu gehört etwa der Begriff der "toten Farbe" (doot-verwe / doodverwsel /dead colouring), der in der niederländischen und englischen Kunstliteratur eingesetzt wurde, um eine untere, gleichförmige und oftmals offen stehen gelassene Farbschicht zu bezeichnen - der Grund, von dem aus die lebendige Illusion aufgebaut wird. Verschiedene Künstler nutzten diese "tote Farbe" explizit, um über Prozesse der medialen Verkörperung im Bild, das Leben-Geben und Leben-Nehmen durch Farbe nachzudenken. Hier wird Rembrandt und seine späte Anatomie im Mittelpunkt stehen, wobei ich einen Brückenschlag zu Bildern von Tizian und Chardin suche, die ebenfalls den Leib zwischen Leben und Tod thematisieren, Malen als prozessuale Technik der Leibwerdung in Farbe und des materiellen Vergehens reflektieren. Zum anderen verfolgt das Projekt aber auch das Ziel zu analysieren, wie über diese "somatischen" Metaphern (die alle direkt oder indirekt auf den menschlichen Körper rekurrieren) das mimetische Bild nicht nur als lebendiges, organisches, vergängliches Wesen konzipiert, sondern immer zugleich auch als totes, flächiges Ding des körperlichen Widerstandes reflektiert worden ist.
In meinem Vortrag am Dienstag werde ich eine exemplarische Bildanalyse vorstellen. Konkret soll es um Édouard Manet gehen und seine Art, in Rekurs auf die weibliche Praxis des Schminkens, die moderne Pariser Konsumkultur sowie den Warenfetischismus des Rokoko die (überlieferte) Konzeption des mimetischen Bildes neu zu durchdenken. Ein erster Teil wird die Metaphorik des Schminkens für Malen/Bemalen (empiastrare / tingere bene / farder / teindre) seit der Frühen Neuzeit nachzeichnen und ihre sich wandelnde Besetzung in den kunsttheoretischen Quellentexten sowie ausgeführten Kunstwerken beleuchten. Der zweite Teil hingegen ist dem Versuch gewidmet, über das close reading eines bestimmten Gemäldes, das ich sowohl in Hinblick auf das Werk von Manet wie auf die hier eröffnete Thematik für besonders programmatisch halte, die Tragweite der Metaphorik des Schminkens für das (künstlerische) Nachdenken über die Möglichkeitsbedingungen von Malerei an der Schwelle zur Moderne (und darüber hinaus) darzulegen.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Koos, Marianne (München, 2017)
Verkörperung - Entkörperung bei Rembrandt
Koos, Marianne (Berllin, 2016)
Zur Handlungsmacht der Dinge : das Miniaturenporträt als körpernahes und wandelbares Artefakt
Koos, Marianne (München, 2015)
Sur/face : Manet malt Mlle E.G.
Koos, Marianne (2014)
Wandering things : agency and embodiment in late sixteenth-century English miniature portraits
Koos, Marianne (Paderborn, 2014)
Haut, Farbe und Medialität : Oberfläche im Werk von Jean-Étienne Liotard ; (1702 - 1789)
Koos, Marianne (München, 2007)
'Malerei ohne Pockenspuren'. Oberfläche im Werk von Jean-Étienne Liotard
Koos, Marianne (2007)
ʾQuasi la fan toccar con manoʾ : Berührung im Ärmelporträt des Cinquecento
Koos, Marianne (2007)
Haut als mediale Metapher in der Malerei von Caravaggio
Koos, Marianne (Taunusstein, 2007)
Wie sich Gefühle Ausdruck verschaffen : Emotionen in Nahsicht Driesen Edition Wissenschaft
Koos, Marianne (Marburg, Lahn, 2006)
Amore dolce-amaro : Giorgione und das ideale Knabenbildnis der venezianischen Renaissancemalerei