Bruce G. Carruthers, Ph.D.
John D. and Catherine T. MacArthur Professor of Sociology
Northwestern University, Evanston
Born in 1957 in Philadelphia, USA
Studied Communication Studies at Simon Fraser University, Burnaby, Sociology at Rutgers, The State University of New Jersey, and Sociology at the University of Chicago
Schwerpunkt
QuantifizierungArbeitsvorhaben
Trust and the Quantification of Credit
I will complete a book on the sociology of trust. Trust involves both uncertainty and vulnerability and becomes problematic when an individual is vulnerable to the unpredictable actions of another. How do people manage trust- I consider this by examining the development of credit and credit institutions in the US from the early 19th until the mid-20th century. Credit forms the foundation of modern market economies and poses a basic problem: how do creditors decide which debtors to trust? Creditors manage this practical problem in various ways, but their decisions combine individual factors, social networks, and social institutions. Over time, the focus of credit management shifted from the debtor's personal character in the context of informal social relations to the systematic use of quantitative data with reliance on formal-legal relations. Character still mattered, but not as much. Personal trust based on direct contact, informal relations, and idiosyncratic knowledge has given way to impersonal trust based on indirect contact, formal relations, and quantified knowledge. My study examines how formalization and institutional change shaped trust and consequently affected the volume and forms of credit. Three levels encompass the factors that creditors used to decide whom to trust. The individual level includes the debtor's personal character and financial status (how creditors measure these has changed with more systematic financial information) and debtor and creditor goals. The network level includes the informal social relationships between debtor and creditor, the formal-legal relations between debtor and creditor, the debtor's and creditor's other network ties, and intermediaries between debtor and creditor. The institutional level includes the legal remedies available if default occurs (e.g., bankruptcy law), but institutions also affect how the other levels operate. For instance, legal and regulatory changes make possible new formal contractual ties between debtors and creditors, and legal and organizational developments have created new ways to assess the financial status of debtors (e.g., credit ratings, accounting measures). These factors are not equally important, and the balance among them has shifted over time.Recommended Reading
Halliday, Terence C. and Bruce G. Carruthers. Bankrupt: Global Lawmaking and Systemic Financial Crisis. Stanford: Stanford University Press, 2009.
Carruthers, Bruce G. City of Capital: Politics and Markets in the English Financial Revolution. Princeton, NJ: Princeton University Press, 1996.
Carruthers, Bruce G. and Wendy Espeland. "Accounting for Rationality: Double-Entry Bookkeeping and the Rhetoric of Economic Rationality." American Journal of Sociology 97, 1 (1991): 31-69.
Kolloquium, 21.01.2014
Kredite, Vertrauen und Quantifizierung
Das Kreditwesen bildet das Fundament moderner Marktwirtschaft und stellt gleichzeitig ein grundsätzliches Problem dar: Wie entscheiden Kreditgeber, wem sie vertrauen wollen? Die Kreditgeber bewältigen dieses Problem auf verschiedene Weise, aber ihre Entscheidungen spiegeln oft eine Kombination aus individuellen Faktoren, sozialen Netzwerken und gesellschaftlichen Institutionen wider. Im Verlauf der Zeit hat sich der Fokus bei der Handhabung von Krediten verschoben: von der Persönlichkeit des Kreditnehmers, wie sie sich in informellen sozialen Beziehungen darstellt, hin zum systematischen Gebrauch quantitativer Daten in einem formalrechtlichen Kontext. Die Persönlichkeit zählt immer noch, aber nicht mehr so sehr. Das persönliche Vertrauen, das auf direktem Kontakt, auf informellen Beziehungen und spezifisch-individuellem Wissen beruhte, hat einem unpersönlichen Vertrauen Platz gemacht, das auf indirektem Kontakt, formalen Beziehungen und quantifiziertem Wissen beruht. In meiner Arbeit untersuche ich, wie Vertrauen durch Formalisierung und institutionellen Wandel geformt worden ist und wie sich dies auf das Kreditwesen auswirkt.
Das Kreditwesen ist entscheidend durch den Einsatz von Bonitätsbewertungen beeinflusst worden. Bonitätsbewertungen wurden in den USA im 19. Jahrhundert erfunden, um die Vertrauenswürdigkeit von Kreditnehmern systematisch und quantitativ zu messen. Ursprünglich wurden Bonitätsbewertungen für die Bereitstellung von Lieferantenkrediten herangezogen - kurzfristige, ungesicherte Kredite, die ein Lieferant oder Großhändler seinen Geschäftskunden einräumt. Rating-Agenturen wie R. G. Dun bedienten sich eines nationalen Netzwerks von Korrespondenten und Filialen, um große Mengen vertraulicher Informationen über bestimmte Firmen zu sammeln, und wandelten diese Informationen dann in eine Gesamtbonitätsbewertung um. Die Bewertung ging mit der Einordnung einer Firma in ein System von Ordnungskategorien einher, bei dem zwischen hohen und niedrigen Rängen unterschieden wurde. Die Bewertungen wurden in Handbüchern veröffentlicht, die verkauft und an Abonnenten verteilt wurden; diese verwendeten die Bewertungen vermutlich zur Verbesserung ihrer eigenen Entscheidungen - also ob sie einer bestimmten Firma Kredit einräumen sollten oder nicht. Der Abonnent konnte mit der Bewertung zwei Fehler vermeiden: Geld an eine Firma zu verleihen, die keinen Erfolg hat, oder einer kreditwürdigen Firma kein Geld zu leihen. Bonitätsbewertungen fanden bald große Verbreitung und wurden um die Jahrhundertwende zum vertrauten Bestandteil amerikanischer Geschäftspraktiken; Lieferanten und Großhändler beriefen sich ebenso auf sie wie Banken und Versicherungsunternehmen. Die Methode und das Format der Kreditbewertung wurden bald von John Moody aufgegriffen, als er 1909 damit begann, Eisenbahnanleihen zu bewerten. Moody und seine Konkurrenten dehnten die Methode auf Unternehmensanleihen aus und bewerteten nun auch die öffentliche Versorgungswirtschaft und Staatsschulden. Ebenso begannen sie damit, Schuldner in die bis heute vertrauten Kategorien einzuordnen, die mit "AAA" als höchster Kreditwürdigkeit beginnen und dann absteigen. Die Bewertungen von Anleihen wurden ursprünglich an Investoren verkauft, um ihnen bei ihren Geschäftsentscheidungen zu helfen; später wurden sie jedoch auch für andere Zwecke herangezogen - sie wurden in öffentliche Bestimmungen integriert (das begann in den 1930er Jahren) und in private Finanzverträge (seit den 1990ern). Mit der Erfindung der FICO scores kamen in den fünfziger Jahren Bonitätsbewertungen für einzelne Konsumenten auf. In den USA werden diese Bewertungen verwendet, um den Zugang zu Hypotheken und Kreditkarten zu regeln; sie kommen aber auch bei Versicherungen, Miet- und Arbeitsverträgen zum Einsatz. Jüngst spielten Bonitätsbewertungen eine Schlüsselrolle in der Entwicklung von hochriskanten Finanzprodukten an der Wall Street und der Börsenkrise von 2008.
Die Quantifizierung von Vertrauen auf den Kreditmärkten fing im 19. Jahrhundert an und wurde auch im 20. Jahrhundert weiterverfolgt. Heute spielen Bonitätsbewertungen in der Regelung der globalen und nationalen Kreditmärkte eine wichtige Rolle - und bei der Bereitstellung von Ressourcen und der Verteilung von Chancen.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Carruthers, Bruce G. (2017)
Financial decommodification : risk and the politics of valuation in US banks
Carruthers, Bruce G. (2015)
Carruthers, Bruce G. (2010)
The meanings of money: a sociological perspective
Carruthers, Bruce G. (2009)
Carruthers, Bruce G. (Stanford, Calif., 2009)
Bankrupt : global lawmaking and systemic financial crisis
Carruthers, Bruce G. (Princeton, NJ, 1999)
City of capital : politics and markets in the English financial revolution Princeton paperbacks
Carruthers, Bruce G. (1996)
The color of money and the nature of value: greenbacks and gold in postbellum America