Alexei G. Evstratov, Dr.
French and Comparative Literature
Universität Oxford
Born in 1983 in Moscow
Studied Russian Literature at the Russian State University for the Humanities, Moscow, and French Literature at the French University College at Moscow State University
Fellowship
EURIAS-Fellow
Arbeitsvorhaben
Fictions of Order: Social Representations in the European Theatre from the Napoleonic Wars to the Russian Revolution
The theoretical problem of referentiality (and self-referentiality) has been approached by different disciplines over the last few decades. In literary studies, however, the dichotomy "text vs. context" is addressed in a way that does not seem satisfactory. Within the Marxian paradigm, on the one hand, discourses are mere derivatives of the social basis. Postmodernist criticism, on the other hand, in its radical relativism, reversed this scheme to proclaim that (social) reality was virtual, i.e. generated by discourses and representations. In the vein of studies in post-Marxian social history, my project will focus on competing and conflicting narratives for representing society and the agency behind them. My approach is informed by the sociology of interaction and namely by the revision of Pierre Bourdieu's critical theory in the works of French pragmatic sociologists (such as Luc Boltanski). This sociology provides a language of analytical description suitable for exploring links between the social categories used by individuals and the language of self-description diffused in the society by the dominating social groups. In other words, my project will study the complex relationships between subjectivity and what Bourdieu calls "symbolic violence" in the domain of drama and performance.I will provide a comparative analysis of dramatic production in France and in Russia, occasionally broadening the comparative perspective to include German-speaking and English-speaking countries. My corpus will include works from the classical canon, as well as lesser-known literary texts, and a variety of non-fictional sources (from both the public and private domains). I will consider them in order to overcome the binary opposition "text-context", but not to abolish the dialectical tension produced by this couple, which seems productive.
I will study, for instance, symbolic economies of the "emplois" in drama and theatre and their interactions with other discourses about society. My special focus will be on the reception of dramatic works by the readership and theatre audiences. I will therefore pay close attention to the public polemics and individual identity conflicts generated by the representations of social hierarchies.
Recommended Reading
Evstratov, Alexei. "Drama Translation in Eighteenth-Century Russia: Masters and Servants on the Court Stage in the 1760s." In The Art of Accommodation: Literary Translation in Russia, edited by Leon Burnett and Emily Lygo, 31-54. Oxford, etc.: Peter Lang, 2013.
-. "La réception du théâtre de Regnard à la cour de Catherine II." In Jean-François Regnard (1655-1709), edited by Charles Mazouer and Dominique Quéro, 303-326. Paris: Armand Colin, 2012.
-. "Ad Urbanitatem informare: la langue et l'éducation dans les comédies de Catherine II (exemple de O temps!)." Histoire. Épistémologie. Langage 32, 1 (2010): 13-29.
Kolloquium, 03.03.2015
Der menschlichen Komödie zuschauen: Theatererfahrung und soziales Wissen
Meine Forschung dreht sich um zwei sehr allgemeine Fragen:
* Wie prägt das, was man heute als Unterhaltung bezeichnen würde, das Wissen über die soziale Welt der Individuen und deren Platz darin?
* Mit Blick auf die erste Fragestellung: Welches sind die spezifischen Merkmale von Aufführungen, bei denen sich die Zuschauer im selben Raum befinden (z. B. im Kino oder Stadion), einander sehen und miteinander interagieren können?
Was geschieht also, wenn ein Individuum als Teil eines Publikums auf eine fiktionale Darstellung sozialer Realität trifft und auf welche Weise ist das für die ästhetische Erfahrung und das Alltagsleben des Individuums wichtig?
Meine Untersuchung der Kulturgeschichte des Theaterbesuchs greift das Theaterleben in Frankreich seit der Entstehung einer neuen Dramentheorie in den 1750er Jahren auf, die die Grenzen zwischen der Öffentlichkeit des Theaters und der häuslichen Sphäre neu zieht, und reicht bis in die Zeit der Dritten Republik (1870), als die Liberalisierung des Theaters zur Umgestaltung der Interaktion zwischen Obrigkeit und Untertanen innerhalb und außerhalb des Schauspielhauses führt. In diesem Jahr lege ich den Schwerpunkt auf das "lange" 18. Jahrhundert und insbesondere auf die Französische Revolution, die in der Mitte der untersuchten Periode liegt.
Warum das Theater?
Seit Aristoteles soll das Theaterpublikum das gesamte Gemeinwesen repräsentieren - das heißt, alle Gesellschaftsmitglieder, die am öffentlichen Leben teilnehmen. Eine Untersuchung der Frage, wie sich diese Vorstellung im Verlauf der Zeit verändert hat, gewährt auch einen Einblick in den allgemeinen gesellschaftlichen Wandel.
Vor der Erfindung des Kinos und dem Aufkommen von massentauglichen Sportspektakeln ist das Theater das Hauptmedium, durch das Darstellungen von Politik und Gesellschaft geformt und verbreitet werden.
Bis zu einem bestimmten Moment in der Geschichte der Theaterinstitutionen gibt es eine Spannung zwischen dem heute offenkundigen Grund für die Versammlung - eine Darbietung anzuschauen - und den anderen Dingen, die währenddessen im Theater stattfinden (dazu gehört die Zurschaustellung von gesellschaftlichem Status, der Abschluss von Geschäften, Flirts). Das Theater ist also ein guter Ort, um zu verstehen, wie Kunst allmählich einen eigenständigen Wert bekommt und zur Ware wird.
Warum das 18. Jahrhundert?
In vielerlei Hinsicht prägen die Auffassungen dessen, was man im 18. Jahrhundert unter einem Drama und einer Aufführung versteht, bis heute unser gängiges Verständnis von sozialen Repräsentationen, subjektiver Wahrnehmung, von kollektiven Reaktionen auf Schauspiele und von der Unterscheidung zwischen privatem und öffentlichem Bereich. In dieser Periode gewinnen institutionalisierte Theateraufführungen ein neues Publikum - sowohl räumlich (von großen urbanen Zentren bis hin zu nationalen und internationalen Peripherien) als auch gesellschaftlich (von urbanen Eliten hin zu einer breiteren Palette von Zuschauern). Dies wirkt sich stark auf bestimmte Aufführungstechniken aus, etwa auf die Theaterarchitektur, auf die Schauspielerei und auf Bühneneffekte.
Warum Frankreich?
Das Frankreich des 18. Jahrhunderts war der Inbegriff eines "Kulturimperiums"; seine Innenpolitik und sein internationaler Status basierten in vielen Hinsichten auf dem Prestige der frankophonen Kulturproduktion. Während die Französische Revolution die politische Ordnung verändert und soziale Gruppierungen und Institutionen neu formt, beobachte ich anhand des Theaters eine Kontinuität in den Modellen subjektiver Wahrnehmung und politischer Herrschaft, die erforscht und interpretiert werden muss.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Evstratov, Alexei G. (S.n., 2022)
Désordres + Ceux qui vont bien Unrueh
Evstratov, Alexei G. (2016)
Evstratov, Alexei G. (2016)
Evstratov, Alexei G. (Oxford, 2016)
Les spectacles francophones à la cour de Russie (1743-1796) : l'invention d'une société Oxford University studies in the enlightenment ; 2016,07
Evstratov, Alexei G. (DeKalb, 2016)
The Europeanized elite in Russia, 1762-1825 : public role and subjective self