David M. Halperin, Ph.D.
W. H. Auden Distinguished University Professor of the History and Theory of Sexuality and Professor of English
Universität Michigan, Ann Arbor
Born in 1952 in Chicago, Ill., USA
Studied Classics at Oberlin College and Stanford University
Arbeitsvorhaben
What Is Sex For?
Does sex have any erotic purpose? Does it advance the lover's goal? Is sex what the lover really wants? The greatest philosophers of classical antiquity, Plato and Aristotle, said no. I examine their arguments and I connect them with a tradition of pre-modern erotic theory that did not see desire as sexual in nature or as rooted in sexuality. My aim is to contest the modern interpretations of love, including but not limited to psychoanalytic interpretations, that understand love in reductively sexual terms and that view all erotic desire as an expression of sexuality. For this purpose, I consider some contemporary writing, especially gay male writing, which I read as a singular effort to work through the confusions and the anguish that the modern sexualization of erotic desire has bequeathed to us.Recommended Reading
Halperin, David M. How to Be Gay. Cambridge, Mass.: Belknap/Harvard University Press, 2012.
-. How to Do the History of Homosexuality. Chicago: University of Chicago Press, 2002.
-. Saint Foucault: Towards a Gay Hagiography. New York: Oxford University Press, 1995.
Kolloquium, 04.11.2014
Sex - wofür?
1844 fügte Schopenhauer seinem Werk "Die Welt als Wille und Vorstellung" eine verrückte, aber stellenweise brillante Ergänzung hinzu: "Die Metaphysik der Geschlechtsliebe". Er behauptete, er sei der erste Philosoph, der das Problem der "Liebe" wirklich angepackt habe, und definierte Liebe als "ein(en) näher bestimmte(n), specialisirte(n), wohl gar im strengsten Sinn individualisirte(n) Geschlechtstrieb", der in "des ganzen Menschengeschlechts ernstliche(r) meditatio compositionis generationis futurae" verwurzelt sei. Mit seiner These, er habe keine Vorläufer und alle anderen Philosophen, die sich mit Liebe befasst hatten, hätten geirrt, lag Schopenhauer durchaus richtig: in den vorangegangenen 2225 Jahren der erotischen Theorien im Westen hatte noch niemand Liebe oder erotisches Begehren (erôs) auf eine so absonderliche Art betrachtet.
Aus Schopenhauers Definition ist die gängige moderne Auffassung von Liebe geworden. Was unwahrscheinlich war, aber den Absichten Schopenhauers entsprach: dieses Verständnis hat inzwischen den Status einer naturwissenschaftlichen Wahrheit. Freud, der Schopenhauer nur gelegentlich als seinen Wegbereiter anerkannte, folgte ihm insofern, als dass er einen alten Fehler in Bezug auf die Liebe korrigierte, einen Fehler, der jedoch die Liebe an sich konstituiert. Er hatte verstanden, dass das Begehren grundsätzlich sein Objekt mit seiner Quelle verwechselt, und darin lag Freuds Durchbruch, so Leo Bersani. Alles vorangegangene Nachdenken über das Begehren machte nicht nur denselben Fehler: Vielmehr war es der Ausdruck dieses Fehlers. Begehren für eine Reaktion auf ein Objekt zu halten, für eine Folge dessen, dass das Objekt begehrenswert (oder "schön") ist, anstatt es als Ausdruck der eigenen Libido (oder des Triebs) des Subjekts zu betrachten, bedeutet, das Wesen des Begehrens zu mystifizieren und die Möglichkeit, es zu verstehen, bis in alle Ewigkeit aufzugeben.
Auch Proust sah das so: "Sie war wirklich süß" (elle était bien gentille) heißt eigentlich "es bereitete mir Lust, sie zu küssen" (j’avais du plaisir à l’embrasser). "À la recherche du temps perdu" ist ein einziger langer Versuch, die Entdeckung dieser schmerzhaften, aber notwendigen Wahrheit in Szene zu setzen.
Ich möchte diesen modernen Konsens infrage stellen, insbesondere seine wissenschaftliche Auffassung des Begehrens und seine sexuelle Ätiologie der Liebe. Es geht mir nicht darum, eine vormoderne, humanistische Definition der Liebe aus der Versenkung zu holen; auch möchte ich das erotische Begehren weder mystifizieren noch romantisieren oder sentimentalisieren. Ich möchte auch keinerlei New-Age-Spiritualität das Wort reden oder irgendeinem Obskurantismus Vorschub leisten. Doch ich bin überzeugt, dass die Neigung, jedes erotische Begehren begrifflich mit Sexualität zu verknüpfen, eine Katastrophe für das moderne Denken ist. Ich habe einen Großteil meiner beruflichen Karriere, insbesondere aber die letzten Jahre, der Aufgabe gewidmet, dieser Konzeption entgegenzuwirken. Mein Vortrag ist die neueste Tranche dieser Arbeit.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Halperin, David M. (Princeton, 2023)
Rehearsals of manhood : Athenian drama as social practice
Halperin, David M. (Durham, 2017)
Halperin, David M. (2016)
Halperin, David M. (2016)
Halperin, David M. (2015)
Halperin, David M. (Paris, 2015)
L'art d'être gai How to ge gay <franz.>
Halperin, David M. (Cambridge, Mass. [u.a.], 2012)
Halperin, David M. (Ann Arbor, 2007)
What do gay men want? : an essay on sex, risk, and subjectivity
Halperin, David M. (2006)
Halperin, David M. (2005)
Im Kolleg entstanden 27.03.17
Im Kolleg entstanden 11.10.16
Köpfe und Ideen 2015
Anderes begehren
ein Porträt von David M. Halperin von Jutta Person