Françoise Lavocat, Dr.
Professor of Comparative Literature
Université Paris 3 Sorbonne Nouvelle
President, Société Française de Littérature Générale et Comparée (SFLGC)
Born in 1961 in Lille, France
Studied Comparative Literature at the Ecole Normale Supérieure and the Université Paris 7-Denis Diderot
Arbeitsvorhaben
Catastrophes, Memory, and History in Modern Europe
My book project is devoted to the role of natural disasters in the formation of collective memory in Europe on the local, national, supranational levels. This enquiry, which focuses on the early modern period, will also extend into the 19th century.As a number of contemporary sociologists, philosophers, and political scientists have pointed out and even criticized, the 21st century sees a renewal of a "catastrophisme" that models our relation to the present. With my examination of how and why we historicize natural disasters in the modern era, I hope to relocate the questions raised by the contemporary context.
The drive to record catastrophes as historic events in the collective memory becomes evident at the beginning of the 17th century. It manifests itself in the appearance of a number of important historical accounts and in the construction of commemorative monuments. This inscription in long-term collective history happens thanks to numerous editions and re-editions of former accounts, sometimes recycled in fiction.
To transform a natural disaster into a historic event susceptible of being celebrated is to confer a meaning upon it. I will show the ideological stakes of this process and how the universal and repetitive dimension of catastrophe enables us in the modern era to forge a collective awareness encompassing a space broader than the particular point of the catastrophe. Fiction contributes powerfully to this encompassing process by investing the catastrophe with an ethical and empathetic dimension.
The study of the different means employed in the structuring of the catastrophe as an event, beginning in the 17th century, remains relatively unexplored. This project will open new avenues of research by connecting the appearance of an aesthetic approach with a new relationship to a multidimensional history (sacred, secular, natural, human, local, national, European, planetary).
Recommended Reading
Lavocat, Françoise. Arcadies malheureuses, aux origines du roman moderne. Paris: Champion, 1998.
-. La Syrinx au bûcher. Pan et les satyres à la Renaissance et à l'âge baroque. Geneva: Droz, 2005.
-. "Narratives of Catastrophe in the Early Modern Period: Awareness of Historicity and Emergence of Interpretative Viewpoints." Poetics Today 33, 3 (2013): 254-299.
Kolloquium, 31.03.2015
Kunst, Erinnerung, Katastrophen
Hier ein Auszug von einem Song, der an dem Tag geschrieben wurde, als die Karikaturisten von Charlie Hebdo ermordet wurden:
7. Januar 2015, ich will gar nicht ins Bett
Ich nehm lieber einen Stift in die Hand, weil ich heute Abend Charlie bin
Heute Abend schreib ich für sie, denn ich kann nicht zeichnen
Und wünsch mir, 66 Millionen hätten dieselbe Idee
Hoffe, ihre Tinte wäre niemals alle
Lasst uns Spuren hinterlassen, die man nicht löschen kann, damit in Zukunft alle wissen
Ihr Talent und ihr Mut leben nicht nur in unserer Erinnerung
Schriftsteller, Lyriker, Zeichner, Sprayer
Musiker, Dichter, Maler und Bildhauer
Promis, Unbekannte, Profis, Amateure
Lasst uns dafür sorgen, dass wir diesen Impuls irgendwo hinposten, viel weiter, als Twitter reicht...
Wir sind jetzt dran, den Stift zu nehmen, damit ihr Kampf einen Sinn hat
Aber egal, was passiert, ich hab einen Stift in der Hand, denn heute Abend bin ich Charlie
Grand Corps Malade
(https://www.youtube.com/watch?v=-cw4Mk3sjko)
Für den französischen Rapper Grand Corps Malade liegt die Rolle der Künste auf der Hand - alle Künste sollen gemeinsam mobilisiert werden, um zu gedenken, um Erinnerungen weiterzugeben, um selbst den Kampf aufzunehmen, um einen Punkt der kollektiven Identifikation zu schaffen - "Ich habe den Stift in der Hand, weil ich Charlie bin". Hier geht es um ein ganzes Volk, das - mit welchen Fertigkeiten auch immer - reagieren soll, und zwar mit Schreiben, mit Bildern, Musik und Skulpturen - unser Zeitalter stellt die inzwischen unvermeidliche Verknüpfung von historischen Katastrophen oder Naturkatastrophen (Fukushima und Katrina haben eine Flut von künstlerischen Arbeiten bewirkt) und künstlerischen Praktiken nicht infrage - künstlerischen Praktiken, die von den Zielen des politischen Engagements oder der Sammlung von Spenden legitimiert werden.
Ich möchte die Beziehung zwischen Katastrophen, Erinnerung und den Künsten erforschen, indem ich mich auf Naturkatastrophen konzentriere - sie sind bei Historikern nicht sonderlich beliebt. Tatsächlich geht es um eine paradoxe Beziehung - Naturkatastrophen sind dazu verurteilt, vergessen zu werden, und sie werden letztlich auch vergessen. Dies lässt sich hinreichend anhand der Befragung zeigen, die ich mithilfe der Fellows und der Mitarbeiter/innen des Wissenschaftskollegs durchgeführt habe. Aber Naturkatastrophen rufen - abhängig von Kulturraum und Zeitalter - vielfältige künstlerische Reaktionen und Maßnahmen zum Gedenken hervor, manchmal in großem Umfang, was bedeutende kollektive Investitionen über viele Jahre hinweg nach sich zieht. Indem man sie mit bestimmten Absichten versieht, sie mit politischen Themen verbindet und metaphorisch mit ihnen auf andersartige (historische) Katastrophen verweist, kann man mithilfe der Vermittlung durch kulturelle Artefakte das Erinnern an sie verstetigen.
Ich möchte auf diachrone und vergleichende Weise über die verschiedenen Modalitäten im Verhältnis von Naturkatastrophen, kollektivem Gedächtnis und Künsten nachdenken. Ich gehe von der Hypothese aus, dass es drei verschiedene Formen der Historizität und künstlerischen Verarbeitung von Naturkatastrophen im Verlauf einer langen Zeitspanne gibt (vom 14. - 21. Jahrhundert). Diese These beruht auf der europäischen und westlichen Geschichte, während ich im Vergleich auch andere Regionen berücksichtige.
Diese Präsentation ist eine Kurzfassung des ersten Teils eines Buches, das ich während meines Aufenthalts am Wissenschaftskolleg schreibe.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Lavocat, Françoise (Baden-Baden, 2018)
Kontrafaktische Narrative in Geschichte und Fiktion
Lavocat, Françoise (Oxford [u.a.], 2016)
Catastrophes to come : what can literature tell us?
Lavocat, Françoise (Oxford [u.a.], 2016)
Catastrophes to com : what can literature tell us?
Lavocat, Françoise (Paris, 2016)
Fait et fiction : pour une frontière Poétique
Lavocat, Françoise (Paris, 2014)
Histoire alternative et roman historique contrefactuel : enjeux epistemiques
Lavocat, Françoise (2012)
Lavocat, Françoise (2011)
[Auszug] Pestes, incendies, naufrages : écritures du désastre au dix-septième siècle
Lavocat, Françoise (2011)
Frontières troublées de la fiction à la fin de la Renaissance
Lavocat, Françoise (Turnhout, 2011)
Pestes, incendies, naufrages : écritures du désastre au dix-septième siècle Les styles du savoir
Lavocat, Françoise (2010)
"Circé ... n'est pas fable" : verworrene Grenzen der Fiktion in der Spätrenaissance