Anna Maria Busse Berger, Ph.D.
Distinguished Professor of Music
University of California, Davis
Born in 1949 in Hamburg, Germany
Studied Musicology at the Musikhochschule Detmold and at Boston University, and German Studies at University ofTrondheim
Arbeitsvorhaben
In Search of Medieval Music in Africa
Throughout my scholarly career, I have worked on various aspects of the interface between orality and literacy in early European music. While in my previous books I have concentrated on notation, improvisation, and memory in the Middle Ages and Renaissance, I now want to enlarge the scope and see what happens when literate European missionaries are introducing East African oral societies to writing and Western music.I have chosen to study four different missionaries from three denominations: two Moravian missionaries, one Lutheran from the Leipziger Mission, and one Catholic Benedictine from St. Ottilien. They all come from communities with vibrant music traditions and have left extensive publications and letters that describe their experiences.
Remarkably, most of these missionaries were exposed to two significant movements in early twentieth-century culture that shared a passionate interest in medieval music: the newly established discipline of comparative musicology and the Jugendmusik- and Singbewegung. Erich Moritz von Hornbostel and Carl Stumpf, founders of comparative musicology, established the Phonogramm-Archiv in Berlin in order to collect, analyze, compare, and classify recordings of orally transmitted music from all over the world. They were convinced that music in "primitive" cultures was similar to medieval music, and often drew far-reaching conclusions about medieval music based on what they observed in other cultures. All four of my missionaries made recordings of African music now preserved in the Berlin Phonogramm-Archiv.
Similarly, most of the missionaries were in some way involved in the German Jugendmusik- and Singbewegung, movements that tried to revive early music and folk music by editing and performing Gregorian Chant, Lutheran chorales, and Renaissance polyphony.
Now, my question is: how did comparative musicology and the Jugendmusikbewegung influence the music in the mission stations? Did missionaries translate and publish the chorales they used in their missions? Did they introduce musical notation? Did the missionaries ask members of the communities they visited to create new hymn verses and melodies they would understand better and find more attractive? Was there any room for improvisation? If they were open to local culture, what room was there for its music? For example, were they able to teach the new congregations how to sing polyphony? And if so, how did this polyphonic practice relate to local polyphony? Did they do ethnographic work and try to relate what they found to medieval and Renaissance music?
Recommended Reading
Busse-Berger, Anna Maria. Medieval Music and the Art of Memory. Berkeley, Calif.: University of California Press, 2005.
-. Mensuration and Proportion Signs: Origins and Evolution. Oxford: Clarendon Press, 1993.
-. "Spreading the Gospel of Singbewegung: An Ethnomusicologist Missionary in Tanganyika of the 1930s." Journal of the American Musicological Society 66, 2 (2013): 475-522.
Kolloquium, 13.10.2015
Auf der Suche nach der Musik des Mittelalters in Afrika
Heute gibt es so gut wie keinen Austausch zwischen der historischen Musikwissenschaft (Erforschung der europäischen Kunstmusik) und der Ethnomusikologie (Erforschung außereuropäischer Musik). Doch vor 100 Jahren waren die beiden Disziplinen auf faszinierende Weise miteinander verflochten: Die Musikhistoriker hofften, Erkenntnisse über die Beschaffenheit der mittelalterlichen Musik in Europa zu gewinnen, und zwar aus den neuesten Entdeckungen von Musik in "primitiven" Gesellschaften. In dieser Begegnung spielte Erich Moritz von Hornbostel eine zentrale Rolle (von etwa 1900-1933 war er am Institut für Psychologie der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin tätig, der jetzigen Humboldt-Universität).
Hornbostel war einer der Begründer der vergleichenden Musikwissenschaft, die sich allmählich zu jenem Fach entwickelte, das wir heute als Ethnomusikologie bezeichnen. Das Ziel der vergleichenden Musikwissenschaft bestand darin, Darbietungen mündlich überlieferter Musik aus der ganzen Welt zu sammeln, um sie zu analysieren, zu vergleichen und zu klassifizieren. Zu diesem Zweck gründete Hornbostel zusammen mit seinem Lehrer Carl Stumpf das Berliner Phonogramm-Archiv. Hornbostel entwickelte seine Forschung nach dem Vorbild der vergleichenden Sprachwissenschaft, wie sie etwa 100 Jahre zuvor in Berlin betrieben wurde, insbesondere von Jakob Grimm, Franz Bopp und Wilhelm v. Humboldt. Diese Sprachwissenschaftler sammelten Grammatiken, um Sprachfamilien zu konstruieren und Protosprachen zu rekonstruieren. Insbesondere Humboldt griff auf die Hilfe von Missionaren auf der ganzen Welt zurück. Hornbostel lernte von Humboldt: auch er sandte Phonographen an Missionare und Mitglieder der Kolonialverwaltung, unter der Voraussetzung, dass sie ihre Aufnahmen nach Berlin zurückschickten, damit er sie auswerten konnte. Er wollte unbedingt herausfinden, auf welche Weise die unterschiedlichen Musiktraditionen aus der ganzen Welt zusammenhingen und miteinander verwandt waren und welche Rückschlüsse sie möglicherweise auf die antike und mittelalterliche Musik Europas zuließen.
In meiner Forschung konzentriere ich mich auf zwei verschiedene, aber zusammenhängende Themen. Zunächst gehe ich der Spur der Missionare nach, mit denen Hornbostel und seine Mitarbeiter in Kontakt standen und die die Aufnahmen für sie machten. Viele hatten eine musikalische, sprachwissenschaftliche und anthropologische Ausbildung. Ich habe festgestellt, dass sie an der Musik, die ihnen begegnete, wichtige Beobachtungen machten; oft lieferten sie eine detaillierte Analyse des tonalen Systems und des Rhythmus usw. Nebenbei bemerkt ist ein Großteil der Musik, die sie aufnahmen, jetzt ausgestorben und meistenteils sind ihre Aufnahmen nicht veröffentlicht worden.
Das zweite und wichtigere Thema ist Folgendes: Als Mediävistin versuche ich, ein im Wesentlichen vergessenes Kapitel der Frühgeschichte meines Fachs zu rekonstruieren. Hornbostels Informanten waren nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Missionare, die die traditionelle Musik ihrer Kirchen verbreiten und diese an die Bedürfnisse und Traditionen indigener Gesellschaften anpassen wollten. Häufig wurden sie nicht nur von der vergleichenden Musikwissenschaft beeinflusst, sondern auch von einer weiteren wichtigen Bewegung, die sich mit dieser in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts überschnitt: der Jugendmusik- und Singbewegung. Deren Mitglieder versuchten, "alte Musik" und Volksmusik wiederzubeleben, indem sie gregorianische Gesänge, die Kirchenlieder der Lutheraner und die Polyphonie der Renaissance herausgaben und aufführten. Sehr viele Missionare und Wissenschaftler kamen direkt aus der Jugendbewegung. In meinem Vortrag möchte ich mich auf einen speziellen Missionar konzentrieren, der in seiner Forschung sehr erfolgreich war, aber mit dem Versuch, Afrikaner dazu zu bringen, "seine" Musik zu singen, kläglich scheiterte.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Busse Berger, Anna Maria (Chicago, 2020)
The search for medieval music in Africa and Germany, 1891-1961 : scholars, singers, missionaries The search for medieval music in Africa and Germany
Busse Berger, Anna Maria (Mainz, 2018)
Busse Berger, Anna Maria (Cambridge, 2015)
The Cambridge history of fifteenth-century music Fifteenth-century music
Busse Berger, Anna Maria (Berkeley, Calif., 2013)
Spreading the gospel of Singbewegung : an ethnomusicologist missionary in Tanganyika of the 1930s
Busse Berger, Anna Maria (München, 2013)
Wann wurde das Notre Dame Repertorium kanonisch?
Busse Berger, Anna Maria (Florence, 2009)
Memory and invention : medieval and Renaissance literature, art and music ; acts of an international conference, Florence, Villa I Tatti, May 11, 2006 Villa I Tatti ; 24
Busse Berger, Anna Maria (Roma, 2008)
La musica medievale e l'arte della memoria Medieval music and the art of memory
Busse Berger, Anna Maria (Firenze, 2006)
Models for composition in the fourteenth and fifteenth centuries
Busse Berger, Anna Maria (Berkeley, Calif. [u.a.], 2005)
Medieval music and the art of memory
Busse Berger, Anna Maria (Oxford [u.a.], 2002)
Mensuration and proportion signs : origins and evolution Oxford monographs on music